Für den Schweizer Presserat ist die Antisemitismusdefinition nur «bedingt tauglich» – SIG ist befremdet

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Symbolbild. Zeitungen und Illustrierte an einem Kiosk in Zürich. Foto IMAGO / Geisser
Symbolbild. Zeitungen und Illustrierte an einem Kiosk in Zürich. Foto IMAGO / Geisser
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Im Juli 2021 löste ein Entscheid des Schweizer Presserats, nicht nur bei jüdischen Organisationen Irritationen aus. Der Presserat irritierte in einem Urteil mit seiner kritiklosen und fast parteilichen Haltung gegenüber der Israel-Boykott Bewegung „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, abgekürzt BDS. In seiner Neubeurteilung kommt der Presserat in seiner Rüge gegenüber Prime News zu keinem neuen Schluss. Dafür gibt er eine sehr fragwürdige Beurteilung der international anerkannten Antisemitismusdefinition der IHRA ab. 

Der Presserat hat sich erneut mit seiner Rüge gegenüber Prime News beschäftigt. Dem Onlineportal wurde im Juli 2021 beschieden, die journalistische Wahrheitspflicht verletzt zu haben, als es in einem Artikel die Israel-Boykott-Bewegung BDS als «antisemitisch», «antisemitisch gefärbt» oder «von vielen Experten als antisemitisch eingestuft» bezeichnet hatte. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) hat es begrüsst, dass sich der Presserat mit dem Fall neu befasst hat. Der Presserat habe damit auf die Anerkennung der Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) durch den Bundesrat reagiert, so der SIG in einer Mitteilung. Die IHRA-Antisemitismusdefinition wird mittlerweile von 30 Staaten sowie diversen Städten und Organisationen anerkannt und angewendet. Umso befremdlicher ist die publizierte Neubeurteilung des Presserats, schreibt der SIG.

Nicht nachvollziehbar

In seiner Wiederaufnahme des Entscheides zur Berichterstattung von Prime News über BDS kam der Presserat in wenigen Zeilen zum Schluss, dass er den Fall nicht anders beurteilen möchte. Dafür gab er eine eigene subjektive Beurteilung zur IHRA-Antisemitismusdefinition ab, die der SIG “nicht nachvollziehen kann”. Laut Presserat sei die IHRA-Definition für die journalistische Praxis nur bedingt tauglich und die dazugehörigen Beispiele müsse man immer im Kontext sehen. Für den SIG ist klar: “Genau eine solche Kontextualisierung nimmt der Presserat jedoch selbst nicht vor. Ausserdem ist es sehr fraglich, in welchem Kontext der Aufruf zur Tötung von jüdischen Menschen oder die Leugnung der Schoah für den Presserast nicht antisemitisch sein sollen.”

Österreichischer Presserat urteilte gegenteilig

Für den SIG sei es befremdlich, dass der Presserat auch nach Gesprächen mit ihm und in Kenntnis des aktuellen Forschungsstands auf eine kritische Betrachtungsweise der BDS-Bewegung weitgehend verzichtet. In einem vergleichbaren Fall kam der österreichische Presserat übrigens zu einer völlig konträren Schlussfolgerung wie sein Schweizer Pendant: einerseits sei «antisemitisch» als Wertung der ideologischen Gesinnung zulässig und anderseits beruhe diese Wertung gegenüber BDS auf einer sachlichen Grundlage.

Enttäuschung über neuen Entscheid

Der SIG hält fest, dass er das Ergebnis des Wiedererwägungsentscheids des Presserats nicht nachvollziehen kann. Die von jüdischen Organisationen vorgebrachten Argumente seien in keinster Weise berücksichtigt worden. Dafür die sehr fragwürdige Einschätzung der IHRA-Definition. Ob die Mitglieder des Presserats über die fachlichen Kompetenzen im Bereich Antisemitismus- und Schoahforschung verfügen, um eine solche Einschätzung mit möglicher Signalwirkung für die Schweizer Medienlandschaft zu treffen, ist dabei laut dem SIG fraglich. Man stellt sich beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund nach dem jüngsten Entscheid des Presserats die Frage, “wie ernst es dem Presserat im Umgang mit Antisemitismus ist”. Für den SIG sei klar, dass die IHRA-Definition für Medienschaffende von grossem Nutzen sein kann, wenn es um Einschätzungen im Bereich Antisemitismus geht.

1 Kommentar

  1. Die offizielle Schweiz preist sich gerne als “weltoffen” und möchte ihre “guten Dienste” anbieten. Wie das dann in der Tat aussieht, erfuhr man gestern über den neuesten Credit Suisse (CS) Skandal! Mehr als befremdlich in ihrer Aussage ist auch die Schweizer Regierung (BR) in Bezug auf die Symbole des Judenmordes, sowie der Nichtanerkennung von Terrororganisationen, beispielsweise der Hamas, Hisbollah, Fatah etc. Selbstredend betreiben auch die Medien eine absolut unausgewogene, bedenkliche antiisraelische, bzw. antisemitische Berichterstattung, diese ganze unerträgliche Heuchelei ist nur noch ekelhaft und peinlich…

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