Yad Vashem: Neue Online-Ausstellung

2
Familenfoto der Majer-Familie– Rivka und Refael Majer umgeben von ihrer Familie, Belgrad, 1935. 19 von 21 Familienmitglieder wurden im Holocaust ermordet. copyright: Yad-Vashem-Foto-Archiv
Familenfoto der Majer-Familie– Rivka und Refael Majer umgeben von ihrer Familie, Belgrad, 1935. 19 von 21 Familienmitglieder wurden im Holocaust ermordet. copyright: Yad-Vashem-Foto-Archiv
Lesezeit: 3 Minuten

Zum 80. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs hat Yad Vashem eine neue Online-Ausstellung entwickelt mit persönlichen Geschichten über das jüdische Familienleben in Europa im Jahre 1939. Die persönlichen Berichte beschreiben das Fortschreiten des Zweiten Weltkriegs mithilfe von Dokumenten, Fotografien und Artefakten, die sich im Archiv von Yad Vashem befinden, und von denen viele von Holocaust-Überlebenden und ihren Familien an Yad Vashem gespendet wurden. Yad Vashem ist die bedeutendste Gedenkstätte, die an die nationalsozialistische Judenvernichtung erinnert und diese wissenschaftlich dokumentiert.

 

„Es ist 16 Uhr. Das Geräusch des Artilleriefeuers ist ununterbrochen seit 24 Stunden… Der Lärm der Maschinengewehre und der Donner der Flugzeuge hallen über unseren Köpfen in der Luft wider und steigern den Terror. Meine Ohren und mein Kopf schmerzen. Man kann nicht hören, was gesagt wird. Nur bumm! Bumm! Bumm!… Ein Häuserblock im Stadtzentrum steht in Flammen. Plötzlich gibt es einen schrecklichen Lärm, dann Stöhnen und Schreie —Häuser stürzen in der Altstadt ein und wir rennen, um jene zu retten, die lebendig unter dem Schutt begraben wurden. Plötzlich verdunkelt sich der Himmel—eine Wolke aus Rauch liegt über der Stadt.”

Im September 1939 schrieb Mira Zabludowski diesen Tagebucheintrag bei einem Besuch bei ihren Eltern. In ihrem 56-Seiten-langen Tagebuch berichtet sie über ihre Eindrücke der ersten Monate der Besatzung Warschaus durch die Deutschen. Mira hatte Glück und konnte aus Polen nach Israel fliehen; ihr Vater starb im Juli 1940 im Warschauer Ghetto und ihre Mutter wurde mit anderen Familienmitgliedern nach Treblinka deportiert und dort ermordet.

Die Ausstellung präsentiert auch die Geschichte der Familie Majer aus Belgrad. Refael und seine Frau Rivka Majer hatten acht Kinder und viele Enkelkinder. Eine der Fotografien der Ausstellung hält einen glücklichen Moment der Vorkriegszeit fest mit der erweiterten Familie in ihrer schönsten Festtagskleidung. Von den 21 Menschen in dem Familienbild starb eine Person vor dem Krieg, 19 wurden im Holocaust ermordet und nur eine Person überlebte: Isabella Baruch, Refael und Rivkas Tochter.

Nach der Besatzung Belgrads durch die Deutschen erkannten die Mitglieder der Familie Majer nicht, dass sie in Gefahr waren. Die Älteren unter ihnen erinnerten sich an das angemessene Verhalten der Deutschen während des Ersten Weltkriegs und sagten: „Wir werden schon durch diese schwierige Zeit kommen, wie wir es schon einst schafften.” Weniger als ein Jahr nach der deutschen Invasion waren 90 Prozent der Juden Belgrads vernichtet, inklusive der Mehrheit der Majer-Familie.

Während die deutsche Aggression in der ersten Tagen im September 1939 nicht gegen die Juden Polens und Europas gerichtet war, fängt die Ausstellung die überwältigende Stimmung der jüdischen Bevölkerung am Abgrund einer unbekannten Zukunft, die in der Ermordung von sechs Millionen Juden gipfelte und der Zerstörung jahrhundertelangen jüdischen Lebens in Europa.

„Sogar 80 Jahre später ist der starke Widerspruch zwischen jüdischem Leben vor dem Krieg und dem tragischen Schicksal des Holocaust schwer zu verstehen,“ erklärt Yona Kobo, Forscherin und Kuratorin der Online-Ausstellung. „Wir sehen Familien aus Jugoslawien, Deutschland, Österreich, Polen, Rumänien, Griechenland und der Tschechoslowakei an ihren glücklichsten Tagen – Hochzeiten, Geburtstage und andere schöne Erlebnisse – aber auch zu ihren schweren finanziellen Zeiten, auf der Suche nach Auswegen, im Bemühen mit der Verschlechterung des täglichen Lebens zurechtzukommen – und am Ende, die Massenvernichtung von jüdischen Männern, Frauen und Kindern.”

2 Kommentare

Kommentarfunktion ist geschlossen.