Jerusalem: 24h Propaganda auf SRF

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"Jerusalem Dome of the rock BW 14" by Berthold Werner - Own work. Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons
Lesezeit: 4 Minuten

SRF2 hat am Ostersonntag und -montag die „24h Jerusalem” – Osterspezial-Sendung  ausgestrahlt,  welche von der Berliner Produktionsfirma «zero one 24» zusammen mit Algeria Productions (Paris) für Arte und dem Bayrischen Rundfunk im Jahr 2013 realisiert worden war. Mit 70 Kamerateams, darunter 20 israelischen und 20 palästinensischen, wurden mit einem 2,4 Millionen Euro Budget insgesamt 90 Juden, Araber und Europäer interviewt und gefilmt. Audiatur-Online berichtete bereits nach der Ausstrahlung im März 2014 darüber.

Dank ARTE erfährt man, dass fast alle Juden in der Stadt fromm bis ultraorthodox sind oder Uniform tragen, Palästinenser schikanieren oder mit abgerichteten Pferden niedertrampeln.

Ansonsten sind die von ARTE präsentierten jüdischen Bewohner Jerusalems um die 90 Jahre alt und Holocaustüberlebende, darunter der Fotograf David Rubinger und Ruth Bach, die mit ihrem Bruder Gabriel Schach spielt. Dass Gabriel Bach Ankläger im Prozess gegen Adolf Eichmann war, fällt bei ARTE unter den Kaffeetisch. Zum Holocaustkomplex zählt auch die rothaarige Esther Shimberg. Die 29-jährige aus Berlin arbeitet in der Gedenkstätte Jad Vaschem, betet ständig und sucht sehnsüchtig einen Ehemann.

„Normale“ Menschen scheint es nur auf der „palästinensischen“ Seite zu geben. Eine Schuldirektorin klagt, dass es in ihrem Laden nebenan nur Milch aus Israel gebe, obgleich sie doch israelische Produkte boykottiere, wohl nach dem Prinzip: „Kauft nicht bei Juden“.

Die in jedem Abschnitt hervorgehobene „Mauer“ ist zwar laut Landkarte überwiegend jenseits der Stadtgrenzen errichtet worden, erweckt bei ARTE aber den Eindruck, als stünde sie mitten in der Stadt, zumal bei jedem erwähnten Viertel betont wird, ob es in „Ost“ oder „West“ liegt.

In Silwan trifft ARTE Palästinenser, die gegen jüdische „Siedler“ hetzen und einen Wachmann rassistisch beleidigen, weil er aus Äthiopien stammt. Vermeintlich „seit Generationen“ leben die Palästinenser in jenem Viertel. Verschwiegen wird, dass Silwan vor 150 Jahren von jemenitischen Juden errichtet worden ist, die 1936 während des arabischen Aufstands  wegen ihrer Religion von Jemen vertrieben wurden. Die Eigentumsrechte sind umstritten. Die meisten ohne Baugenehmigung errichteten Häuser dort existierten vor 1967 nicht, wie man Luftaufnahmen entnehmen kann.

Im gesprochenen Kommentar erwähnt ARTE, dass es während der Zweiten Intifada in Jerusalem 137 Selbstmordattentate gegeben habe. Erst beim Spaziergang mit der Schriftstellerin Zruria Schalev, die in einem explodierten Linienbus schwer verletzt worden ist, wird klar, dass die Selbstmordattentäter wohl Japaner und nicht Palästinenser waren. Denn Schalev fiel einem „Kamikaze“-Attentat zum Opfer. So ARTE in der französischen Version, wie sie in Jerusalem im Kabelnetz empfangen werden konnte. Die anderssprachigen Versionen im Internet außerhalb Europas, also auch in Jerusalem, waren noch beim Schreiben dieses Beitrags „blockiert“.

Die politische Befindlichkeit der Bewohner Jerusalems ist klar aufgeteilt.

Unter den Juden gibt es überwiegend „Extremisten“, „radikale Siedler“, „schikanierende Polizisten“ und linke Aktivisten. Ein linker Rechtsanwalt fährt bis nach Jericho, um zu zeigen, wie Israel die Beduinen benachteiligt. Dieser Ausflug hat mit Jerusalem so wenig zu tun, wie der gefilmte Empfang am Ben Gurion Flughafen eines zum orthodoxen Judentum konvertierten amerikanischen Katholiken oder das Interview mit einer deutschen Siedlerin in Schiloh, eine gute Autostunde von Jerusalem entfernt. Mehrere jüdische Aktivisten üben sich als Hausbesetzer und brechen vor laufender ARTE-Kamera in die verfallende Residenz der ehemaligen Regierungschefin Golda Meir ein. Sie wollen so die Wohnungsnot bekämpfen. Eine Aktivistin von „Peace Now“ (Frieden Jetzt) fährt zur Mauer in Abu Dis, legt sich mit einem Polizisten an und erklärt, dass die Mauer keinen Bestand habe, weil sie Menschen künstlich voneinander trenne. Dass diese 8 Meter hohe Betonmauer erst seit 10 Jahren steht und schlagartig den Terror explodierender Busse und Restaurants beendet hat, ist für die friedensbewegte Israeli kein Thema. Selbstmordattentate hält sie offenbar für völkerverbindend.

Laut ARTE gehören wohl Kibbuz Ramat Rachel und sogar das Aida Flüchtlingslager in Bethlehem, jenseits der Mauer, zu Jerusalem. Dort erkundet ein UNO-Offizier, Christoph von Toggenburg, den Beschuss eines Palästinensers durch israelische Soldaten. Die Befragung des verletzten Palästinensers ergibt „eindeutig“, dass der Soldat „absichtlich“ auf ihn geschossen habe. Für ARTE erübrigt sich jegliche Gegendarstellung, etwa eines israelischen Militärsprechers.

Wer erwartet hat, in einer 24-stündigen Dokumentation auch etwas über Sehenswürdigkeiten Jerusalems zu erfahren, wurde enttäuscht. Im Westen der Stadt gibt es nur ein einziges Museum, die Holocaust Gedenkstätte Jad Vaschem, und ansonsten den Gemüsemarkt Machaneh Jehuda. In der Altstadt treibt es den Zuschauer von einer Heiligen Städte zur nächsten, wo gebetet oder Gesang geübt wird. Die einzige von ARTE gezeigte archäologische Ausgrabung ist für das Publikum gesperrt.

Anstatt stundenlang Bäckern und Köchen über die Schulter zu schauen, hätte ARTE ein paar Minuten lang in Museen und an anderen Attraktionen innehalten können. Anstatt nur den Araber Abu Issam erzählen zu lassen, wie er 1948 aus Lifta im Westen der Stadt geflohen ist, hätte ARTE genauso einen 1948 aus dem jüdischen Viertel der Altstadt vertriebenen Juden zeigen können. Aber das hätte wohl dem von Palästinensern vorgeschriebenen Konzept widersprochen, dem sich die Produzenten aus Deutschland „freiwillig“ nach zweimaligem und 400.000 Euro teurem Boykott unterworfen haben.

Herausgekommen ist eine einseitige anti-israelische Propaganda-Show mit faktischen Fehlern, tendenziösen Kommentaren und politisch fragwürdigen Landkarten sowie offener Schleichwerbung für ein palästinensisches Hotel im Osten der Stadt.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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6 Kommentare

  1. Die Palästinenser kommen weltweit seit Jahren sehr wohl “zu Wort”, sei es via die mehrheitlich antiisraelischen Medien, via viele Kirchen – die nicht von der alten Feindschaft gegen die Juden loskommen und via all die Politiker, die übersehen, dass es das Ziel der Fatah und der Hamas ist, Israel zu vernichten (siehe Charta PLO und Hamas). Frau Nacht, Ihre Meinung wiederspiegelt das Ergebnis all dieser Meinungsmacher….und ohne solides Grundwissen um Israel auch in Sachen Geschichte und Recht werden Irreführungen und billige Propaganda im Film eben als bare Münze genommen. Das Problem der Zweistaatenlösung liegt im Kleingedruckten, denn Israel müsste sich z.B. gemäss gültiger englischer Version der Resolution 242 nicht aus allen besetzten Gebieten zurückziehen (schon gar nicht auf die rechtlich nicht existierenden Grenzen von 1967) und ganz Jerusalem gehört nach internat. Recht (nicht zu verwechseln mit der pro-palästinensischen Haltung der internat. Politik) zu Israel. usw.

  2. Frau Nacht, in der Regel sind Berichte ueber Israel anti-israelisch, auch vom ARD, ZDF und von ARTE. Audiatur hat da andere Vorstellungen:

    “Audiatur et altera pars – man möge auch die andere Seite hören! Das ist unser Leitmotiv.

    Die Berichterstattung in den Schweizer Medien über Israel und den Nahen Osten hat sich in den letzten Jahren verhärtet, ist einseitiger und unausgewogener geworden – auf Kosten von Israel. Audiatur-Online will zur konstruktiven Auseinandersetzung mit diesem Thema beitragen. Wir publizieren Zusammenhänge, Analysen und Hintergrundinformationen, die andere weglassen und korrigieren Fehler. Wir sind überzeugt, dass nur eine ehrliche Debatte zu Israel und dem Nahen Osten möglich und zielführend ist, wenn alle Seiten angehört werden. Es braucht Fakten, nicht nur Meinungen.”
    Leider gilt Meinungsfreiheit nicht fuer ARTE, ARD und ZDF. Ich habe ganz besonders bei ARTE noch nie einen israelfreundlichen Bericht gesehen.
    Die arabisch-islamische PR-Maschine ist unschlagbar, die wissen wie und haben auch genug Geld dafuer, um Israel systematisch zu verleumden.

  3. Ihr Artikel ist leider gar etwas israelfreundlich. (die DOK von ARTE ist dies übrigens nicht, sie berücksichtigt beide Seiten) Ich finde, den Palästinensern tut es ganz gut, mal zu Wort zu kommen, sie werden ja sonst immer von den Israelis unterdrückt.
    Ich persönlich bin für die Zweistaatenlösung.

  4. Die Welt braucht heute noch Sündenböcke. Wer eignet sich da besser dafür als der Jude/Israeli. Man muss damit umgehen können und darf sich nicht einschüchtern lassen.

  5. Sehr guter Artikel!

    Was sich SRF wieder leistet. Man könnte die glattgeschliffenen eigeseiften Wände hochgehen.

  6. Egal ob von Arte/br etc. produziert, – einmal mehr bedauerlich, dass SRF mit der Reportage „Jerusalem“ ein einseitiges Machwerk zum Thema Israel ausstrahlt, einen Film, bei dem die Macher es zuliessen, dass die Palästinenser ihn für irreführende Propaganda benutzen konnten.

    Was zeigen die Macher dem Publikum? Einen einseitigen Film, voller Geschichtsklitterung, Unwahrheiten, direkten und indirekten Anklagen gegen Israel – Dinge, die Menschen ohne fundierte Kenntnisse kaum durchschauen können. Es ist ein Film durchsetzt mit tendenziösen Passagen, die geeignet sind, beim Publikum Ressentiments gegen Juden und Israel zu schüren, was bei den Medien allerdings kein neuer Trend ist. Das Publikum wird vielfach in die Irre geführt. Es weiss z.B. nicht, dass rund 75% der sogenannten Palästinenser selber Einwanderer oder Nachkommen solcher sind, dass Jerusalem schon 1870 eine jüdische Mehrheit hatte…., dass die Stadt im Koran nicht erwähnt wird, in der Bibel über 800 mal. Es wird zugelassen, dass Kamerateams hier ein Podium für Irreführung und antiisraelische Propaganda schaffen, auch mittels „rührenden“ Darstellern. Und niemand kann hinterfragen und widersprechen. Was haben z.B. die wiederholten, emotionalen – nicht überprüfbaren – Geschichten eines Arabers über sein früheres Zuhause mit 24h Jerusalem zu tun? Viele Juden verloren 1948 in Jerusalem ihr Zuhause. Oder wenn da z.B. ein Mann erzählt (wahr oder erfunden?) ein kleiner jüdischer Junge habe ihn als Dreckaraber bezeichnet, sollten wir einen Blick auf das paläst. Fernsehen werfen, wo auch Kinder für übelste antisemitische Hetze benutzt werden:

    palwatch.org/main.aspx?fi=157&doc_id=9308

    Nirgendwo der Hinweis auf die Rechte der Juden aus dem gültigen Völkerbundmandat von 1922, das die Balfour-Deklaration von 1917 umzusetzen hatte (zur Errichtung einer jüdischen Heimstätte zwischen Jordan und Mittelmeer). Zu erwähnen ist, dass 1921 die englische Verwaltung feststellte, dass Palästina unterentwickelt und unterbevölkert war. 1948 sei Jerusalem „geteilt“ worden, wird locker behauptet, statt dies als Folge des damaligen Angriffs von 5 arabischen Armeen zur Auslöschung Israels zu bezeichnen, ein Angriff, der auch Auslöser der Flüchtlingsbewegungen war! Viele Muslime gingen damals, weil von arabischen Stellen dazu aufgefordert („bis die Juden ins Meer geworfen seien“)! Nach jenem Krieg "sei die Westbank und Ostjerusalem an Jordanien gefallen"….Falsch! Jordanien hielt 1948-67 widerrechtlich Ostjerusalem (wie auch Judäa/Samaria, die sog.Westbank) besetzt, weder von der UNO, noch der arab. Liga anerkannt. In Jerusalem wurden fast sämtliche Synagogen zerstört, tausende Gräber auf dem Oelberg geschändet und das Material für Strassen, Bauten und Latrinen verwendet. Die Juden wurden vertrieben und Westjerusalem noch jahrelang durch jordanische Schützen beschossen. Wo ist die Rede von den rund 830,000 damals aus arabischen Ländern geflüchteten Juden??

    Ein Kauf von Häusern durch Juden in Ostjerusalem wird als kriminell präsentiert etc. – warum? Was ist mit den 1948 aus ihren Häusern in Ostjerusalem vertriebenen Juden? Gelogen wird bezüglich Baubewilligungen an Muslime. Wo die Bilder hochmoderner paläst. Siedlungen! Warum wird beim israelhasserischen, blutigen Lied muslimischer Schüler nicht auf die furchtbare Indoktrination der Schulkinder und auf die gültigen Satzungen von PLO und Hamas hingewiesen, die seit Jahren zur Vernichtung Israels aufrufen?

    Begriffe, wie „palästinensische Territorien, paläst. Viertel, paläst. Teil Jerusalems etc.“ suggerieren irreführend eine völlig falsche Rechtslage, denn ganz Jerusalem gehört als Teil des Mandatsgebiet nach internat. Recht zu Israel (Dr. J. Gauthier, Universität Genf 2007). Der UN-Teilungsplan von 1947 wurde durch die Ablehnung seitens Araber null und nichtig. Israels Rechte von 1922 sind geschützt durch Art. 80 der UNO-Charta.

    Wenn schon z.B. der Hinweis auf den Yehuda-Markt: Wo die Details des furchtbaren Attentats von 1997, wo laufend eindrückliche Interviews mit den Opfern oder mit Hinterbliebenen solcher Attentate? Wo Bilder solcher Attentate? Wo der Hinweis auf die permanente Gefahr neuer paläst. Attentate, die Aufrufe seitens Fatah und Hamas dazu? Der Beispiele wären noch viele….Niemand kann seitens Israel zu den tendenziösen Kommentaren im Film, X Andeutungen, Klagen, Lügen etc. Stellung nehmen…. Während Szenen auf jüdischer Seite oft fast langweilig normal und unaufregend sind – wie das Leben eben meistens ist – hat die muslimische Seite den Film für antiisraelische Propaganda benutzt und gezielt mit geeigneten Statisten und passenden Geschichten durchsetzt. Dazu passt auch die naive, unkritische Haltung des UNRWA-Mannes von Toggenburg. Man bedenke, dass an den auch von der Schweiz mitfinanzierten UNRWA-Schulen Hass und Kampf gegen Israel gepredigt werden.

    Camp Jihad – YouTube
    http://www.youtube.com/watch?v=kbrafPTe_LQ

    Dass die Filmemacher selber auch keine weisse Weste haben zeigen wiederholte, irreführende Aussagen zur Geschichte und zur Rechtslage Israels – und dass paläst. Präsentationen und Aussagen nie hinterfragt werden. Die Macher und die Palästinenser dürften sich in ihrer antiisraelischen Haltung gefunden haben.

    „Das Herz muss getroffen und der Verstand benebelt werden. Das scheint der heimliche Leitfaden erfolgreicher Manipulationsstrategen zu sein“ (Peter Hahne).

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