Die ägyptischen Muslimschwestern

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Die Beständigkeit der ägyptischen Muslimbruderschaft (Ikhwan al-Muslimun) lässt sich erklären durch ihre mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Bemühungen, in akademische Berufsstände (Ärzte, Anwälte, Apotheker etc.) einzudringen und diese zu kontrollieren; den Einfluss muslimischer Kleriker und ihre Kontrolle über Tausende Moscheen; und schliesslich, und nicht weniger wichtig, den Muslimschwestern und ihrem weitverbreitetes Mitwirken in und gemeinnützigen Institutionen (Gesundheit, Bildung, Sozialhilfe) oder in deren Aufsicht.

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Es heisst, die Frau mit dem grössten Einfluss auf die ägyptische Muslimbruderschaft sei Zaynab al-Ghazali gewesen, die Aktivistentochter eines reichen Baumwollhändlers und an der Al Azhar ausgebildeten Vaters. Als aktives Mitglied der 1923 gegründeten ägyptischen Frauenbewegung gründete sie 1936 als 18-Jährige den Muslimischen Frauenverbund (Jama’at al-Sayyidat al-Muslimat).

Diese Organisation, die ausserhalb der  zuvor von Hasan al-Banna begründeten Ikhwan-Verbindung gegründet wurde, hatte die Absicht, Aktivitäten von Frauen zu fördern und basiert auf antikolonialistischen und islamistischen Maximen. Nur kurze Zeit später bat al-Banna Zaynab al-Ghazali, die Leitung der neu entstehenden Frauenabteilung, derMuslimschwestern, zu übernehmen. Ursprünglich lehnte sie das Angebot ab, sah es aber dennoch als klug an, mit Banna und seiner Ikhwan zusammenzuarbeiten.

Ironischerweise schwor sie erst nach dem offiziellen Verbot der Muslimbruderschaft 1948 Hasan al-Banna ihre persönliche Gefolgschaft und gelobte, die Ziele der Ikhwan zu unterstützen, um Bildung, Beeinflussung, Moral und persönliches Verhalten zu begünstigen, um einen islamistischen Staat in Ägypten zu begründen.

Nach der Ermordung Bannas 1949 führte Zaynab al-Ghazali ihre Verbindung mit der Ikhwan fort. So stand sie 1962 in Kontakt mit dem Ikhwan-Intellektuellen Sayyid Qutb, als dieser im Gefängnis sass. Und „durch seine zwei Schwestern“ kam es, dass die ersten beiden Abschnitte eines Buches, welches er im Gefängnis schrieb, die Aussenwelt erreichten. Es wurde 1994 als Ma’alim fi’l-Tariq veröffentlicht und unter dem Titel Milestones ins Englische übersetzt; ein Buch, das zu einem Klassiker der islamistischen Literatur geworden ist. Es wurde vervielfältigt und von Ikwan in kleinen Zellen mit fünf Personen studiert. Bis heute ist es Pflichtlektüre für Ikhwan Mitglieder.

Der ägyptische Präsidenten Nasser war diesen Ikhwan Studiergruppen gegenüber misstrauisch und griff sie 1965 neben der Ikhwan an. Es war ein coup-de-main, der einen zweigleisigen Effekt hatte: Die Ikhwan wurde in Ägypten in den Untergrund getrieben, während ägyptische Exilanten den Einfluss der Bruderschaft quer durch die muslimische Welt verbreiteten. Qutb selbst lehnte bis zu seinem Tod 1966 den Nationalismus ab, der mit Nassers Pan-Arabismus einherging; eine politische Bewegung, die er als jahiliyya erachtete (ein Verweis auf das Zeitalter vor Mohammed in Arabien und somit des Unglaubens).

Sogar die Muslimschwestern blieben von Nassers politischer Säuberung nicht verschont. Der Muslimische Frauenverband, von dem Zaynab al-Ghazali behauptete, er hätte drei Millionen Mitglieder, wurde aufgelöst und Ghazali verhaftet. 1966 wurde sie zur lebenslangen Zwangsarbeit verurteilt. Nach Nassers Tod 1970 und dem politischen Aufstieg von Anwar Sadat, der in seiner Jugend ein Muslimbruder war und sich das Interesse an dieser Bewegung bis zu seinem Tod bewahrte, wurde Ghazali 1971 entlassen. Sie setzte ihr Berufsleben in der Muslimbruderschaft fort und nahm aktiv Anteil an Frauenangelegenheiten.

In einem Interview von 1981 behauptete Ghazali, dass der „Islam den Frauen Rechte in der Familien gab, wie in keiner anderen Gesellschaft.“ Sie verachtete die Befreiungsbewegung der Frauen der christlichen Gesellschaft, während sie argumentierte, dass der Islam Frauen erlaube, „aktiv am öffentlichen Leben teilzunehmen, zu arbeiten, in die Politik zu gehen, und ihre Meinung zu äussern.“ Ihre Autobiographie Ayyamn min Hayati (Rückkehr des Pharao) – eine Erinnerung an ihre Jahre im Gefängnis, ihre Aktivitäten im Muslimischen Frauenbund und ihr persönliches Mitwirken in „den geheimen Aktivitäten der Gesellschaft der Muslimbruderschaft“ – war jahrelang ein islamistischer Bestseller. Während ihres ganzen langen Lebens, das 2005 endete, blieb al-Ghazali der Überzeugung treu, dass der „Islam kein Mehrparteiensystem akzeptiert, weil es ein in sich abgeschlossenes System hat.“ Andere von Menschen geschaffene Systeme, waren „dem des Islam unterlegen.“ (siehe „Zaynab al-Ghazali: A Woman of Strength.“ Jamaah Islah Malaysia, 3 April 2005, Webseite)

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Von Anfang an und mehr noch in den letzten Jahrzehnten waren die Muslimschwestern bekannt für ihr Engagement in wohltätigen Aktivitäten von den dreckigsten Stadtteilen von Kairo bis zu den ärmsten Nil-Dörfern. Die Schwestern verteilen Lebensmittel, gründen und betreuen Gesundheitszentren und verteilen Almosen (zakat und sadaqa) an die Armen. Während männliche Ikhwan-Mitglieder gezielter Pläne bedienten, um akademische Berufsstände, Gewerkschaften und Universitäten zu infiltrieren, um eine Körperschaft aus Experten aufzubauen, die eines Tages eine Nation regieren und Scharia (islamisches Recht) auferlegen würde, setzen die Schwestern ihre profanen (aber nicht weniger effektiven) Bemühungen fort, in verarmten Stadtteilen weitere Moscheen und Schulen zu bauen.

Dass die Ikhwan Organisation in den letzten zwanzig Jahren so wachsen konnte, kann zu einem Grossteil auf den Einsatz der Schwestern zurückgeführt werden, die in den Slums und verarmten Dörfern gearbeitet und die unterschiedlichsten Schichten von Rekruten angezogen haben. Sie haben die Ikhwan-Bewegung expandiert, in dem unter  jenen armen Frauen und arbeitslosen Jugendlichen missionierten, die vom Sadat und Mubarak Regime vergessen wurden.

Zweifelsohne sind sie der Leim, der die Ikhwan al-Muslimun in den anstehenden herausfordernden Monaten zusammenhalten wird.

J. Millard Burr is a Senior Fellow at the American Center for Democracy

– See more at: http://acdemocracy.org/egypts-muslim-sisterhood/#sthash.DB2ybtP7.dpuf

Originalversion: Egypt’s Muslim Sisterhood by J. Millard Burr © ACD American Center for Democracy, October 1, 2013.

2 Kommentare

  1. Die Muslimschwestern machen es genau richtig: sie kümmern sich um jene, die von der Gesellschaft und vom Staat vergessen wurde. Und hinterher ist der Aufschrei gross. Und leider haben die Muslimschwestern auf diese Methode keinen Alleinanspruch.

  2. Muslimschwestern erinnern mich an die französischen, weiblichen Persönlichkeiten, die anlässlich der Hinrichtung von Opfern der Revolution rings um das Schaffot sassen und lismeten, in Erwartung der Dinge, die da runterfallen. Auch im 2. Weltkrieg gab es in Nazideutschland besonders grausame Frauen, die aus eigenem Anrieb Juden, darunter auch Kleinkinder, grausam quälten und anschliessend ermordeten.

    Heute gibt es palaestinensische Terroristinnen, die auch besonders grausam, speziell gegen juedische Zivilisten und Kinder vorgehen. Leider kann man diesen Horror, zumindest auf ideologischer Ebene, noch steigern. Hier sind es Frauen, oft Psychologinnen oder in ähnlichen sozial-caritativen Berufen tätig, die jüdische propalästinensische Organisationen managen.

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