Die NZZ und das Messer

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“Israelische Armee tötet mit Messer bewaffneten Palästinenser” titelt die NZZ online am 9.8.2015 um 20:54 Uhr und beruft sich dabei auf die Agenturen sda und afp. “Inmitten der erhöhten Spannungen nach dem tödlichen Brandanschlag auf Palästinenser hat die israelische Armee im Westjordanland einen Palästinenser erschossen.” heisst es da weiter.

So müsste es richtig heissen:

Am Abend des Sonntag hat ein Palästinenser bei der Dor-Tankstelle an der 443 Schnellstrasse von Jerusalem nach Tel Aviv auf einen 26 Jahre alten Israeli mit einem Messer eingestochen, während er sein Auto betankte. Drei Palästinenser konnten fliehen, während an der Tankstelle ankommende Soldaten den Messerstecher erschossen. Der verletzte Israeli ist bis zum Ofer-Lager nahe Jerusalem weitergefahren, wo er ärztlich behandelt und dann ins Schaarei Zedek Hospital in Jerusalem transportiert worden ist.
Zuvor war auf der gleichen Schnellstrasse bei Jerusalem eine Brandbombe auf ein Fahrzeug geworfen worden, vermutlich durch Palästinenser aus dem Viertel Schuafat. Dabei erlitt eine israelische Frau, Mutter von drei Kindern, schwere Brandverletzungen. Ebenso hatte bei Sinjil im Westjordanland ein Palästinenser aus dem Dorf Bidu vier israelische Soldaten überfahren und drei von ihnen schwer verletzt. Der Palästinenser benutzte ein Auto, an dem er gelbe israelische Fahrzeugnummern angebracht hatte, aber nicht an der richtigen Stelle. Er hatte die am Strassenrand auf eine Mitfahrgelegenheit wartenden Soldaten gesehen, nach etwa 200 Metern eine Kehrtwende gemacht und sie dann überfahren. Der Palästinenser wurde von dem leicht verletzten Soldaten angeschossen und schwer verletzt.

In dem Palästinensergebiet war vor gut einer Woche ein Brandanschlag auf zwei Häuser verübt worden, ein Kleinkind verbrannte bei lebendigem Leibe. Sein Vater erlag am Samstag seinen Verletzungen.

Israelis, darunter der Ministerpräsident und der Staatspräsident, hatten den Vorfall verurteilt. Auf die Schnelle wurde ein Gesetz verabschiedet, das ermöglicht, auch israelische Staatsbürger im Rahmen einer „Administrativhaft“ ohne ordentliche Anklage für sechs Monate festzuhalten. Bisher wurden sechs extremistische Israelis, die allesamt keine Siedler sind, festgenommen, darunter ein Enkel des Rabbi Meir Kahana, dessen rechtsradikale Partei in Israel verboten worden ist. In der Nacht zum Sonntag haben israelische Sicherheitskräfte Razzien in mehreren Siedlervorposten im Westjordanland durchgeführt, in der Hoffnung, die Täter des Anschlags auf die palästinensische Familie in Duma zu finden.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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