Zu Pessach wird die Klagemauer von Tausenden Zetteln befreit

0
Foto Hillel Maeir/TPS
Foto Hillel Maeir/TPS
Lesezeit: 2 Minuten

Sollten Sie sich fragen, was mit den Hunderttausenden Zetteln in den Ritzen der Klagemauer passiert – hier ist die Antwort: Zweimal im Jahr, vor Pessach und zwischen Rosch Haschana und Sukkot, sammelt die Western Wall Heritage Foundation alle Zettel ein und begräbt sie auf dem Ölberg.

 

von Mara Vigevani/TPS 

Vertreter der Stiftung sagten, die Zettel werden begraben – und zwar an einem geheim gehaltenen Ort – , anstatt sie wegzuwerfen, denn sehr wahrscheinlich stehe der Name Gottes darauf. „Die Begräbnisstätte bleibt geheim“, so Johanna Bisraor, Leiterin der Medienabteilung der Western Wall Heritage Foundation, „um die Privatsphäre derjenigen, die die Zettel geschrieben haben, zu wahren.“

Rabbi Schmuel Rabinowitz, staatlich bestellter Rabbiner für die Klagemauer und die heiligen Stätten, nahm am Dienstag ebenfalls an den Vorbereitungen des Geländes für Pessach teil. Auch im technologischen Zeitalter, so der Rabbiner, besuchen die Menschen die Westmauer des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem und schreiben ihre Gebete weiterhin mit der Hand.

„Dass man sie ‚Klagemauer’ nennt, rührt von den vielen Tränen und Wünschen her, die Juden an diesem Ort vergossen und hinterlassen haben. Wir beten hier dafür, dass Gott die Gebete der Juden wie auch der Nicht-Juden erhört“, sagte er.

Der Ursprung des Brauches, Gebetszettel in der Mauer zu hinterlassen, bleibt im Dunkeln. Vor rund 850 Jahren, im Mittelalter, soll der jüdische Reisende Benjamin Metudela den Brauch während eines Aufenthalts im Heiligen Land beobachtet und erwähnt haben. Später, im 18. Jahrhundert, berichtete Hajjim ben Mosche ibn Attar, auch unter dem Namen Or Hachaim bekannt, ebenfalls davon; doch es scheint, als habe sich erst im 19. oder 20. Jahrhundert der Brauch weit verbreitet.

Gebete auch per E-Mail

Vor etwa zehn Jahren begann eine moderne Variante die antike Praxis zu ergänzen – nämlich, Gebete per E-Mail zu senden. „Uns erreichen täglich Hunderte von Gebeten auf unserer Webseite“, sagte Bisraor. „Wir drucken sie in ganz kleiner Schrift aus, damit wir sie nicht lesen können und so die Privatsphäre derjenigen, die sie geschickt haben, schützen. Dann stecken wir sie in die Mauer.“

Alljährlich besuchen rund elf Millionen Menschen die Klagemauer – und machen sie zur beliebtesten Touristenattraktion in Israel. Die Besucher, Angehörige sämtlicher Religionen, kommen aus aller Welt; zu ihnen gehören so prominente Persönlichkeiten wie der derzeitige US-Präsident Donald Trump, die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. sowie Franziskus und erst kürzlich der US-Vizepräsident Mike Pence. Der frühere US-Präsident Barack Obama besuchte die Klagemauer im Wahlkampfjahr 2008 – während seiner Amtszeit allerdings nicht.