Der schwedische Verrat

4
Foto Twitter / IRNA
Foto Twitter / IRNA
Lesezeit: 4 Minuten

Die links-grüne schwedische Regierung, die sich selbst als „feministisch“ bezeichnet, verrät mit ihrem Kotau in Teheran die Werte der freien Welt.

von Thomas Eppinger

Am 8. März 1979 gingen mehr als 100.000 Frauen in Teheran auf die Strasse. Ganz ohne WhatsApp, Twitter und Facebook versammelten sie sich am Internationalen Frauentag in der iranischen Hauptstadt, um gegen die drohenden Bekleidungsvorschriften des neuen islamischen Regimes zu protestieren.

Zuversichtlich lächelnd, ihre Arme energisch zum Protest erhoben, marschierten die persischen Frauen durch die Strassen Teherans. Vergeblich, wie wir heute wissen. Binnen weniger Monate hat die Islamische Republik Iran unter Ayatollah Khomeini alle Rechte der Frauen drastisch beschnitten, die in den 70 Jahren davor mühsam erkämpft worden waren.

Frauen demonstrieren nach den iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009. Foto Hamed Saber - originally posted to Flickr as 5th Day - 3V, CC BY 2.0, Wikimedia Commons.
Frauen demonstrieren nach den iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009. Foto Hamed Saber – originally posted to Flickr as 5th Day – 3V, CC BY 2.0, Wikimedia Commons.

Die Einhaltung konservativ islamischer Bekleidungsvorschriften wurde rigoros überwacht, Frauen wurden vom Richteramt ausgeschlossen, in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, von Schulen und öffentlichen Bussen bis hin zu Stränden und Schipisten wurde eine strikte Geschlechtertrennung eingeführt. Das Heiratsalter für Mädchen wurde auf 9 Jahre (!) herabgesetzt und erst 2002 wegen des internationalen Drucks auf 13 Jahre angehoben.

Die Kopftuchpflicht wurde mit der ganzen Staatsgewalt eines autoritären Regimes durchgesetzt. Revolutionswächter prügelten Frauen, denen der Hijab verrutscht war, von der Strasse oder führten sie gleich der Gerichtsbarkeit zu: Die Verletzung der Verhüllungsvorschriften, gepaart mit Vorwürfen „sündhaften Auftretens“, wird mit bis zu 74 Peitschenhieben oder 60 Tagen Gefängnis bestraft.

Im April 2007 griff das Regime unter Ali Khameneis Führung besonders brutal durch. Allein in Teheran wurden Tausende Frauen verwarnt und hunderte ins Gefängnis geworfen. Wie viele von ihnen dort misshandelt wurden, wird die Welt nie erfahren.

Bis heute sind Frauen im Iran Menschen zweiter Klasse. Die Islamische Republik Iran ist ein sexuelles Apartheidregime, in dem Männer ihre Ansprüche gegenüber Frauen jederzeit gewaltsam durchsetzen können. Gewalt in der Ehe bis hin zur Vergewaltigung ist erlaubt. Innerfamiliäre „Ehrenmorde“ bleiben praktisch straffrei oder werden mit der Zahlung von „Blutgeld“ geregelt. Frauen sind in allen Lebensbereichen stark benachteiligt und vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt.

Der Gipfel der Perversion dieses angeblichen Gottesstaats: Iranische Geistliche schliessen so genannte „Zeitehen“ zwischen zum Tode verurteilten Jungfrauen und Gardisten der „Pasdaran“, der iranischen Revolutionsgarde: Weil Jungfrauen nach islamischem Recht nicht hingerichtet werden dürfen, vergewaltigt man sie eben vorher.

Bis heute kämpfen die tapferen iranischen Frauen um ihr Recht. Manche müssen dafür mit ihrem Leben bezahlen. 2009 wurde eine junge Frau namens Neda zur Märtyrerin der Protestbewegung. Vor den Augen ihres Vaters wurde sie von einem Scharfschützen der Revolutionsgarden ins Herz getroffen. Der Film von ihrem Tod auf offener Strasse ging auf Youtube um die Welt.

Foto Twitter / IRNA

Seit zwei Jahren tragen die Iranerinnen den Protest ihrer Mütter von der Strasse ins Internet. Auf der Website mystealthyfreedom.net zeigen sie sich öffentlich ohne Schleier. Unter dem Hashtag #MyForbiddenSong veröffentlicht die Website auch Videos von singenden Iranerinnen. Denn selbst öffentliches Singen ist Frauen im Iran untersagt.

All das muss man nicht wissen. Ausser man bezeichnet sich selbst offiziell als „erste feministische Regierung der Welt“ und ist auf Staatsbesuch in Teheran.

Wie man sich die „feministische Aussenpolitik“ Schwedens vorstellen darf, konnte die Welt vergangenen Samstag sehen, als die Handelsministerin Ann Linde eine Delegation weiblicher Regierungsmitglieder anführte, die dem iranischen Präsidenten Rohani ihre Aufwartung machte. Züchtig verhüllt und dabei noch grinsend traten die Schwedinnen zum Defilee vor den iranischen Würdenträgern an.

Mit dieser Geste der Unterwerfung haben sie nicht nur jeglichen Begriff von „Feminismus“ ad absurdum geführt und sind ihren iranischen Schwestern in den Rücken gefallen. Sie haben auch alle Werte verraten, die sich Europa so gern auf seine Fahnen heftet, solange es wohlfeil ist. Was sind schon Frauenrechte, wenn es darum geht, einen Deal an Land zu ziehen?

Wenn es darauf ankommt, verblassen die europäischen Werte zu hohlen Phrase. Menschenrechte? Gleichberechtigung von Mann und Frau? Wozu dafür einstehen, wenn es vielleicht mit einem, wenn auch noch so kleinen, Nachteil verbunden sein könnte. Die eigene moralische Überlegenheit kann man schliesslich auch bei der Kritik an Trump oder beim Einsatz für gendergerechte Toiletten zur Schau stellen.

Nachdem Matteo Renzi im Vorjahr eigens für Rohanis Staatsbesuch römische Statuen verhüllen liess, die älter sind als die Religion, deren Führer sie vielleicht beleidigen hätten können, ist das der zweite symbolträchtige Kotau einer europäischen Regierung vor dem islamfaschistischen Regime.

Und irgendwo in Teheran singt eine junge Frau ein Lied und träumt von Freiheit.

Zuerst veröffentlicht auf MENA-Watch – Der unabhängige Nahost-Thinktank.

4 Kommentare

  1. Während sie in Europa und Schweden auf breites Verständnis stößt. Es ist kaum zu erklären. Wie können Frauen solche Wünsche der Männer im arabischen Raum unterstützen, während sie der Freikörperkultur fröhnen. Manche Frauen kleiden sich in der wärmeren Jahreszeit oft mit einem Nichtschen eines Kleides.

  2. Ein Bild und ein Akt politischer Obszönität.

    Bei der Gelegenheit: Täusche ich mich oder gibt es deutlich mehr Antisemitinnen als Antisemiten? Ohne daraus etwas ableiten zu wollen, interessiert mich, welche möglichen Ursachen dem zugrunde liegen könnten.

  3. Diese Unterwerfung ist einfach nur noch abartig. Christliche Kardinäle nehmen ihre Kreuze ab, frei gewählte Regierungschefinnen verhüllen ihre Köpfe. Freiwillig, in voraus eilendem Gehorsam. Und im nahen und mittleren Osten werden Christen verfolgt, vergewaltigt und abgeschlachtet. Das schert dieses Gewürm nicht im geringsten. Pfui Deibel!

Kommentarfunktion ist geschlossen.