Hillel Neuer: Ein jüdischer Blick auf die Vereinten Nationen

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Foto Hillel Neuer
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Der in Montreal geborene Hillel Neuer läuft bedächtig, hat aber eine starke Stimme. Worte sind seine Währung und als geschäftsführender Direktor von „UN Watch“, mit Sitz in Genf, setzt er sie ganz ein gegen die Diktaturen, die zwar gegen humanitäre Gesetze verstossen, sich aber in dem schützenden Mantel des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen hüllen.

Von Paul Lungen

2013 sagte er diesen Abgeordneten ins Gesicht sie seien „die Despoten, die diesen Rat steuern“. Mit vier Abschlüssen, einschliesslich einem der Vergleichenden Rechtswissenschaften von der Hebräischen Universität in Jerusalem, ist er ein starker Advokat für die faire und gleichberechtigte Behandlung des Staates Israel.

Hat sich die Anzahl der israelkritischen UN-Resolutionen über die Jahre verändert?

Die Generalversammlung und der Menschenrechtsrat laufen meistens auf Autopilot, genau wie andere Behörden auch, z.B. die UNESCO, wenn es um viele Stimmen geht und besonders um Anti-Israel-Resolutionen. Normalerweise ist es jedes Jahr die gleiche Resolution. Sie werden von den arabischen und islamischen Staaten finanziert und die Palästinenser spielen dabei eine entscheidende Rolle. Und normalerweise versuchen sie die Sprache aufzuheizen, um es noch mehr anzustacheln.

Der November markierte 40 Jahre seit Verabschiedung der berühmten „Zionismus ist Rassismus“-Resolution, die glücklicherweise wieder im Jahr 1991 aufgehoben wurde. Allerdings leitete sie das Zeitalter der automatischen Verurteilungen von Israel ein. Wir stehen in den letzten Jahren stabil bei 20 Resolutionen in New York und ungefähr fünf bei dem Menschenrechtsrat in Genf. Und natürlich kommen da noch besondere zusätzliche Punkte hinzu.

Haben die Vereinten Nationen in gleicher Weise auf die Krisen in Syrien, dem Irak und der Krim reagiert, wie in den Resolutionen, die gegen Israel gerichtet sind?

Absolut nicht. Der Fall Israel bleibt einmalig und er zieht weiterhin so viel Aufmerksamkeit auf sich, die extrem disproportional zu dem ist, was vor Ort passiert.

Syrien wurde jahrzehntelang ignoriert, als Präsident Bashar Assads Vater, Hafez Assad, gerade dabei war, Zehntausende in Hama in den 80er Jahren zu ermorden. Syrien wurde immer wieder zum Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt.

Libyen wurde Vorsitzender der Menschenrechtskommission in 2003, den arabischen Diktaturen wurde ein Freifahrtschein gewährt. Sie wurden belohnt.

2011 entfremdete Syrien die sunnitische Welt und man hatte ein Alawiten-Regime, das Teil der schiitischen Welt ist, gestützt vom Iran und der Hisbollah, und im Krieg mit den Sunniten stand. Die sunnitischen Regimes bei den Vereinten Nationen – Ägypten, die Saudis, Jordanien und andere Golfstaaten – wandten sich gegen Syrien. Das ermöglichte den Vereinten Nationen, Syrien zu verschiedenen Anlässen zu kritisieren. Aber im Vergleich zu der Art wie sie Israel kritisieren und dem, was vor Ort passiert, ist das marginal. Es gibt eine Resolution der Generalversammlung zu Syrien. Zu Israel gibt es 20. Das spricht für sich.

Die palästinische Flagge wurde bei den Vereinten Nationen zum ersten Mal gehisst, zum gleichen Zeitpunkt als die Palästinensische Autorität (PA), Präsident Mahmoud Abbas, der Generalversammlung sagte, dass die Palästinenser nicht mehr an Oslo gebunden seien. Was ist die Bedeutung dieser beiden Ereignisse?

Also, man hat das Statement von Abbas, das eine Zufriedenheit mit den unterzeichneten, internationalen Beschlüssen zeigt. Aber darüber hinaus, in den letzten Wochen, rufen die PA Medien öffentlich dazu auf, Juden zu töten und die palästinensischen Medien glorifizieren die Mörder von Juden als Märtyrer und sagen, dass sie alle den heiligen islamischen Auftrag erfüllen.

Die Reaktion der Vereinten Nationen war es, bis auf flüchtige Kritik, die von den viel stärkeren Verurteilungen Israels übertönt wurde, Abbas zu unterstützen und zu belohnen, indem die Flagge bei den Vereinten Nationen gehisst wurde. Es ist ungeheuerlich, dass die Vereinten Nationen, anstatt die Palästinenser zur Verantwortung ziehen, sie wie Kinder behandeln, nicht wie Handelnde, die sich für Ihre Taten verantwortlich zeigen müssen. Das garantiert nur weitere schlechte Taten der palästinensischen Regierung in der Zukunft.

UN Watch hat vor kurzem herausgefunden, dass 22 UNRWA-Lehrer (Anm. zur Übersetzung: Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten)  ihre Schüler zum Antisemitismus anstachelten. UNRWA hatte dies anfänglich abgestritten, um später einzuräumen, dass an den Vorwürfen etwas Legitimes dran sei und hatte daraufhin die Lehrer abgemahnt. Sind Sie mit dieser Reaktion zufrieden?

Wir sind dankbar dafür, dass es etwas Anerkennung der UNRWA für die grundsätzlichen Fakten gegeben hat. Jeder, der ins Internet geht, sieht Personen, die sich öffentlich als UNRWA-Lehrer identifizieren und Fotos von ihrem Klassenzimmer posten und gleichzeitig, in genau den gleichen Profilen, Fotos zeigen, auf denen Israelis erstochen werden und die zu mörderischen Attacken auf Juden anfeuern. Indem z.B. gesagt wird: „Erstecht zionistische Hunde.“

Es soll nicht eine Angelegenheit sein, ihnen einen Klaps auf die Hand zu geben. Das Beste, was wir von der UNRWA haben, ist, dass einige Lehrer suspendiert wurden.

Was bedeutet das? Suspendiert für einen Tag, eine Woche, zwei Wochen?

Die Reaktion der UNRWA ist, gelinde gesagt, nicht zufriedenstellend. Es ist noch viel schlimmer als das. Der öffentliche Sprecher von UNRWA, Chris Gunness, hat UN Watch attackiert. Er hat mehrere Tweets veröffentlich, in denen er Journalisten eindringlich aufgefordert hatte, uns zu ignorieren, dass wir keine Glaubwürdigkeit hätten.

Es ist nicht ausreichend, und generell ist ihre Einstellung eine von Verachtung für die, die versuchen sie zur Verantwortung zu ziehen, und das ist inakzeptabel.

Es gibt mehrere Videos von Ihnen, in denen Sie die Vereinten Nationen adressieren und die Wut von mehreren Diplomaten auf sich gezogen haben. Wie fühlt sich das für Sie an?

“Es ist kein angenehmes Gefühl in einen Raum zu gehen, von dem man weiss, dass sich mehrere Personen darin befinden, die dich hassen und dir einen Todesblick zuwerfen.”

Wenn man dieses Zimmer betritt, hat man die Feindschaft der Palästinenser, der arabischen Regimes – seien es die aus Syrien oder anderen Diktaturen aus der ganzen Welt – die UN Watch konfrontieren wollen.

Darüber hinaus hat man Vertreter der Vereinten Nationen, denen wir es ungemütlich machen, wenn wir sie an die Ungerechtigkeiten erinnern, die die ganzen Vereinten Nationen durchziehen und die Scheinheiligkeit und die doppelte Moral.

Und dann hat man natürlich auch die von den Vereinten Nationen akkreditierten NGOs, die Menschenrechtsaktivisten. Leider gibt es NGOs, die instinktiv anti-Israel, anti-Amerika sind und instinktive, reflexartige UN-Verteidiger, die keinerlei Kritik an den Vereinten Nationen zulassen. Sobald sie mich, UN Watch, erblicken, sehen sie eine Gruppe, die nicht glaubt, dass die USA die Wurzel allen Übels ist, die nicht glaubt, dass der freie Markt die Wurzel allen Übels ist, und die nicht glaubt, dass Israel die Wurzel allen Übels ist.

Wegen all dieser Gründe, sehen sie uns fast schon als ihre Erzfeinde an. Und das sind die NGOs, die direkt neben uns sitzen.

Wie können Sie dem Druck widerstehen, nicht konform zu gehen?

Ich versuche mir die Tradition von Abraham vor Augen zu führen, der der erste Nicht-Konformist dieser Welt war und zu einer Zeit der Götzenverehrung von Gott gesprochen hat. Das ist auch, was ich versuche hier zu tun.

Und ich spreche für die Wahrheit und das, was uns die Stärke gibt, und obwohl es nur ich selbst und eine Handvoll von Kollegen sind, weiss ich, dass in dem Plenum der Vereinten Nationen – hinter uns, der Wind in unseren Segeln – dass da 4,5 Mio. Menschen sind, die unsere Videos geguckt haben, dass mehr als 60.000 Menschen UN Watch auf facebook liken und wir 25.000 bis 30.000 Follower über verschiedene Twitter-Profile haben.

Und diese Menschen haben uns immer grosszügig ermuntert weiterzumachen. Wir erhalten zu verschiedenen Zeiten Hunderte, wenn nicht Tausende Nachrichten der Unterstützung. Wir erhalten finanzielle Unterstützung von einer Vielzahl von Personen aus der ganzen Welt, die uns ihren Segen schicken und ihren sehr emotionalen, enthusiastischen Dank für die Arbeit, die wir tun. Wenn wir also den Raum betreten sind wir zwar allein, aber wir wissen, dass wir für Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Menschen sprechen und dass wir für die Wahrheit eintreten. Und das gibt uns die Stärke zu bestehen.

In Englisch zuerst erschienen in The Canadian Jewish News. Das Interview ist aus Gründen des Stils und der Verständlichkeit bearbeitet und komprimiert worden.

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