Al-Arabiya lässt sich Bären aufbinden

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Wer regelmässig bei Al-Arabiya reinschaut, hat vorletzte Woche eventuell einen Beitrag entdeckt, der exemplarisch aufzeigt, wie schnell Gerüchte und Unwahrheiten über Israel ihren Weg in die Medienwelt finden.

Am 22. Mai erschien auf der englischsprachigen Version der Al Arabiya-Homepage ein Beitrag über einen algerischen Separatistenanführer und Musiker namens Ferhat Mehenni, der für die Autonomie der Kabylei-Region kämpft. Mehenni pflegt anscheinend relativ freundliche Beziehungen zu Israel, was in Algerien – wenig verwunderlich – nicht allzu gerne gesehen wird. Nun scheint Ferhat Mehenni kürzlich den jüdischen Staat besucht und sich dort laut Jerusalem Post unter anderem mit den Ministern Danny Danon und Uzi Landau getroffen zu haben, um für Unterstützung für seine Separatisten-Bewegung zu werben.[i]

Die Israelreise Mehennis hat in Algerien Kontroversen und gar „Bedenken wegen einer Destabilisierung der Landessicherheit“ ausgelöst, so Al-Arabiya. Dementsprechend wurde der Besuch bereits im Voraus von den meisten algerischen Parteien verurteilt und teilweise wurden gar Rufe nach einer Aberkennung seiner Staatsbürgerschaft laut. Der ganze Unmut über den Besuch Mehennis ist an dieser Stelle allerdings nicht weiter von Interesse.

Spannend wird es, wenn gegen Ende des Al-Arabiya-Beitrags der „führende Nachrichten Kanal der arabischen Welt“ (so der Claim von Al-Arabiya) die Algerische Zeitung „Annahar al Jadid“ zur Affäre zitiert.

Dieser Zeitung zufolge sei dies bereits der dritte Israel-Besuch von Mehenni. Er reise von Tel Aviv nach Paris mit der israelischen Fluggesellschaft „al-Aal“ (wohl EL AL) und nutze seinen französischen Pass. Auch zwei Statements von israelischen Diplomaten gegenüber Annahar werden von Al-Arabiya übernommen. Eine gewisse Khafiet Mariza, angeblich eine Vertreterin des Büro für politische Angelegenheiten der israelischen Botschaft in Paris, gab zu Protokoll, dass „die israelische Regierung Mehenni in seinem Kampf für Autonomie[…] unterstützt.“ Und weil das noch nicht reicht, wurde auch gleich Zohra Charout, angeblich Militärattaché der israelischen Botschaft in Bukarest zitiert. Sie (!) soll in einem Telefon-Interview mit Annahar gesagt haben, Mehenni hätte von „der jüdischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten“ eine Million Euro erhalten. Israel werde das erste Land sein, das diplomatische Vertetungen in der Republik Kabylei eröffnen werde.

Falsche, nur annähernd klingende hebräische Namen und israelische Diplomatinnen, die gegenüber arabischen Sendern Telefonauskunft geben, sollten spätestens hier den Leser stutzig werden lassen. Weder arbeitet eine Khafiet Mariza bei der israelischen Botschaft in Paris noch ist in Bukarest ein Militärattaché namens Zohra Charout stationiert. Überhaupt gibt es weltweit – obwohl die Soldatinnen der IDF definitiv einen besseren Stand haben als in den meisten anderen Armeen – keinen einzigen weiblichen Militärattaché Israels.

Schon bei einer oberflächlichen Überprüfung der Details stösst man schnell auf den Original-Artikel von Ennahar.[ii] Dieser stammt allerdings aus dem Jahr 2009 und Al-Arabiya verkauft die Zitate, als wären sie brandaktuell.

Wes Geistes Kind der Ennahar-Artikel ist, offenbart spätestens dann, wenn es heisst, Ferhat Mehenni hätte von der „American Jewish Group“ eine Millionen Euro erhalten, um damit die „Judaisierung der Araber und den Aufbau von Gross-Israel“ zu unterstützen.

Unkritische Geister werden nach der Lektüre des Al-Arabiya Beitrages zweifelsohne glauben, Israel wolle sich in die inneren Angelegenheiten Algeriens einmischen und jene, die sowieso glauben, dass Israel sinistere Pläne im Schilde führt, fühlen sich bestätigt.

Warum hat Al-Arabyia, der sich in seinem Selbstverständnis als den führenden Nachrichtenkanal der arabischen Welt sieht, ausgerechnet aus einem mehr als drei Jahre alten und auf den ersten Blick dubiosen Artikel abgeschrieben? Eine Antwort auf unsere Nachfrage bei Al-Arabiya ist bislang ausgeblieben. Uns ist es ein Anliegen, die arabische Welt besser zu verstehen, doch trägt Al-Arabyia offenkundig nicht dazu bei.

 

[i] Udasin, Sharon & Koscinski, Jan: Algeria’s Kabylie craves friendship with Israel, jpost.com, 27.05.2012 (aufgerufen am 29.05.2012)

[ii] Ben Kemmoukh, Mohammed: One Million euros for the MAK from the American Jewish group, Ennahar Online Englisch, 17.06.2009 (aufgerufen am 29.05.2012)

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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