Autor Florian Illies: Blinder Hass muss uns Angst machen

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FLORIAN ILLIES Liebe in Zeiten des Hasses. Foto Verlag: S. FISCHER
FLORIAN ILLIES Liebe in Zeiten des Hasses. Foto Verlag: S. FISCHER
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Florian Illies (50), Buchautor, zeigt sich angesichts von Verrohung in der Gesellschaft besorgt. „Es scheint, als hätte die Corona-Zeit bei vielen die Ohnmacht in einen blinden Hass verwandelt“, sagte er dem Magazin „Spiegel“ (Samstag). Dies zeige sich bei Demonstrationen der „Querdenker“ und bei „verbalen Wirtshausschlägereien“ etwa auf Twitter. „Der blinde Hass, der Mangel an Respekt, die existenziellen Folgen dieses Shitstorms, bis hin zu Mord oder Selbstmord – das muss uns Angst machen.“

Die Zeit um 1930 scheine momentan zu einem „Echoraum“ für die heutige Zeit zu werden, sagte der Autor, dessen Buch „Liebe in Zeiten des Hasses“ am kommenden Mittwoch erscheint. Es behandelt die Epoche zwischen 1929 und 1939. Die Weimarer Republik hätte aus seiner Sicht auch ein Vorbild werden können, so Illies: „Es gab erstmals eine Arbeitslosenversicherung und zukunftsweisende Reformen. Es hätte auch eine moderne, offene Gesellschaft werden können. Man darf Weimar nicht immer nur vom Ende her denken, das ist bequem, aber ahistorisch.“

Viele Menschen sehnten sich heute nach den 1920er Jahren, weil es gewisse Parallelen gebe, erklärte der Autor. „Die Zeitgenossen damals waren religiös obdachlos. Und lebten also wirklich vollkommen im sogenannten Jetzt, wie uns das heute Influencerinnen und Yogameister lehren.“ Die Zeit um 1930 entspreche „in fataler Weise unserem Gegenwartsgefühl“, in der der Zukunftsglaube vorbei zu sein scheine.

Auch Filme und Serien befassten sich vielfach mit dieser Zeit, sagte Illies. Als Beispiele nannte er die Verfilmung der „Schachnovelle“ sowie die Serie „Babylon Berlin“. „Wir sehen also im Film, wie in den Dreissigerjahren Juden auf deutschen Strassen gehetzt und bespuckt und verprügelt werden – und zugleich steigt die Zahl der antisemitischen Straftaten in der Bundesrepublik.“ Zahlreiche Vorfälle der vergangenen Wochen seien „sehr beunruhigend“, darunter die „offenen Hassattacken der Fans von Union Berlin auf die Anhänger von Maccabi Haifa“.

Er sei „verstört, dass weder das Holocaust-Mahnmal noch die Stolpersteine noch jahrzehntelange Aufarbeitungsarbeit ein tiefes Bewusstsein dafür geschaffen haben, dass Deutschland mit der Zerstörung der jüdischen Kultur auch sich selbst einen unermesslichen Verlust zugefügt hat“, fügte Illies hinzu. Politische Stabilität sei „immer in Gefahr, wenn der Hass anfängt, sich Bahn zu brechen“.

KNA/pko/rno

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