Israel und der Sechs-Tage-Krieg von 1967 – Teil 3

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Rabbi Shlomo Goren sprach am 7. Juni 1967 in Jerusalem ein Dankgebet , das live in ganz Israel übertragen wurde. Kurz danach hielt Goren, in das Schofar blasend und eine Torarolle tragend, das erste jüdische Gebet an der Klagemauer seit 1948 ab. Foto Benny Ron
Rabbi Shlomo Goren sprach am 7. Juni 1967 in Jerusalem ein Dankgebet , das live in ganz Israel übertragen wurde. Kurz danach hielt Goren, in das Schofar blasend und eine Torarolle tragend, das erste jüdische Gebet an der Klagemauer seit 1948 ab. Foto Benny Ron
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Die Kriegshandlungen zwischen dem 5. und dem 10. Juni 1967 dauerten insgesamt 132 Stunden. Damit ging der Sechstagekrieg als der bis dato kürzeste Krieg der Menschheitsgeschichte in die Historienbücher ein. Lesen Sie auch den ersten Teil und den zweiten Teil über Israel und den Sechs-Tage-Krieg von 1967.

von Jérôme Lombard

Ungeachtet der geringen Dauer, haben die intensiven Kriegstage den Kontext des arabisch-israelischen Konflikts folgenreich verändert. Die arabische Seite, die nach ihrer verheerenden militärisch-politischen Niederlage nicht etwa willens war, von ihrem generellen Kurs der Feindschaft gegenüber Israel abzulassen, musste jedoch anerkennen: Der jüdische Staat wird mit Waffengewalt nicht zu zerstören sein. Nach der überaus martialischen und euphorischen Kriegshetze von Ägyptens Präsident Nasser im Vorfeld des Sechstagekriegs, war dies eine enorm bittere Erkenntnis für die Araber. Die „Neue Zürcher Zeitung“ fasste es in einem Beitrag vom 11. Juni wie folgt zusammen: „Nichts ist nach dieser Woche von der Politik Nassers zurückgeblieben, die erklärtermassen auf die Vernichtung des israelischen Staates aus war; die würgende Hand an der Strasse von Tiran ist abgehauen, aus dem Triumphmarsch nach Tel Aviv ist die Flucht nach Kairo geworden, der Ring um Israel ist in Fragmente zerbrochen, die Herde der Infiltration sind ausgeschaltet, die Ausgangsposition der Aggression liquidiert, die arabischen Armeen und ihre Rüstung östlicher Marke zerschlagen.“

Als Überlebenskampf begonnen, endet der Krieg mit der Befreiung Jerusalems

Israel hatte durch den Verlauf des Sechstagekriegs rund 42 000 Quadratmeilen an Territorium erobert und war damit flächenmässig dreieinhalb mal grösser als vor dem Krieg. War Israel vor dem Sechstagekrieg militärisch äusserst verwundbar gewesen, konnten doch alle grösseren urbanen Siedlungen von an den Grenzen positionierten arabischen Artilleriekanonen unter Beschuss genommen werden, standen die Truppen der „Israeli Defence Forces“ (IDF) nun an allen Fronten auf ehemaligem Feindesgebiet. Wenn also eines der unmittelbaren Resultate des Sechstagekriegs die politisch-militärische Stärkung Israels war, darf dabei nicht vergessen werden, dass die für diese gestärkte Position entscheidenden Territorialgewinne keinesfalls ursprüngliches Kriegsziel gewesen waren. Das erklärte Ziel war die Zerschlagung der an der Grenze zum Angriff zusammengezogenen ägyptischen Armee und die Wiederöffnung der Seestrasse von Tiran. Der Casus Belli des israelischen Präventivschlags war also neben der Beantwortung eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs die zuvor vom ägyptischen Präsidenten Nasser angeordnete Blockade der maritimen Handelsroute – ein nach internationalem Völkerrecht eindeutig kriegerischer Akt – der legitimer Weise mit Waffengewalt beantworten werden kann. Darüber hinausgehend war kein weiterer militärischer Schritt vom israelischen Militärstab geplant gewesen. Weder die Einnahme der gesamten Sinai-Halbinsel, noch die Eroberung des Westjordanlands (Judäa und Samaria), noch die Erstürmung der Golan-Höhen und auch nicht die für die Israelis so überaus emotionale Wiedervereinigung Jerusalems und die Befreiung der Klagemauer, waren bei Kriegsausbruch am 5. Juni 1967 absehbare Ereignisse. Die territorialen Eroberungen ergaben sich aus dem im Vorfeld nicht vorhersehbaren Verlauf der Kämpfe gegen Ägypten und die angreifenden Staaten Jordanien und Syrien sowie der einem Krieg eigenen Dynamik. Kein Historiker kann plausibel erklären, wie der Krieg verlaufen wäre und wie der Nahe Osten sich anschliessend gewandelt hätte, hätte Ägypten das israelische Angebot eines Waffenstillstands bereits nach dem ersten Tag der Kämpfe angenommen und hätten Jordanien und Syrien nicht in den Konflikt eingegriffen.

Israel erlangt neues Selbstbewusstsein

Der militärische Sieg im Sechstagekrieg brachte Israel ein völlig neues Gefühl von Selbstbewusstsein. In gewisser Weise wurde der jüdische Staat durch die Befreiung Jerusalems und die Wiedervereinigung des jüdischen Volks mit dem biblischen Land der Vorväter in Judäa und Samaria „jüdischer“. Ein Umstand, der in der Folge wiederum zu gesellschaftlichen Spannungen innerhalb der israelischen Gesellschaft zwischen religiösen Gruppen und der weiterhin säkularen Bevölkerungsmehrheit führen und insbesondere die innerisraelischen Diskussionen um das Westjordanland bis heute prägen sollte. International bildete der militärische Sieg die Grundlage für die strategische und politische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten, die Israel von nun als wichtigen Partner in der Region und Verbündeten im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion ansahen. Die Sowjetunion ihrerseits nahm den Ausgang des Sechstagekriegs zum Anlass, um gemeinsam mit ihren Satellitenstaaten alle diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen und durch Rüstungslieferungen an seine arabischen Verbündeten weiterhin am Kampf gegen Israel teilzunehmen.

Das Prinzip „Land für Frieden“ entsteht  

Unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen 1967 war für die israelische Regierung aber keine Zeit, um über die aussenpolitische Grosswetterlage nachzudenken. Überaus schwierige Entscheidungen mussten getroffen werden: Wie konnte der Konflikt mit den Nachbarn gelöst werden? Was sollte mit den neu gewonnenen Gebieten geschehen? Wie sollte mit den 1,2 Millionen Palästinensern und arabischen Beduinen verfahren werden, die durch die Territorialgewinne im Westjordanland und im Gaza-Streifen unter israelische Herrschaft gekommen waren? Das israelische Kabinett diskutierte diese Fragen in einer ausserordentlichen Sitzung am 19. Juni 1967. Die Politiker fanden während dieser Zusammenkunft einen Konsens, der einen wegweisenden Charakter haben sollte: Die eroberten Gebiete sollten im Gegenzug für Friedensverhandlungen getauscht werden, aus dem militärischen Sieg sollte eine politisch-diplomatische Lösung erwachsen. Das Prinzip „Land für Frieden“ war geboren worden. In einer Unterredung mit US-Präsident Lyndon B Johnson erklärte Israels Premierminister Levi Eshkol: „Der Sechstagekrieg könnte zum ersten Mal den Beginn eines Prozesses, der zu Frieden führen wird, eingeleitet haben.“ Diese Einschätzung wurde durch die von den Vereinten Nationen im November 1967 verabschiedete Resolution Nummer 242 bestätigt. Die vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution basiert auf der Idee, dass es im Austausch von Land zu Friedensverträgen mit den Nachbarstaaten kommt. Das israelische Militär zieht sich aus den zuvor eroberten Gebieten zurückzieht, wenn die arabischen Staaten Israel glaubhafte Sicherheitsgarantien machen und die allgemeinen Kriegszustand offiziell beenden. In dem Resolutionstext heisst es: „Achtung und Anerkennung der Souveränität, territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit eines jeden Staats in der Region und seines Rechts, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Androhungen oder Akten der Gewalt in Frieden zu leben.“ Zudem spricht sich die Resolution für „eine gerechte Regelung des Flüchtlingsproblems“ aus. Die Palästinenser werden in der Resolution 242 namentlich nicht erwähnt, ein generelles Rückkehrrecht garantiert die UN-Resolution ebenfalls nicht.

Die Araber bleiben unnachgiebig: Die „drei Neins“ von Khartum

Eine unmittelbare Wirkung konnte die Resolution und das in ihr festgelegte, von der israelischen Regierung unterstützte Prinzip „Land gegen Frieden“, jedoch nicht erzielen. Bereits im September hatten die arabischen Staaten deutlich gemacht, dass sie zu keinerlei Kompromissen mit Israel bereit sind und den jüdischen Staat nicht anerkennen werden. Auf einer Konferenz in der sudanesischen Hauptstadt Khartum stimmten die Führer acht arabischer Staaten am 1. September 1967 ihre gemeinsame Haltung ab. In dem Abschlusskommuniqué heisst es: „Kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen mit Israel.“ Diese „drei Neins“ von Khartum sollten nicht nur alle ernst gemeinten Friedensinitiativen verunmöglichen, sondern auch die unnachgiebige Haltung der arabischen Seite für die folgenden Jahre bis zum Jom-Kippur-Krieg von 1973 bestimmen.

Durch den Sechstage wurden die Bedingungen für Frieden geschaffen

Die UN-Resolution 242, die eine direkte Folge der während des Sechstagekriegs geschaffenen Fakten am Boden war, kann von israelischer Seite als einer der grössten politisch-diplomatischen Erfolge des Kriegs gesehen werden. Das mit ihr implementierte Prinzip „Land für Frieden“ bildete die Grundlage sowohl für den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag von 1979 als auch für die Friedensgespräche von Oslo in den 1990er Jahren. Allerdings hat die israelische Räumung des Gaza-Streifens im Jahr 2005 auch die Grenzen der Lösungsformel von „Land für Frieden“ offenbart. Das Prinzip kann nur dann funktionieren, wenn es nicht unilateral umgesetzt wird, sondern auf Grundlage direkter Verhandlungen zweier wahrhaftig zum Frieden bereiter Parteien implementiert wird. Da die syrischen Regierungen nie zu einem solchen Schritt bereit gewesen sind und die Golan-Höhen eine entscheidende strategische Rolle zur Verteidigungsfähigkeit Israels haben, entschloss sich die israelische Regierung 1981, die Golan-Höhen de jure zu annektieren. Die späteren Entwicklungen und insbesondere der seit 2011 tobende syrische Bürgerkrieg, der islamistische Terrorgruppen wie den „Islamischen Staat“ (IS) vor die Türen des jüdischen Staats gespült hat, haben nachträglich die Richtigkeit dieser Entscheidung bestätigt.

Auch 50 Jahre nach dem Sechstagekrieg ist nicht absehbar, welche Folgen dieser Krieg noch für den arabisch-israelischen Konflikt und die Region haben wird. Insbesondere der richtige Umgang mit dem Westjordanland und die damit zusammenhängende Frage, ob es in naher Zukunft einen lebensfähigen palästinensischen Staat geben kann, der in Frieden neben Israel existiert, bleibt ungeklärt. Eines kann mit Sicherheit gesagt werden: Sollte es in der Zukunft zu einem dauerhaften arabisch-israelischen Frieden kommen, wird dieser Frieden auch ein Resultat der sechs Kriegstage im Juni 1967 sein.