Fayyads letztes Gefecht?

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Salam Fayyad. Foto Cologny. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons.
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Bir Halek, Ya Fayyad“ ist nicht gerade ein Ohrwurm. Doch die Popularität des Liedes des palästinensischen Sängers Kassem Najar, das sich übersetzen lässt als „Reiss dich zusammen, Fayyad“, ist ein Indiz dafür, dass Salam Fayyad, der Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde PA, auf dem Rückzug sein könnte. Najar jedoch ist das geringste von Fayyads Problemen.

In den vergangenen Wochen haben Demonstranten in Ramallah, Bethlehem, Nablus und anderswo ihn umzingelt und bedroht, ihn symbolisch verbrannt und sein Bild mit Schuhen beworfen. „Yalla irhal ya Fayyad („Los, Fayyad, hau ab“) war ein wiederkehrender Gesang.

Während die Proteste abgeklungen sind, hängt Fayyads Schicksal noch immer in der Schwebe. Seine Position ist schwach, da ihm die politische Maschinerie und die Unterstützung der Strasse fehlen, um den Bemühungen seiner Feinde, ihn zu untergraben, standhalten zu können. Ein ehemaliger Berater Fayyads erzählte mir, dass sein ehemaliger Chef „eine Flut von Anrufen aus dem Aussenministerium der Vereinigten Staaten und aus Capitol Hill“ erhalten habe, die ihn anflehten, standhaft zu bleiben. Dennoch räumt er ein, dass die amerikanischen Unterstützer des Ministerpräsidenten vor Ort nichts für ihn tun könnten.

Fayyad weiss genau, dass die palästinensische Politik ein grausames Geschäft ist. In einem Akt ironischer Herausforderung postete er den Najar-Song auf seiner eigenen Facebook-Seite. Der angeschlagene Premier hat auch angekündigt, dass er bereit sei abzutreten. Doch er geht nicht kampflos unter. Kürzlich kündigte er an, dass seine Regierung die Treibstoffpreise und die Mehrwertsteuer senken werde, zwei der Themen, die zunächst die Proteste ausgelöst hatten. Fayyad kündigte ausserdem Kürzungen der Gehälter und Budgets hochrangiger Beamten an.

Allerdings hat es sich gezeigt, dass diese Proteste nicht durch Sparmassnahmen aufhören werden. Die PA steht unter Druck inmitten einer Wirtschaftskrise, die von steigenden Treibstoffpreisen, einem steilen Rückgang der ausländischen Hilfen und heimischer Korruption, die die Privatwirtschaft bremst, Kapitalflucht antreibt und den staatlichen Geldeingang verringert, herrührt. Die hohen Kosten der Aufrechterhaltung der Verwaltungen im Westjordanland und im Gazastreifen (wo die Hamas im Jahr 2007 die Kontrolle mit Gewalt an sich riss) nebeneinander fordern von der palästinensischen Staatskasse ebenfalls ihren Tribut. Der daraus resultierende Rückgang der Staatseinnahmen sowohl aus Steuern als auch aus internationalen Spenden hat zu der wiederkehrenden Unfähigkeit der PA, ihre Gehälter im öffentlichen Dienst zu decken, geführt.

Wenn Fayyad geht, wäre dies ein Rückschlag für die Politik der USA, die viel von ihrem Ansehen in der palästinensischen Arena für Fayyads Verheissung als ein Reformer aufs Spiel gesetzt hat. Der ehemalige Mitarbeiter der Weltbank hat sich aus der Förderung von Transparenz und zweckmässigen Regierungsinstitutionen heraus eine Karriere aufgebaut, zunächst als Finanzminister und dann als Ministerpräsident. Dies hat ihm Auszeichnungen im Westen, aber innerhalb der PA viele Feinde eingebracht.

Trotz seiner Position ist Fayyad kein palästinensischer „Insider“. Die breite Masse vertraut ihm nicht. Er ist niemals der Fatah beigetreten, der dominierenden Partei, deren Reihen alles von der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO und dem Palästinensischen Nationalfonds bis zum globalen Netzwerk der palästinensischen diplomatischen Vertretungen und der PA-Regierung selbst kontrollieren.

Fayyads Kreuzzug gegen die Korruption, gekoppelt mit seinem ständigen Bemühen, reale administrative Institutionen aufzubauen, sind Teil des Grundes für seine Isolation. Im Laufe der Jahre hat die PA – zunächst unter dem verstorbenen Jassir Arafat und dann unter dem derzeitigen Präsidenten Mahmud Abbas – einen Ruf für Vetternwirtschaft und Korruption erlangt. Arafats ehemaliger Berater Mohammed Rachid (kürzlich in Abwesenheit wegen Korruption verurteilt) schwächte kürzlich eine Reihe von vernichtenden Anschuldigungen gegen Abbas und seinen engsten Kreis ab. Und während Fayyad sicherlich nicht im Bunde mit Rachid ist, ist seine Nummer als „Mr. Transparency“ für die mächtigen palästinensischen Insider, die unter dem Abbas-Regime lukrative Monopole aufgebaut haben, durchweg lästig geworden.

Deshalb spekulieren einige Palästinenser, dass Regimeloyalisten Anti-Fayyad-Kundgebungen organisiert haben. Obwohl sie nicht gerade angemietete Kundgebungen waren, waren Pro-Fatah-Gesänge vorherrschend. Und wie Hugh Naylor von The National feststellt, schienen die Anti-Fayyad-Proteste viel länger anzudauern als andere Demonstrationen, die die PA und ihre Politik anprangerten.

Hochrangige palästinensische Offizielle haben Fayyad in der Öffentlichkeit unterstützt, darunter der langjährige ranghohe PLO-Funktionär Nabil Shaath und sogar Abbas. Doch Abbas und Fayyad sind beide öffentliche Gesichter einer gescheiterten Regierung, die zu Recht in den Augen der Palästinenser ihr alleiniges Mandat – ein Abkommen über den endgültigen Status mit Israel auszuhandeln und einen palästinensischen Staat zu schaffen – nicht erfüllt hat.

Abbas drohte kürzlich damit, abzutreten, trat aber schnell wieder vom Abgrund zurück. Fayyad könnte eine andere Geschichte sein. Einige Insider glauben, dass er versucht Zeit zu schinden, bevor er zu seinen eigenen Bedingungen zurücktritt. Da nur wenige Führer darauf vorbereitet sind, sein wichtiges Programm zum Aufbau von Institutionen weiterzuführen, wäre der Abgang Fayyads ein herber Rückschlag für die palästinensische Sache.

Originalversion: Fayyad’s Last Stand? By © Jonathan Schanzer. Foundation for Defense of Democracies, September 25, 2012 (Erstveröffentlichung in The Weekly Standard, Sept 25, 2012)