Jerusalem – die Hauptstadt Israels.

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Foto Kobi Richter/TPS
Foto Kobi Richter/TPS
Lesezeit: 4 Minuten

Präsident Trumps Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels stellt nicht nur 70 Jahre amerikanische Politik auf den Kopf. Sie unterstreicht vielmehr, wie weit die Juden noch immer von internationaler Anerkennung entfernt sind und zwar mindestens so sehr aus ihrer eigenen Sicht als aus der anderer. Sie zeigt, dass dieser Mangel an Akzeptanz nach wie vor etwas Grundlegendes in der Betrachtungsweise der Welt in Hinblick auf die Juden ist.

 

von Yaacov Lozowick

In den vergangenen 30 Jahren ist ein wütender Streit zwischen Archäologen darüber entbrannt, inwieweit die biblischen Erzählungen der historischen Wahrheit entsprechen. Allmählich bildete sich jedoch ein breiter Konsens dahingehend, dass König David tatsächliche eine historische Persönlichkeit war, die vor 3.000 Jahren in Jerusalem lebte; strittig ist allerdings nach wie vor die Frage, ob sein Jerusalem ein kleines, unbedeutendes Dorf oder etwas viel Grösseres war. Einige Historiker vertreten die Ansicht, dass die Juden sich zu einer echten Nation mit einer eigenen Kultur entwickelten, als ihre Elite nach Babylon verbannt wurde, wo sie erstmals die biblischen Erzählungen sammelten, zusammenstellten und bearbeiteten: Dies wären die Menschen, die – [entsprechend der Bibelstelle in Psalm 137, 1] „An den Strömen Babels sassen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten“ – Zion als einen der Namen für Jerusalem beanspruchten. Das Neue Testament ergibt keinen Sinn, wenn man nicht akzeptiert, dass Jesus in Jerusalem, der Hauptstadt der Juden, predigte und starb. Im 2. Jahrhundert verwüstete Hadrian Jerusalem und baute exakt an dessen Stelle eine römische Stadt auf, weil er davon ausging, dies würde den lästigen Juden ein Ende bereiten.

Keine Kontrolle über Jerusalem

Doch zu keinem Zeitpunkt in den vergangenen 2000 Jahren der Geschichte hat irgendeine bedeutende politische Macht jemals die wirkliche Stadt Jerusalem als jüdische Hauptstadt gesehen. In einer der bemerkenswerten Wendungen der Geschichte, die sich diese Woche vor genau einhundert Jahren ereignete, eroberten britische Truppen Jerusalem. Zu dieser Zeit bestand ein Grossteil der Einwohner Jerusalems aus Juden, wie auch schon in den 40, wenn nicht 80 Jahren zuvor. Und doch manipulierten die Briten sorgfältig alle kommunalen Wahlen, um sicherzustellen, dass es niemals einen jüdischen Stadtbürgermeister geben würde.  Während 30 Jahren britischer Herrschaft gab es eine Reihe von Vorschlägen zur Teilung des Landes; keiner von ihnen zog allerdings je eine jüdische Kontrolle über Jerusalem in Betracht. Der schliesslich letzte Woche vor 70 Jahren von der UN verabschiedete Teilungsplan enthielt ein nie dagewesenes Abweichen vom universellen Souveränitätsprinzip, den Corpus Separatum, um sicherzustellen, dass die Juden – die nach wie vor eine Mehrheit der Stadtbevölkerung bilden – keine Kontrolle über Jerusalem erhalten würden. Beratungen über die Umsetzung dieser Kuriosität beschäftigten die UN auch noch Jahre, nachdem Israel und Jordanien die Stadt zwischen sich aufgeteilt hatten.

Nach dem Sechstagekrieg ging die Führung Israels davon aus, dass die christliche Welt, als die man den Westen damals noch betrachten konnte, sich weigern würde, eine jüdische Kontrolle der Stadt anzuerkennen. Sie sprachen über Religion und ihren Ausdruck in der westlichen Zivilisation, nicht über internationale Gesetze.

“Dass die Juden das sein müssen, was die anderen sagen”

Die fast weltweite Ablehnung von Präsident Trumps Anerkennung der Tatsache, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist, sieht viel düsterer aus als eine blosse Meinungsverschiedenheit über den besten Weg zur Förderung eines spekulativen Friedensabkommens. Verstärkt wird dies durch die offensichtliche Fadenscheinigkeit der Gründe für diese breite Ablehnung und deren Distanz zur Wirklichkeit. Für mich als Israeli sieht es aus, wie eine Fortführung eines uralten Beharrens auf der Forderung, dass die Juden das sein müssen, was die anderen sagen, und dass sie sich so verhalten müssen, wie die anderen es verlangen, damit sie akzeptiert werden. Es darf einfach nicht sein, dass Jerusalem die Hauptstadt des jüdischen Staates ist, weil das heissen würde, dass die Juden tatsächlich zu einer nationalen Normalität zurückgekehrt wären, und dass sie eine Nation und ein Staat sind, wie alle anderen 200 Staaten der Welt auch.

Je lauter das Geheul, desto durchdringender die Verurteilungen, desto mehr scheint es für viele normale, gemässigte Israelis, dass unser Platz unter den Nationen der Welt noch immer nicht endgültig akzeptiert und für gut befunden ist.

Der Historiker Dr. Yaacov Lozowick ist israelischer Staatsarchivar und war von 1993 bis 2007 Direktor des Archivs in Yad Vashem.