Jerusalem – In den letzten Jahren haben Tausende nicht-jüdischer Afrikaner einen modernen Auszug aus Ägypten aufgeführt; aus ihren Heimatländern fanden sie den Weg ins „Gelobte Land“, in der Hoffnung – zumindest vorübergehend – in Israel ein Heim zu finden, in einem Land, das sich selbst als Zufluchtsstätte für jüdische Flüchtlinge definiert.
Mehr als 60.000 Afrikaner aus der Sub-Sahara befinden sich bereits im Land, davon sind allein 30.000 in den letzten zwei Jahren dazugekommen. Dies und die Sorge, dass hunderttausende weitere versuchen könnte, die südliche Sinaigrenze zu überschreiten, lassen Israelis und israelische NGOs all ihre Kräfte aufbieten, um dazu, der Herausforderung der Integration nicht-jüdischer Immigranten auf eine Art und Weise zu begegnen, die ihre Verpflichtung, Flüchtlinge zu schützen und ihre Menschenwürde zu respektieren, auf die Probe stellt. Angesicht der aktuellen Anti-Immigrations-Demonstrationen, die in Tel Aviv stattgefunden haben, erscheint die Herausforderung noch grösser.
Im vergangenen Juli kamen 25 jüdische High-School Schüler und Schülerinnen aus den USA, die am Bronfman Fellowship Programm teilnahmen, in einem heissen und schwülen Sitzungsraum von Bnei Darfur (einer Basisorganisation, die Asylsuchende in Israel vertritt) im Süden Tel Avivs zusammen. Zwei junge Männer aus Darfur, der eine ein 19-jähriger Muslim und der andere ein 18-jähriger Christ, waren bereit, ihre Geschichte zu erzählen und ihre Perspektive auf Komplexität der zeitgenössischen israelischen Gesellschaft zu erläutern. In einem Land, in dem man klare Linien vorzufinden erwartet, besonders zwischen Juden und nicht-Juden, ist es sehr aufschlussreich, mit der unsicheren Situation afrikanischer Flüchtlinge konfrontiert zu werden.
Durch meine Arbeit bei der israelischen Refugee Aid Organisation ASSAF wusste ich, dass die Berichte, die wir zu hören bekommen würden, nicht einzigartig waren. Einer der beiden jungen Männer wurde in Darfur geboren; seine Familie verliess ihr Dorf, als dieses von Janjawids angegriffen wurde, die von der sudanesischen Regierung Unterstützung und Waffen erhalten, und flüchtete in ein UN-Flüchtlingslager im Tschad. Jahre später verliess der den Tschad Richtung Ägypten, um nach Israel zu gelangen.
Der andere der beiden hat seine Eltern seit 2003, als seine ältere Schwester mit ihm auf dem Arm aus ihrem brennenden Dorf in Darfur fortrannte, weder gehört noch gesehen. Nachdem er einige Zeit in einem Vertriebenenlager innerhalb des Sudans verbracht hatte, verliess er dieses mit 13 Jahren ohne seiner Schwester Bescheid zu geben. Die Wege des Exils führten ihn mehr zufällig nach Israel, einem Land, von dem er nichts wusste.
Beide hofften auf eine Ausbildung und eine bessere Zukunft als sie ihr Heim verliessen.
Ihre ersten Nächte überlebten sie im Levinsky Park in Tel Aviv in einer ad-hoc Unterkunft für afrikanische Flüchtlinge; mithilfe einer sozialistischen Jugendbewegung wurden sie in ein Internat in Rishon LeZion gebracht. Vier Jahre nach ihrer heimlichen Ankunft in Israel stehen sie nun vor ihrem letzten Schuljahr an einer der renommiertesten Schulen in Tel Aviv.
Die sudanesischen Jungs sind modisch gekleidet und lächeln selbstbewusst, als sie die amerikanischen High School Schüler mit einem enthusiastischem „Shalom“ begrüssen. Kurz bevor es losgeht, fragt einer der beiden, ob es in Ordnung sei, ihre Geschichten auf Hebräisch zu erzählen. Schliesslich „ist das die Sprache, die für uns am bequemsten ist“.
Ihren von hochemotionalen Bezeugungen folgen viele Fragen: Warum Israel? „Weil wir wussten, dass es ein freies Land ist, das von Flüchtlingen für Flüchtlinge aufgebaut wurde.“
Wie haben Euch die Israelis behandelt? „Die Soldaten an der Grenze haben uns begrüsst, und uns Nahrung und medizinische Versorgung gegeben. Und dann haben uns die Leute von der Jugendbewegung Hebräisch beigebracht. Sie gaben uns Kleidung und Freundschaft. Dank einem Sozialarbeiter, der an uns glaubte, sind konnten wir ans Gymnasium Herzeliya wechseln, eine der besten Schulen im Land.“
Fühlt Ihr Euch als Israelis? „Vor einigen Monaten hätte ich noch gesagt, dass mein Leben hier ist, dass die Israelis mir ein Heim gegeben haben. Aber kürzlich haben mich die Aufhetzungen seitens Politiker und Gewaltausschreitungen gegen Menschen, nur weil sie Afrikaner sind, beunruhigt. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.“
Einer der sudanesischen Jungs fragt die amerikanischen Schüler: „Sollte Israel uns als Teil von sich akzeptieren?“
Am darauffolgenden Freitag, kurz vor Ende des Ramadan, rufe ich die Jungs an, um mich dafür zu bedanken, die sie sich die Zeit für das Gespräch mit den jüdischen Jugendlichen aus Amerika genommen haben. Ich sagte, dass ich hoffe, dass die Zeit der Unsicherheit und Intoleranz, die wir durchleben, die schlimmste bleibe, deren Zeuge wie hier werden. Ich möchte wirklich, dass sie sich in Israel zuhause fühlen. Es wäre eine Ehre, sie beide als „Teil von uns“ betrachten zu können.
„Thawman Makbulan”, sage ich und wünsche ihm ein leichtes Fasten. „Shabbat Shalom“, antwortet er.
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* Jean-Marc Liling ist israelischer Anwalt, war früher Teil des Schutzteams des UNHCR Büros Israel und ist aktuell Vorstandmitglied von ASSAF – Aid Organization for Refugees & Asylum seekers in Israel. Dieser Artikel wurde geschrieben für Common Ground News Service (CGNews).
Originalversion: Israeli NGOs mobilise to meet needs of non-Jewish immigrants by Jean-Marc Liling © Common Ground News Service. 30 October 2012. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.