Warum Palästinenser Juden brauchen

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Palästinenser in Gaza, in den von Palästina abgeschiedenen Gebieten und in Flüchtlingslagern verbringen Tag für Tag, Jahr ein, Jahr aus ohne je auf jemanden zu treffen, der jüdisch ist. Vielleicht haben sie einige Fotos der IDF oder Soldaten gesehen oder sind ihnen an Checkpoints begegnet, falls sie jemals an einem waren.

Und trotzdem ist der Hass gegen Juden unter vielen Palästinensern verbreitet. Die Angst vor dem unbekannten, aber zugleich sehr gefährlichen und bösen Feind. Ein Feind, von dem nicht nur gesagt  wird, dass er dich töten will, sondern dich stattdessen auch zum Waisen machen kann. Viele Kinder in Gaza zeigen posttraumatische Stresssyndrome und psychologische Probleme. Einige sind auf Militäroperationen zurückzuführen, viele aber auch von den Geschichten über Juden.

Die Juden sind fast schon ein Symbol für alles Böse und Unmenschliche. Man will Taten sehen gegen die Juden, die Feinde, die Feiglinge. Das alles erfüllt Kinder mit Angst, die diese Kinder wiederum zum endlosen Kampf führt. Kämpfen bedeutet, das eigene junge Leben zu riskieren, ohne sich sicher zu sein, wofür man kämpft, für wen oder gegen wen. Viele Palästinenser wissen nichts über die Hintergründe des Konfliktes, wie alles begann, wann es begann und wie die Situation vor 1948 aussah. Sie wissen nicht viel über den Holocaust, sie wissen nicht über die zahlreichen Vorkommnisse, die den Juden widerfahren sind. Nicht weil sie nicht daran interessiert wären, sondern weil ihnen nie jemand davon erzählt. Die klassische Propagandamaschinerie stellt sicher, dass die Palästinenser nicht einfach so beginnen, nach Antworten auf solche Fragen zu suchen.

Juden werden zu Lügnern und glaub‘ ja nichts von dem, was sie in den Medien oder der Politik sagen. Doch die Oberhäupter in Gaza vergessen manchmal, den Menschen zu verbieten, auf persönlicher Ebene miteinander zu interagieren. Man kann feststellen, dass Menschen aus Gaza langsam und vorsichtig versuchen, jemanden ausserhalb Gazas zu finden und mit ihm zu sprechen. Sogar jemand, der angeblich ein Feind sein soll, denn Menschen sind neugierig. Selbst wenn sie verängstigt sind. Die Juden müssen nicht wie die Menschen in Gaza ihr Leben riskieren, wenn sie Kontakt aufnehmen. Doch der Kontakt ist sehr fragil und kann schnell abbrechen. Als würde man auf dünnem Eis laufen.. Es kann zerbrechen und dich verletzen.

Es gibt wenige Palästinenser, die sich nie gefragt haben, wer die Juden sind und weshalb sie Feinde sind; inwiefern sie Feinde sind und wie es sein kann, dass sie keine Menschen sind. Das führt zu Widersprüchen: Was, wenn sie doch Menschen sind?!

Was für einen grossen Teil der Menschheit als normal und selbstverständlich gilt, ist in Gaza nicht eindeutig. Leider gibt es noch mehr solche Orte, wo „Feinde“ Feinde bleiben.

Das Internet hat einigen Schaden für die Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde angerichtet, genauso wie für die Regierungen im Iran und Syrien und die Hisbollah im Libanon. Menschen beginnen auf eine Art und Weise zu interagieren, die ihre Anführer nicht wollen. Es ist nicht so einfach, Steine zu werfen oder Raketen abzufeuern auf jemanden, den man zu mögen beginnt. Dies führt zu einem inneren Konflikt, der bei manchen Menschen eine Krise zur Folge haben kann. Es ist kein Geheimnis, dass einige Jugendliche Selbstmord begangen haben, als sie über tote Zivilisten infolge von Terroranschlägen in Israel erfuhren.

Juden sind wichtig, weil sie die Möglichkeit haben, einen Sinneswandel zu bewirken. Es ist herausfordernd und schwierig, aufzustehen und seine Menschlichkeit zu zeigen. Etwas, das eigentlich so alltäglich sein sollte. Es ist hart, wenn die eigene Humanität samt Emotionen und Handlungsweisen hinterfragt und negiert werden. Man muss stark sein, um damit umgehen zu können. Und Palästinenser brauchen dies, sie brauchen gewöhnliche Juden, um Neues zu lernen, Neues zu sehen, denn jeder Mensch ist von Grund auf neugierig.

Mir ist aufgefallen, dass Menschen einander eher zuhören, wenn sie sich auf die eine oder andere Weise mit jemandem identifizieren können. Texte, Youtube-Clips und Zahlen und Fakten helfen nicht so sehr, denn genau wie die Israelis die ihrigen haben, hat Palästina seine eigenen. Und israelische Medien sind keine Hilfe, weil sie News von den „Feinden“ sind.

Ein direkter Dialog, eine Geschichte zu teilen, persönliche Nachrichten zu senden und empfangen – das bringt Leute zusammen. Keine Artikel, keine Wikipedia-Seite, keine einstündiges Youtube-Videos über die „rocket men of Gaza“. Das hilft nicht bei ersten Begegnungen, sondern schafft viel mehr eine Mauer hinter der sich beide Seiten verstecken. Und sich dann nicht mehr sehen. Diese Mauer zu durchbrechen, das ist die Herausforderung.

Versucht einander zu finden. Und vergesst nicht, um Freunde werden zu können, muss man zuerst seinem Feind gegenübertreten. Eines Tages werdet ihr vielleicht feststellen, dass euer Feind nun euer Freund ist. Palästinenser brauchen Juden zur Orientierung, insbesondere jene in Gaza. Dort fühlt es sich an in wie in einem Gefängnis, weshalb man sich jemanden sucht, um mit ihm Gedanken zu teilen. Und manchmal ist es besser, das mit jemandem zu tun, der nicht selber Palästinenser ist.

Es ist unbestritten, dass Juden und Araber vieles gemein haben und vielleicht haben israelische Juden und palästinensische Araber manchmal zu viel gemein, was fast schon in einer Geschwisterrivalität endet.

Es gäbe viel zu sagen über politischen Bedarf, eine andere Seite der Geschichte, aber darauf werde ich hier nicht gross eingehen.

Es geht darum, zu erkennen, wie wichtig Treffen mit jüdischen Menschen für die Palästinenser sind, genauso wie Palästinenser wichtig für die Juden sein können. Es öffnet Augen, eröffnet neue Perspektiven und schafft Menschen, die langsam in Richtung Vertrauen voranschreiten.

Dieses Essay stammt von Ibrahim aus Gaza und wurde zuerst vom Betreiber des Ask an Israeli/Ask a Palestinian Project, Corey Gil-Shuster veröffentlicht. Aus Sicherheitsgründen wird Ibrahims voller Name nicht genannt. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. Braucht Gaza Israel? Israel ist in der Lage, die Wasser- und Umweltprobleme von Gaza zu lösen. Israel hat die Fachleute und Technologie dafür. Ins besonders für die Meerwasserentsalzung. Energie ist nun als Gas in grossen Mengen auch vor der Küste von Gaza verfügbar.
    Wenn die Einwohner von Gaza sich dieses Regimes entledigen würden, denke ich, dass es schnell möglich wäre Fachleute auszubilden. Das wissenschaftliche Potential dafür ist vorhanden und muss nur freigesetzt werden.
    Der Artikel im Ynet zeigt die heutigen Probleme in Gaza. http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4399067

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