Debatte über „Aufhetzung” in Schulbüchern nicht vorbei

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Symbolbild. Poster von Selbstmordattentätern in Palästinensischer Schulklasse in Tul Karem. Foto IDF/Flic
Symbolbild. Poster von Selbstmordattentätern in Palästinensischer Schulklasse in Tul Karem. Foto IDF/Flickr
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„Opfer unserer eigenen Geschichtsschreibung“, so lautete der Titel eines Handouts, das jüngst an zwei Gruppen von Journalisten ausgegeben wurde – die eine in Jerusalem und die andere im Press Club in Washington, DC. Die Schlagzeilen, dass das Problem mit der Aufhetzung in israelischen und palästinensischen Schulbüchern vorbei sei, liessen nicht lange auf sich warten. Doch Wunschdenken beiseite – es ist nicht vorbei.

In der „Debatte um Aufhetzung in Schulbüchern“ geht es um den Anspruch/Behauptung, dass Schulbücher in der israelischen und palästinensischen Gesellschaft gleichermassen den Friedensprozess untergraben und scheitern, die im Streit liegenden Nationen zum Zueinander zu ermutigen. Einfach gesagt, es geht um Schulbücher, die Hass und Konflikt Vorschub leisten statt Toleranz und Frieden.

Nach dreijähriger Arbeit erschien jüngst ein neuer Bericht eines israelisch-palästinensischen Forscherteams, das für sich in Anspruch nimmt, die Debatte zum Thema beigelegt zu haben. Der selbsternannte „endgültige“ Bericht, der im Auftrag vom Rat für Religiöse Institutionen im Heiligen Land in Auftrag gegeben wurde und unter dem Vorsitz des Yale-Professors Bruce Wexler stand, untersuchte israelische und palästinensische Schulbücher und stellt fest, dass es in beiden Lehrplänen keine eigentliche Dehumanisierung und Aufhetzung gebe und kam zu dem Ergebnis, dass beide Seiten ihre Einstellung gegenüber dem Anderen verbessern müsse.

Schulbücher sind offizielle Produkte von Regierungen und sagen deshalb etwas aus über die Denkweise derjenigen, die sie verfasst und genehmigt haben. Aus diesem Grund hat dieser Bericht auch so viel Aufmerksamkeit ausgelöst. Der palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad behauptete so eilends, dass der Bericht „bestätigt, dass palästinensische Schulbücher keinerlei Form offenkundiger Aufhetzung beinhalten.“  Allerdings gibt es zwei Probleme mit dieser Aussage. Erstens hat es Herr Fayyad versäumt, den Bericht, der viele Aspekte des palästinensischen Lehrplans kritisiert, vollständig zu lesen. Zweitens hat Herr Fayyad zudem palästinensische Schulbücher selbst nicht durchgelesen, die weiterhin stark gegen eine friedliche Koexistenz mit Israel arbeiten.

In der Tat stellt der Wexler-Bericht fest, dass 84 Prozent der Charakterisierung von Juden in Schulbüchern der PA sehr negativ oder negativ ausfallen. Das gilt gleichermassen für 87 Prozent der Beschreibungen der Handlungen von Juden. Diese Bespiele beziehen sich auf Zitate aus palästinensischen Schulbüchern wie „Der Bote Gottes befahl Zayd Ibn Thabit die Sprache der Juden zu erlernen, um vor ihren Täuschungen sicher zu sein“ („Die Geschichte der Araber und Muslime, 6. Klasse, 2009, S. 133); oder diese Aussage über den Friedensprozess „Bei deinem Leben! Wie kommt es, dass Schlangen uns einfallen und wir [noch] einen Schutzbund 5 [dhimma] beachten, der Verpflichtungen beachtet?“ („Arabische Sprache – Sprachwissenschaften“, 12. Klasse, 2010, S.61).

Andererseits entschieden die Forscher, religiöse Passagen in den Schulbüchern nicht in die Untersuchung miteinzubeziehen, weil man den Koran oder die Bibel nicht kritisieren könne. Diese methodologische Entscheidung bedeutet jedoch, dass der Bericht Textpassagen wie folgende ausschloss: „Gottes Bote sagte: ‘die Stunde der Auferstehung wird nicht kommen bis die Muslime die Juden bekämpfen. Die Muslime werden sie töten, und wenn sich ein Jude hinter einem Stein oder einem Baum versteckt, wird der Stein oder der Baum sagen: „Oh Muslim, oh Anbeter Gottes! Das ist ein Jude hinter mir; komm und töte ihn“’ (Erhabene Hadith und seine Studien“, 11. Klasse, 1996, S. 200).

Der Ausschluss religiöser Verse aus der Untersuchung führte zu der irreführenden Auffassung, dass palästinensische Schulbücher frei von eindeutiger Aufhetzung sind. Leider führen diese Formen der Auslassung dazu, dass die Verfasser  das problematische Bild verzerren, welches die Studie vermutlich versuchte zu beheben.

Ein zentraler Punkt im Wexler-Bericht ist die Behauptung, dass einige der ethnozentrischen und delegitimierenden Tendenzen, die in palästinensischen Schulbüchern festgestellt wurden, ebenfalls in privaten Haredi (jüdisch ultra-orthodoxen) Schulbüchern vorkommen. Das scheint ein fairer Punkt zu sein, da diese Haredi Schulbücher offensichtlich einer Verbesserung bedürfen. Jedoch unterlässt es der Bericht zu erwähnen, dass das Haredi Schulsystem – das ungefähr 10 Prozent der jüdischen Bevölkerung in Israel ausmacht und ungefähr 20 Prozent der jüdischen Studenten – nicht staatlich reguliert ist und keine offizielle, staatliche Linie repräsentiert. Der Wexler-Bericht ist dienlich, das Problem dieses besorgniserregenden Phänomens unregulierter Schulbücher, hervorzuheben; aber er ist irreführend und lässt den Leser schlussfolgern, dass sich israelische Schulbücher auf gleicher Stufe mit palästinensischen befinden.

In Bezug auf das staatliche Schulsystem und offiziell genehmigte Schulbücher stimmt der Bericht zu, dass israelische Schulbücher einen wesentlich positiveren Bezug zum „Anderen“ (Palästinenser, Araber oder Muslime) haben; dass Frieden als ultimatives Ziel in der arabisch-israelischen Beziehung dargestellt wird; und dass die Schulbücher eine wesentlich komplexere Beschreibung der Ereignisse in Bezug auf israelische und arabische Beziehungen unter Einbeziehung einer Diskussion der palästinensischen Sichtweise liefern. Das alles fehlt alles palästinensischen Schulbüchern, räumt der Bericht ein.

Doch diese wichtigen Unterschiede scheinen in vielen Medienberichten zu fehlen, die sich auf Schlagzeilen wie „Der Hass beginnt in den Schulbüchern“ [20Minuten, 05.02.2013] konzentrieren.

Ist es die Schuld der Medien oder des Verfassers der Studie, der im Versuch „ausgewogen“ zu erscheinen, das Gesamtbild über das Wesen der Aufhetzung im nicht erkennt? Die Palästinensische Autonomiebehörde, deren Schulbücher systematisch jegliche Legitimität der Existenz Israel ablehnen, hat mehr Arbeit vor sich als die israelische Regierung, deren Schulbücher bereits eine friedliche Koexistenz mit Palästinensern und Arabern als ultimatives Ziel darstellen. Die Akte zur Debatte um Aufhetzung zu schliessen, wird nicht ändern, was geändert werden muss. Stattdessen macht es den Bericht zum Opfer seiner eigenen Geschichtsschreibung.

Nir Boms ist Vorstandsmitglied beim The Institute for Monitoring Peace and Cultural Tolerance in School Education (IMPACT-SE). Yael Teff ist leitende Wissenschaftlerin am Institut für das israelische Schulbuch-Projekt.

Originalversion: Textbook ‘incitement’ debate not over yet. Palestinian texts promote discord, not peace by Nir Boms and Yaell Teff. Zuerst erschienen in The Washington Post, February 24, 2013