Der Weg nach Teheran

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US President Barack Obama. Foto von Mateusz Włodarczyk -Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons.
US President Barack Obama. Foto von Mateusz Włodarczyk -Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons.
Lesezeit: 6 Minuten

Wechseln die Vereinigten Staaten die Seiten im regionalen Konflikt zwischen dem Iran und seinen Feinden?

Ein Bericht in der kuwaitischen Zeitung al-Rai von Hussein Abdul Hussain, einem angesehenen Journalisten in Washington D.C., enthüllt Details über indirekte Verhandlungen zwischen den USA und der Hisbollah. Natürlich erscheint dieser Bericht unmittelbar auf das Interimsabkommen zwischen der P5+1 Gruppe und dem Iran, welches dem Iran erlaubt, weiter Uran anzureichern.

Zudem sind Medienberichte aufgetaucht, die eine massive Kluft zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien hinsichtlich der regionalen Strategie im Allgemeinen und jener gegenüber Syrien im Besonderen nahelegen. Saudische Regierungsvertreter äussern öffentlich über die Richtung der amerikanischen Politik beunruhigt sind. Einige dem Iran nahestehenden Medien griffen den Faden nur zu gerne auf und behaupteten, Washington versuche tatkräftig, Prinz Bandar Bin Sultan, Chef des saudischen Geheimdienstes, zu zügeln, der eine harte Linie gegen iranische Interventionen in der Region befürwortet.

Währenddessen wurde nun eine Einigung über die „Geneva 2“-Konferenz erzielt, die den Krieg in Syrien behandelt und lange Zeit aufgeschoben war. Die Konferenz wird fortgeführt, da die von den USA unterstützten Vertreter der syrischen Opposition ihre Forderung aufgegeben haben, dass Präsident Assad keine Rolle in einer allfälligen Übergangsregierung im Land spielen dürfe.

Worauf läuft dies alles hinaus? Mehr und mehr Stimmen nehmen eine Kontur hinter all diesen Details wahr: Namentlich eine Anstrengung der gegenwärtigen US-Regierung, das iranische Regime vom Widersacher zum Partner zu machen wollen. Die Methode: den iranischen Forderungen teilweise oder ganz zu entsprechen.

Betrachten wir die einzelnen Elemente etwas genauer:

Der Bericht des in der Regel verlässlichen Hussein Abdul Hussein erläutert den Mechanismus der Gespräche zwischen den USA und der Hisbollah, trotz deren Einstufung als Terrororganisation durch die Vereinigten Staaten. Die Gespräche werden von britischen Diplomaten geführt. Grossbritannien hat kürzlich seinen Kommunikationskanal zum „politischen Flügel“ der Bewegung wiederbelebt, in Abstimmung mit den verbesserten Beziehungen zwischen London und Teheran. Sie dienen nun dazu, Nachrichten zwischen Washington und Teheran zu übermitteln. Ein namenloser, von Abdul Hussein zitierter Diplomat erklärte, dieser Dialog sei dazu bestimmt, „um Schritt zu halten mit den Veränderungen in der Region und der Welt, und einer potentiellen Rückkehr des Iran in die internationale Gemeinschaft“. Der Diplomat erklärte weiter, dass direkte Gespräche zurzeit nicht möglich seien, weil die USA mit der (britischen, gänzlich fiktiven) Unterscheidung zwischen einem „politischen“ und einem „militärischen“ Flügel der Hisbollah nicht übereinstimmen.

Der Bericht gibt einen Überblick über Momente in den vergangenen Monaten, in dem sich die Vereinigten Staaten „auf derselben Seite“ wie die Hisbollah fanden. Ein solcher Moment war insbesondere der Vorfall im Juni, als die libanesische Armee gemeinsam mit Hisbollah-Kämpfern in der libanesischen Stadt Sidon gegen Widerstandskämpfer des pro-Al Qaida Salafi-Predigers Ahmed al-Assir vorgingen. Die Unterstützung der libanesischen Armee durch die Vereinigten Staaten, ohne dabei auf die Schlüsselrolle der Hisbollah-Kämpfer zu verweisen, führte zur Niederlag al-Assirs. Ein anderer Moment war die US-Verurteilung des jüngsten Attentats (mit Verbindungen zur al-Qaida) auf die iranische Botschaft in Beirut. Die Verurteilung, die im Libanon genauestens zur Kenntnis genommen wurde, erhielt keinen Hinweis auf die Präsenz iranischer und Hisbollah-Kämpfer in Syrien.

So viel zu Abdul Husseins Bericht. Er legt offen, dass die US-Bemühungen gegenüber Iran sich nicht auf die Nuklearfrage beschränken. Noch bevor irgendein flächendenkendes Abkommen erreicht ist,  scheint Washington vielmehr mit dem Abbau seines sorgfältig konzipierten diplomatischen Gebildes begonnen zu haben, das die regionalen Ambitionen des Iran einzudämmen suchte. Sogar die Hisbollah, Teherans Proxy, die 1983 241 US Marines in Beirut tötete, scheint nun offensichtlich ein tauglicher Adressat für Gespräche zu sein, als Teil von Irans Rückkehr in die „internationale Gemeinschaft“.

Berichte, die eine Zügelung von Prinz Bandar nahelegen, sind weniger zuverlässig, da sie von pro-iranischen und pro-Hisbollah Medienkanälen (der Hisbollah-Sender al-Manar und die der Revolutionsgarden nahestehende Fars Nachrichtenagentur) stammen. Ohne Zweifel ist aber der tiefsitzende Frust der Saudis über die Richtung der US-Politik keine Erfindung pro-iranischer Propagandisten.

Nawaf Obeid, ein führender Berater der saudischen Königsfamilie, beschuldigte Washington letzte Woche, es würde Riad über den Nukleardeal täuschen. „Wir werden belogen, einiges wird uns verschwiegen“, sagte Obeid gemäss dem Daily Telegraph während einer Rede in London. Er bekräftigte weiter den saudischen Widerstand gegen iranische Machenschaften in der ganzen Region. Insbesondere brachte er die Entschlossenheit der Saudis zum Ausdruck, die Iraner in Syrien zurückzudrängen. „Wir können nicht akzeptieren, dass Revolutionsgarden sich in Homs breitmachen“, sagte der Berater. Doch sein trotziger Ton steht in einem starken Kontrast zur gegenwärtigen US-Position. Die „Geneva 2“-Konferenz soll nun planmässig am 22. Januar stattfinden. Sie ist eine von den USA massgeblich geförderte Angelegenheit und es ist noch unklar, ob auch der Iran teilnehmen wird.

Klar ist aber, dass die Konferenz ausschliesslich entsprechend der Agenda des Assad-Regimes und seiner Unterstützer verlaufen wird. Das heisst, dass die von den USA unterstützte Syrische Nationale Koalition direkt mit dem Regime konfrontiert sein wird – und das Regime lehnt bekanntermassen kategorisch jegliche Idee einer Machtübergabe ab. In einer am vergangenen Mittwoch veröffentlichten Pressemitteilung gespickt mit Ba’ath Rhetorik sagte das syrische Aussenministerium, dass „die offizielle syrische Delegation nicht nach Genf reist, um ihre Macht abzutreten. […] Das Zeitalter des Kolonialismus, mit der Installierung und dem Sturz von Regierungen, ist vorbei. Sie müssen aus ihren Träumen erwachen.“

Die bewaffneten Rebellen werden keine Repräsentanten zur Konferenz schicken. Sie, finanziert und bewaffnet durch Saudi-Arabien und Katar, haben eine neue „Islamische Front“ geformt, die das Regime derzeit rund um Damaskus, in Aleppo und in der Grenzregion von Qalamun bekämpft. Der militärische Vorteil verhält sich dabei wie Ebbe und Flut.

Doch der starke Kontrast zwischen der von den USA vorangetriebenen Diplomatie und den Ereignissen vor Ort ist ein weiterer eindeutiger Indikator dafür, wie weit sich Washingtons Position von einer Konfrontation wegbewegt hat. Weg von Riad – und in Richtung Teheran. Assad hat im Laufe des Jahres 2013 sein Glück hauptsächlich aufgrund der massiven iranischen Unterstützung wiedererlangt. Washington, das offiziell hinter der Opposition steht, scheint eine Konferenz zu sponsern, welche dieser Errungenschaft das Sahnehäubchen aufsetzen wird.

Bedeutet das, dass die USA tatsächlich die Seiten wechseln im Wettbewerb zwischen dem Iran und jenen regionalen Kräften, die den iranischen Vormarsch eindämmen und zurückdrängen wollen?

Michael Doran vom Brooking Institute legte vergangene Woche nahe, dass sich Washington in der ersten Phase des Strebens nach einer „strategischen Partnerschaft“ mit dem Iran befindet;  einer „entente cordiale“, die die Formierung einer US-iranische Allianz als Herzstück der regionalen Stabilität ergeben würde. Sollte tatsächlich dies der Fall sein, worauf die Unzahl der angeführten Indizien hindeutet, dann steuert der Nahe Osten auf ein gefährliches Zeitalter zu. Wie Doran festhält, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der Iran seine Pläne für eine regionale Hegemonie verworfen hat.

Die US-Annäherungsversuche gegenüber Teheran und die Unterminierung regionaler Partner werden den iranischen Appetit bestärken. Das wird zu einer Intensivierung seiner fortlaufenden Expansionsbemühungen führen. Die korrespondierenden Bemühungen anderer regionaler Kräfte, zuvörderst Israel und Saudi-Arabien, um diesem Prozess zu widerstehen, werden ebenfalls zunehmen. Das wiederum wird höchstwahrscheinlich zu einer grösseren Instabilität in der Region und allenfalls zu einem Frontalzusammenprall führen.