
Anfang Oktober hat die Schweiz den Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat übernommen. Besonders im Fokus: der Krieg zwischen Iran und Israel. Beraten wird sie dabei von einer NGO, die in einen Lobby- und Spionageskandal für den Iran verwickelt ist.
Das Schweizer Aussendepartement (EDA) verteilt jedes Jahr grosszügig Gelder an NGOs. Einer der Hauptempfänger ist die Denkfabrik International Crisis Group (ICG), die Beratungen zu Konflikten für westliche Regierungen anbietet. Seit Mitte letzten Jahres befinden sich die ICG und dessen langjähriger Präsident Robert Malley allerdings im Zentrum eines handfesten Skandals. Der Iran soll die NGO genutzt haben, um die Aussenpolitik westlicher Staaten zu beeinflussen.
Der Skandal betrifft auch die Schweiz. Seit zwei Jahrzehnten lässt sich die Schweiz von der ICG beraten. Hauptthemen sind die Nahost- und Afrikapolitik, der Islamismus und auch die Ukraine. Allein in den Jahren 2022-23 hat Bern für diese Aufträge an die ICG 1,6 Mio. US-Dollar überwiesen. Man schätzt die ICG in Bern und zählt die NGO zu den «strategischen Partnern».
Besonders intensiv sind über Jahre die Beziehungen zum ehemaligen ICG-Präsidenten und Nahost-Verantwortlichen Robert Malley. Gemäss Auskunft des EDA stand er «in engem Austausch mit dem Departement». Der Amerikaner hat einen beeindruckenden Lebenslauf: Bevor er hauptberuflich zur ICG wechselte, diente er unter anderem als Sonderberater von Bill Clinton bei den Camp-David-Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern im Jahr 2000.
Ermittlungen durch das FBI
Nach den letzten Präsidentschaftswahlen ernannte Joe Biden den EDA-Vertrauten zum Sonderbeauftragten für den Iran. Malley sollte den Iran-Deal (JCPOA) wiederbeleben, den Trump auf Eis gelegt hatte. In den Verhandlungen plädierte er für eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran. Die einflussreiche Position ist für Malley der bisherige Höhepunkt einer glänzenden politischen und akademischen Karriere.

Doch die Karriere endet jäh im Mai 2023, wie erst Monate später bekannt wird. Malley besteht die Sicherheitsprüfung («Security Clearance») nicht und wird suspendiert. Der Vorwurf gemäss Wall Street Journal: Malley soll geheime Dokumente auf seine persönlichen Geräte heruntergeladen haben. Anschliessend habe Malley auf einen Phishing-Link geklickt. Dadurch sind möglicherweise amerikanische Geheimnisse in die Hände einer fremden Macht, wahrscheinlich des Irans, gelangt. Ob Malley absichtlich oder versehentlich gehandelt hat, ist Gegenstand der Ermittlungen des FBIs.
Pro-Iranische Lobbyisten als Berater westlicher Regierungen
Durch ein Leak iranischer Regierungsmails wurden im Herbst 2023 noch weitere Vorwürfe bekannt. Malley soll mit Mitgliedern einer verdeckten Lobbygruppe («Iran Experts Initative») in Verbindung stehen, welche die Interessen des Irans vertrat. Die mutmasslichen pro-iranischen Agenten wurden vom ICG als Experten angestellt. Dank Malley gelangten gewisse Akteure sogar in einflussreiche Positionen im amerikanischen Aussenministerium.
Aber nicht nur die Amerikaner wurden getäuscht. Auch das deutsche Auswärtige Amt liess sich von einem mutmasslichen iranischen Lobbyisten beraten. Dieser war ebenfalls bei Robert Malley angestellt. Und die Schweiz?
Von Obama gefeuert, von der Schweiz beauftragt
In den 2000er Jahren ist Robert Malley, der in Frankreich aufgewachsen ist und perfekt Französisch spricht, häufig Gast in der Schweiz. Er berät die Initianten der gescheiterten Genfer Initiative, ein vom EDA unterstützter Vorschlag zur Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern, und unterstützt den umstrittenen Dialog mit der dem Iran nahestehenden Hamas. In der Schweizer Presse verteidigt Malley diesen Dialog mit der Terrororganisation wiederholt, ohne auf seine eigenen Mandate für das EDA hinzuweisen.
2008 beriet Robert Malley auch den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama in aussenpolitischen Fragen. Als bekannt wird, dass Malley regelmässig mit der Hamas Gespräche führt, wird er gefeuert. Das hindert das EDA nicht, weiter auf die Dienste des Amerikaners und seiner NGO zu zählen. Nach dem ersten Krieg zwischen der Hamas und Israel lädt das EDA im Juni 2009 hohe Hamas-Führer zu einer Konferenz nach Feusisberg bei Einsiedeln ein (s. Artikel hier). Mit dabei: Experten des ICG. Auf Nachfrage nach der Rolle der Denkfabrik beim Schweiz-Hamas Treffen verweist das EDA an die Pressestelle des ICG. Dort kann man sich angeblich an das Treffen nicht mehr erinnern und hat auch keine entsprechenden Akten.
EDA: Schweiz ist nicht betroffen
Im EDA kennt man auf Anfrage die Vorwürfe gegen Malley und die International Crisis Group. Doch auch nach Auffliegen des Skandals hält man an der Zusammenarbeit fest: «Die Schweiz ist von den Inhalten in den dem EDA bekannten Pressebeiträgen nicht betroffen. Bis anhin sind keine Vorwürfe gegen die ICG an das EDA selbst herangetragen worden. Die aktuelle Zusammenarbeit läuft weiter.»
Die Zusammenarbeit mit dem ICG betrifft teilweise politisch hochsensible Bereiche: So berät die ICG die Schweizer Delegation im UNO-Sicherheitsrat und unterstützt sie bei der Organisation von Veranstaltungen «mit Sicherheitsratsmitgliedern und Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft.» Eine interne Untersuchung zu den Vorwürfen und den möglichen Folgen für die Schweizer Aussenpolitik ist bisher nicht geplant.
Neutralitätspolitisch bedenklich
Doch auch unabhängig von der Spionageaffäre stellt sich die Frage, ob solche Beratungsmandate für ausländische Organisationen aus neutralitätspolitischer Warte opportun sind. Denn die ICG war nie ein neutraler Akteur. Robert Malley und seine Denkfabrik sind fest im linken Milieu der amerikanischen Politik verortet. Finanziell ist die Organisation von Stiftungen abhängig, die linksprogressive Anliegen unterstützen. Gemäss dem ICG-Finanzbericht kamen 2022 mehr als 70 Prozent der Einnahmen in der Höhe von 41 Mio. USD von der Open Society Foundation von George Soros. Auch die Rockefeller Stiftungen und die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung sind regelmässige Geldgeber der ICG. Ob im Schweizer Aussendepartement die nötige Sensibilität für solche politisch eindeutig verortbaren «Beratungen» besteht, scheint fraglich.
Zuerst erschienen beim Nebelspalter.