Antisemitische Motive in arabischen Cartoons

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Joël Kotek

„Das kollektive Bild, das arabische Cartoons von Juden vermitteln, schafft die Grundlage für die Möglichkeit eines Völkermordes. Ob diese völkermörderischen Ideen bewusst oder unterbewusst sind, darüber kann man streiten.“

Dr. Joël Kotek ist Politikwissenschaftler und Professor an der Freien Universität Brüssel. Er hat viele tausende antisemitische Cartoons gesammelt, hauptsächlich aus den arabischen Medien. Diese Cartoons zielen nicht nur auf Israel, sondern auf alle Juden. Seine Forschungsergebnisse hat Kotek in dem Buch Cartoons und Extremism: Israel and the Jews in Arab and Western Media veröffentlicht.

In einer Welt, in der das Image eine wichtige Rolle spielt, ist der Cartoon zu einem beliebten und effizienten Kommunikationsinstrument geworden, betont Kotek. Eine Karikatur kann genau so viel Einfluss auf die öffentliche Meinung haben wie ein Leitartikel.

„Der ‘teuflische Jude’ ist ein wiederkehrendes Thema in diesen Cartoons“, sagt er. „Im weiteren Sinne suggeriert dieses Bild, dass die jüdische Religion teuflisch und das ganze jüdische Volk böse sein muss. Diese Cartoons vermitteln die Vorstellung, dass Juden sich wie Nazis verhalten; der Leser soll schlussfolgern, dass die einzig logische Lösung ihre Eliminierung ist. Die arabische Welt ist zunehmend von dieser Vorstellung überzeugt, und es gibt darum auch kaum Hemmungen, sie auf einer Vielzahl von Internetseiten zu zeigen.“

Einige hundert arabische Cartoons aus Koteks Sammlung sind in seinem Buch nach den unterschiedlichen antisemitischen Themen geordnet: „Das erste Thema basiert auf dem ältesten antisemitischen Motiv, der Dämonisierung des Juden. Der Jude wird als unmenschlich und als Feind der Menschheit dargestellt. Indem er inhuman gezeigt wird, wird seine erhoffte Eliminierung gerechtfertigt.“

„Am 28.Dezember 1999, also lange vor Ausbruch der Zweiten palästinensischen Intifada, veröffentlichte die offizielle Tageszeitung der Palästinensischen Autonomiebehörde Al Hayat al-Jadida einen Cartoon, der eben diese Kernidee zum Ausdruck bringt. Im Cartoon wird ein alter Mann mit djellaba gezeigt; er steht symbolisch für das 20. Jahrhundert und verabschiedet sich von einem jungen Mann in einem T-Shirt, der für das 21. Jahrhunderts steht. Zwischen den beiden steht ein kleiner Jude mit einem Davidstern auf der Brust, auf den ein Pfeil mit der Aufschrift „die Krankheit des Jahrhunderts“ zeigt.

Ein zweites zentrales Thema der antisemitischen Cartoons ist der Jude als Gottesmörder. „Ursprünglich ist das ein christliches Motiv. Muslime verwenden es, um die Sympathien einiger Christen zu gewinnen, indem sie eine ihrer zentralen Mythen adaptieren.“

„Ein weiteres wichtiges Motiv ist die Darstellung Israels als Nazi-Staat. Es beruht auf zwei sich widersprechenden Sinnbildern, das die Islamisten in Einklang zu bringen versuchen. Zunächst behaupten sie, dass es die Shoah nicht gegeben habe. Und wenn es sie doch gab, sagen sie, dann habe sie den Palästinensern mehr Schaden zugefügt als den Juden, weil sie glauben schlimmer behandelt zu werden als die Juden von den Nazis.“

Kotek merkt an: „Auch die Darstellung in Tiergestalt ist ein gängiges Motiv überall auf der Welt. Zur Schmähung des Gegners wird dieser seiner Menschlichkeit beraubt, indem er zum Tier gemacht wird. In Nazi- und Sowjet-Karikaturen wie auch in rumänischen werden Juden oft als Spinne gezeigt, die gemeinhin als böses Tier gilt. Die beiden andern vorherrschenden antisemitischen Motive in Tiergestalt sind der ‚blutdürstige Vampir‘ und der ‚Oktopus‘. Der Vampir ist ein klassisches antisemitisches Motiv. Ich habe bisher noch kein anders Volk ausser den Juden gefunden, das als solcher dargestellt wird. Dieses Bild, das den Grundstein für einen Völkermord legen kann, entstammt christlicher Vorstellungskraft. Was die bestialische Darstellung von Juden angeht, halten sich die arabischen Cartoonisten an die Nazis. Es wird die Botschaft vermittelt, dass Juden zerstörerisch, unmenschlich und böse sind.“

„Das fünfte antisemitische Motiv in arabischen Cartoons spiegelt die klassische Verschwörungsthematik, dass ‚Juden die Welt regieren’. Die Gegner Israels behaupten, die Juden beherrschten die USA. In Andeutungen lassen sie auch durchblicken,  Juden ‚die Herren der Welt’ sind – ein klassisches Verschwörungsmotiv, dass von den Nazis ausgebeutet wurde.“ Die nachfolgenden Karikaturen von Bendib, einem amerikanischen Karikaturist algerischer Herkunft, verdeutlichen das.

 

„Auch der blutliebende oder blutdurstige Jude ist ein zentrales Thema in arabischen Cartoons. Dieses Motiv kommt ebenfalls aus dem christlichen Antisemitismus. In der heutigen arabischen Welt ist dieses Bild hemmungslosen Hasses zu einem vorgeblichen Suchen nach palästinensischem Blut mutiert. Es gibt zu diesem Thema so viele Cartoons, ich konnte nur einige wenige für mein Buch aussuchen. Bluttrinkende Juden werden andauernd auf Al Ahram gezeigt, einer der führenden ägyptischen Tageszeitungen. Am 21. April 2001 wurde dort ein Cartoon veröffentlicht, der zwei Soldaten mit Davidstern auf dem Helm zeigt, die einen Araber in eine Walze stecken. Das Blut des Arabers quillt heraus, und zwei Juden mit Kippa und einem Davidstern auf dem T-Shirt trinken lachend das Blut.

„Ein weiteres antisemitisches Motiv wiederholt sich ständig in arabischen Cartoons, es ist das extremste. Dass Juden nicht morden, sondern dass sie es vorzugsweise auf Kinder abgesehen haben, ist das Konzept, das die Cartoonisten mit diesen Bildern zu vermitteln suchen. Palästinenser werden darauf hauptsächlich als Kinder oder Babies dargestellt.“

Diese Karikaturen sind oftmals Ausdruck eines neuen Antisemitismus, schlussfolgert Kotek.  „Es gibt ständige ‚Aufrufe zum Mord’. Für die Cartoonisten scheint der Tod die einzig würdige Strafe, die ‚der zionistische Feind’ verdient.“