Kartenhaus Nahost: Fatah und Hamas kämpfen um die Macht

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Wer an Mahmoud Abbas und Khaled Mashal denkt, dem wird nicht gerade «House of Cards» in den Sinn kommen: Der Fatah-Führer und der Hamas-Chef haben auf den ersten Blick nicht viel mit den Protagonisten der US-Serie gemein. Dabei gibt es einen Punkt, in dem sich die Realität im Nahen Osten und Fiktion im Weissen Haus auffällig ähneln: mit Blick auf Macht- und Ränkespielchen.

 

von Philipp Dahm

Weitgehend unbemerkt von der deutschsprachigen Presse hat dieser innerpalästinensische Konflikt nun einen bemerkenswerten Höhepunkt erreicht, wie die «Breaking News» der Nachrichtenagentur AP am späten Mittwochabend selbst vermeldet: «Die palästinensische Polizei hat eine der seltenen öffentlichen Demonstrationen gegen die Gaza-Politik der Autonomiebehörde aufgelöst», berichtet «Associated Press». Und erklärt klipp und klar: «Abbas hat gegen abweichende Meinungen stets hart durchgegriffen und deshalb sind solche Proteste selten.»

Die Demonstration, an der laut Veranstalter 2000 Palästinenser teilnahmen, war im Vorfeld angemeldet, von den Behörden jedoch verboten worden. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Elektroschocker ein, zehn Teilnehmer wurden verhaftet. Für die kommenden Tage bleibe jedweder Protest untersagt, wie die staatliche Nachrichtenagentur «Wafa» verbreitete. Vorgeblich ist das am diesem Freitag beginnende Fest zum muslimischen Fastenbrechen der Grund dafür.

Tatsächlich geht es jedoch um einen blanken Machtkampf an der palästinensischen Spitze. Seit die Hamas 2007 die formal gewählten Fatah-Politiker kaltgestellt hat, streiten die beiden Organisationen um die Herrschaft im Gaza-Streifen. Im Oktober 2017 sollte der Streit beigelegt werden, doch passiert ist seither wenig. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat dem Gaza-Streifen zuletzt gar den Geldhahn zugedreht: Tausende Beamte bekommen weniger oder gar keinen Lohn und die Zahlungen für Strom wurden ausgesetzt.

Die Folgen für die Bevölkerung sind fatal – und sie sind auch der Grund dafür, dass der palästinensische Burgfrieden wackelt, der besagt: Wir kritisieren Israel, aber sicher nicht uns selbst. Der Organisator der Demonstration kündigte dann auch an, die Proteste trotz offiziellen Verbots weiterführen zu wollen. Die israelische (und ägyptische) Blockade des Gaza-Streifens seien der Hauptgrund für die dortige prekäre Lage, zitiert die «Times of Israel» den Aktivisten Fadi Quran«. «Aber Präsident Abbas macht alles noch schlimmer, indem er den dortigen Familien Kollektivstrafen auferlegt.»

Ablenkung von den eigenen Unzulänglichkeiten

Dass Aktivisten wie Quran, Mahmoud Abbas nervös machen, lässt eine Erklärung der PA vom Dienstag vermuten. Darin rief seine Organisation dazu auf, sich auf die nationale Interessen zu konzentrieren und eine Einheit zu bilden. Das habe Vorrang, auch wenn man zur Meinungsfreiheit stünde, heisst es in dem Kommuniqué. Fatah-Mann Abbas hat ein Interesse daran, den Frust der Bevölkerung gegen den äusseren Feind zu lenken, um von den Unzulänglichkeiten der eigenen Administration abzulenken.

Wie gut so etwas funktioniert, hat einst ein gewisser Bashir al-Assad unter Beweis gestellt, als er den Zorn der demographisch angeschwollenen Masse von arbeits- und perspektivlosen Jugendlichen ohne politische Teilhabe auf eine eher harmlose dänische Zeichnung richtete. Die Aufregung um die Mohammed-Karikatur kaschierte den gesellschaftlichen Bruch, bis der Bürgerkrieg das Land auseinanderriss. Abbas will um jeden Preis verhindern, dass seine Fehde mit der Hamas sich auf die breite Masse ausdehnt und das Gebaren seiner Beamten auf die nationale Agenda kommt.

Dabei brodelt es im Gaza-Streifen, wo rund 60’000 Personen auf der Gehaltsliste der Autonomiebehörde stehen, aber kein Geld mehr bekommen. «Es ist ein Desaster, Gaza bricht zusammen», klagte Hani al-Laham gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Der Wachmann und seine Familie mussten ihr Haus räumen und eine provisorische Hütte beziehen. «Ich bin dieses Lebens müde.» Seine 55-jährige Frau ergänzt: «Wo sollen wir hin? Uns anzünden?» So wie Laham geht es auch Richtern, Ärzten und Lehrern: Sie alle haben kurz vor dem Fastenbrechen nur ein Taschengeld statt ihres Lohns bekommen.

Die ohnehin prekäre Lage spitzt sich also durch den innerpalästinensischen Machtkampf extrem zu, doch deutschsprachigen Medien ist das offenbar keine Zeile wert: Während allenthalben von den Zusammenstössen an Israels Grenzzaun berichtet wird, ist von dem Showdown Fatah-Hamas kaum etwas zu lesen. Entweder ist die Materie für die hiesigen Redaktionen zu kompliziert oder sie passt nicht in das Bild, das man sich entweder selbst gemalt hat oder das man transportieren will. Wie sagte «House of Cards»-Machtmensch Frank Underwood in einer Folge noch so schön? Sein Satz trifft auf Journalisten wie auf Politiker zu: «If you don’t like how the table is set, turn the table around.» (dt. Wenn du nicht magst, wie der Tisch gedeckt ist, dreh den Tisch einfach um.)

2 Kommentare

  1. Der Versöhnungskurs der Hamas ist eiskalte Berechnung und wird bei einer Einigung für die Fatah sowie gemässigteren Kräfte tödlich enden!
    Hamas bekommt so in Gaza viele Leute freigestellt, wird sich voraussichtlich in Samaria und Judäa, ev. Galiläa weiter ausbreiten und versuchen die Herrschaft an sich zu reissen.
    – Demokratische Wahlen sind in beiden Gebieten längst überfällig. Bis einigermassen ein demokratisches Verständnis aufgebaut ist, werden Jahrzehnte vergehen und dem steht der politische Islam entgegen.
    – Die Herkunft der Gruppen in Abstammung und religiöser Basis ist zu unterschiedlich und schlussendlich geht es nur um die Macht.
    – Einen Staat im Staat zu belassen endet im Desaster.
    Sämtliche Ordnungskräfte, Paramilitärs und Milizen müssten der politischen Führung unterstellt sein.
    Andrerseits sind kaum ein paar Quadratmeter in Gaza unbewohnt und nach Kriegsvölkerrecht, dürfen mit Waffenlagern und kämpfenden Truppen, die Bevölkerung nicht als Schutzschild benutz werden.
    – Im Endeffekt bedeutet dies für Gaza, Frieden zu schliessen und eine entmilitarisierte Zone zu schaffen. Garantien und ob allenfalls UNO Blauhelme entsendet werden, müssen noch ausgehandelt werden.
    Oben mein Leserbeitrag vom 2017.09.18 auf gmx

    Ergänzung zu unterem Beitrag, wg. Platzmangel
    Hamas, eine Regierung die zu Unruhen aufruft und denen das Wohl der eigenen Wähler und deren Einzel-Schicksale egal sind.
    Leider sind die Palästinenser hauptsächlich Opfer ihrer eigenen Politiker.

  2. Erklärung von UN-Watch an der 36. Sitzung des U.N. Menschenrechtsrates, von Mosab Hassan Yousef.
    Danke, Herr Präsident.
    Ich ergreife das Wort im Auftrag von UN-Watch
    Mein Name ist Mosab Hassan Yousef. Ich bin in Ramallah als Mitglied der Hamas aufgewachsen.
    Ich richte meine Worte an die Palästinensische Autonomiebehörde, die behauptet, der „alleinige legitime Vertreter“ des palästinensischen Volkes zu sein.
    Ich frage Sie: Woher kommt Ihre Legitimität?
    Das palästinensische Volk hat euch nicht gewählt, und sie haben euch nicht beauftragt, sie zu vertreten.
    Ihr habt euch selbst ernannt.
    Eure Verantwortlichkeit richtet sich nicht an eure eigenen Leute. Dies wird durch eure totale Verletzung ihrer Menschenrechte belegt.
    Tatsächlich ist das palästinensische Individuum und deren menschliche Entwicklung das geringste eurer Anliegen.
    Ihr entführt palästinensische Studenten vom Campus und foltert sie in euren Gefängnissen. Ihr foltert eure politischen Gegner. Das Leiden des palästinensischen Volkes ist das Ergebnis eurer egoistischen politischen Interessen. Ihr seid der grösste Feind des palästinensischen Volkes.
    Wenn Israel nicht existieren würde, gäbe es niemanden, dem ihr die Schuld geben könntet. Übernehmt Verantwortung für das Ergebnis eurer eigenen Handlungen.
    Ihr facht die Flammen des Konflikts an, um eure missbräuchliche Macht zu erhalten.
    Schlussendlich benutzt ihr diese Plattform, um die internationale Gemeinschaft und die palästinensische Gesellschaft zu täuschen, damit sie glauben, dass Israel für die Probleme verantwortlich ist, die ihr verursacht.
    Vielen Dank.

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