Fifa: Israels Sicherheit kein Thema beim Fussballbund

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Der Palästinensische "Fussallspieler" Mahmoud Sarsak feiert seine Entlassung aus einem israelischen Gefängnis am 10. Juli 2012. Sarsak wurde angeklagt Mitglied der Terrorgruppe Palästinensischer Islamischer Jihad (PIJ) zu sein. Dessen Zugehörigkeit hat er nie bestritten. Schwarze (PIJ) Flaggen wurden an seiner Befreiungs-Parade geschwenkt. Foto Abed Rahim Khatib/Flash90
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Am Freitag wird die Generalversammlung des Fussballverbandes Fifa darüber entscheiden, ob Israels Sportler von internationalen Wettbewerben ausgesperrt werden. Dazu ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.

Die Initiative geht von Dschibril Radschoub (Jibril Rajoub) aus, dem Präsidenten des palästinensischen Fussballverbandes. Die Liste seiner Klagen gegen Israel ist lang. Israel behindere die Bewegungsfreiheit palästinensischer Sportler, vom Gazastreifen quer durch Israel ins Westjordanland zu reisen, zu Fussballspielen oder zum Marathon in Bethlehem. An Checkpoints seien Sportler aufgehalten, festgenommen und sogar angeschossen worden. Ärger gebe es auch an der Jordanbrücke, bei der Rückkehr von Besuchen in arabischen Ländern.

Der Schweizer Fussballfunktionär und seit 1998 Fifa-Chef Sepp Blatter vermittelte in Nahost. Der Rauswurf eines stehenden Mitgliedstaates könnte fatale Folgen für das Gefüge des internationalen Fussballvereins haben. Entsprechend hat Premierminister Benjamin Netanjahu vor einer „Politisierung“ des Sports gewarnt. Netanjahu zählte auf, was Israel für arabische Sportler tue. Einst war Rifat Turk Israels Fussballstar. Der Sportklub der arabischen Stadt Sachnin war in der ersten Fussballliga. Von Apartheid keine Rede, obgleich es auf israelischen Sportplätzen manchmal zu rassistischen Auswüchsen gegen arabische Spieler kommt. Berüchtigt ist Betar Jerusalem. Doch die Buhrufe und sogar physischen Attacken auf arabische oder muslimische Spieler werden in den Medien breitgetreten, von Politikern verurteilt und vom Fussballverein sanktioniert.

Das Treffen Blatters bei Radschoub in Ramallah verlief weniger optimistisch. Blatter schlug ein Friedens-Fussballspiel in Genf zwischen Israelis und Palästinensern vor. Radschoub lehnte entrüstet ab. Das sei „verfrüht“. Er forderte neben dem Ausschluss Israels auch ein Verbot von Fussballklubs aus Ariel und anderen Siedlungen, weil diese „illegal“ seien.

Und kaum war Blatter abgereist, kam es erneut zu einem Zwischenfall, der Öl auf Radschoubs Mühlen gab. Der palästinensische Fussballstar Sameh Marawbe wurde zwei Stunden lang an der Grenze zu Jordanien festgehalten und verhört. Vor sechs Monaten war er von den Israelis erwischt worden, wie er Geld und Anweisungen der Hamas an Aktivisten in Tulkarem schmuggeln wollte. Ausserdem hatte sich die Fussballmannschaft entgegen dem Gesetz nicht bei den israelischen Behörden angemeldet. Für Radschoub, der selber schon viele Jahre in israelischen Gefängnissen wegen Terroranschlägen verbracht hat, ist Widerstand gegen die Besatzung legitim, während die Israelis offensichtlich alles tun, um Terroranschläge zu unterbinden. Mehrfach waren palästinensische Sportler in terroristische Aktivitäten involviert. Beim Checkpoint vor Jerusalem führte das einmal zu Schüssen auf ihre Beine: Laut Radschoub waren die Sportler lediglich nach einem Training heimgekehrt. Nach israelischer Darstellung waren sie an einem Granatenangriff auf die Soldaten beim Kontrollpunkt beteiligt gewesen.

Während Israel immer wieder „Freundschaftsspiele“ mit den Palästinensern initiiert, allen voran das Peres-Friedenszentrum, betrachtet die palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah jegliche Kooperation mit den Israelis als „Kollaboration“. Selbst pro-palästinensische Aktivisten wie Amira Hass von der Haaretz-Zeitung wurden von einer Konferenz einer deutschen Stiftung auf dem Gelände der Bir Zeit Universität gnadenlos vertrieben, weil (jüdische) Israelis dort keinen Zutritt hätten. Linke Israelis auf „Friedensmission“ nach Ramallah mussten mit Polizeischutz in Sicherheit gebracht werden, weil Demonstranten sie akut bedrohten. Und kürzlich durfte nichts über die Gründung eines „Palästinensischen Kulturinstituts“ in Tel Aviv berichtet werden, da das Leben der Lautenspieler und Sänger gefährdet gewesen wäre, sobald in Ramallah bekannt geworden wäre, dass sie heimlich in Tel Aviv aufgetreten seien. Bei der Veranstaltung unter deutscher Ägide hiess es auch, dass die parallele Einrichtung eines israelischen Kulturinstituts in Ramallah eine lächerliche und unrealistische Idee sei.

Weiter gestand ein Sprecher des Aussenministeriums im Privatgespräch, die Palästinenser verstünden es heute, die israelische Gesellschaft zu spalten.

Die Forderung Radschoubs, die Klubs der Siedlungen zu „verbieten“, könnte die neue Regierung Netanjahus platzen lassen. Denn: Sollte Israel dem nachgeben, um einen Ausschluss aus der Fifa und anderen internationalen Sportvereinen zu verhindern, würde das Israel in eine inakzeptable Ecke drängen, solange die Siedlungen aus politischen wie militärischen Gründen Teil des offiziellen Selbstverständnisses Israels sind. Andererseits wäre ein Ausschluss aus den internationalen Sportvereinen genauso eine Katastrophe. Gleichgültig wie Israels Regierung und die neue rechtsgerichtete stellvertretende Ministerin Zipi Chotovelli oder der frisch ernannte Generaldirektor Dore Gold entscheiden, befände sich Israel somit auf der Verliererseite.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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