Terrortunnel: Die Hamas fällt in die eigene Grube

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Die Hamas und der Islamische Dschihad bereiten sich intensiv auf ihren nächsten Krieg gegen Israel vor. Ende Januar erklärte Ismael Hanijeh, der Chef der Hamas im Gazastreifen: „Östlich von Gaza-Stadt sind Helden unter der Erde, die durch Felsen graben und Tunnel bauen. Diese Tunnel sind doppelt so lang wie die unterirdischen Gänge, die einst die Vietcong in Vietnam errichtet haben.“

Von Stefan Frank

Zwar waren es in den letzten Monaten vor allem die von palästinensischen Arabern verübten heimtückischen Messerangriffe, die die israelische Öffentlichkeit beschäftigten, doch die grössere und strategische Bedrohung geht von den Angriffstunneln aus, die mutmasslich vom Gazastreifen bis weit nach Israel reichen und die die Hamas – sollten sie nicht vorher entdeckt werden – im nächsten Krieg dazu nutzen wird, um in israelischen Dörfern Massaker zu verüben und Zivilisten zu verschleppen. Wie von der israelischen Armee während des Gazakriegs im Sommer 2014 gefangen genommene Hamaskämpfer im Verhör aussagten, hatte die Hamas eine solche Terroroperation schon für das jüdische Neujahrsfest Rosh Hashana im September 2014 geplant – nur durch Israels Militärintervention, bei der etliche der Angriffstunnel entdeckt wurden, wurde dieser Plan vereitelt.

Kaum schwiegen die Waffen, prahlte die Hamas damit, sie habe viele der Tunnel wieder aufgebaut; angefangen habe sie damit während der „humanitären Feuerpausen“. „Die Tunnel der al-Qassam sind in gutem Zustand, Allah sei Dank. Unsere Männer werden gleich zu Beginn der nächsten Schlacht ihre Füsse in Nahal Oz … und den anderen Siedlungen um Gaza herum auf den Boden setzen“, so ein Sprecher der al-Qassam-Brigaden im Dezember 2014. Die Hamas veröffentlicht sogar Videos, in denen ihre Kämpfer beim Üben zu sehen sind.

Unterirdische Stadt des Terrors
Obwohl der israelische Soldat Gilad Shalit im Juni 2006 durch einen Tunnel entführt worden war, den Mitglieder verschiedener Terrorgruppen unter der Grenze gegraben hatten, war man sich in Israel acht Jahre lang nicht des Ausmasses des Tunnelnetzes bewusst; kaum jemand ahnte, dass unter dem Gazastreifen eine riesige unterirdische Stadt des Terrors  existiert.

Aktuelle Ehrung eines “Tunnelbauer-Teams” auf Youtube

Einige der im Sommer 2014 von der israelischen Armee entdeckten Tunnel waren 27 Meter unter Erde, so breit, dass ein Auto durchfahren konnte, elektrifiziert und mit Beton verkleidet (hier zeigt sich, wofür die Baustoffe benutzt werden, deren angeblichen Mangel im Gazastreifen von Amnesty & Co. jahrelang angeprangert wurde).

Wie der israelische Fernsehsender Kanal 2 kürzlich berichtete, hat Israel in den letzten Jahren umgerechnet über 200 Millionen Euro in Technologie investiert, mit deren Hilfe die Angriffstunnel lokalisiert und unschädlich gemacht werden sollen. Darüber, mit welchen Methoden und Strategien dies geschehen soll – oder vielleicht schon geschieht –, wurde die Öffentlichkeit bislang nicht informiert. Der Kampf gegen grenzüberschreitende Hamas-Tunnel nach Israel habe jedoch hohe Priorität, berichtete Kanal 2 unter Berufung auf Armeequellen.

Anlass für den Fernsehbericht waren die sich häufenden Klagen von Bewohnern der Region an der Grenze zum Gazastreifen; sie berichten immer wieder davon, dass sie den Tunnelbau der Hamas unter ihren Häusern hören und spüren könnten.

„Solange die Hamas existiert, wird israelische Technologie den Widerstand nicht aufhalten“, sagte der Hamasführer und -Mitgründer Mahmoud al-Zahar kürzlich der im Oman ansässigen Nachrichtenagentur Alwatan News, „selbst wenn es Israel gelingt, einen Tunnel zu entdecken oder zwei oder zehn. Sie reichen über Gaza hinaus ins Gebiet von 1948.“

Mysteriöser Einsturz
Doch nicht alles läuft rund bei den Islamisten: Seit Jahresbeginn sind bereits vier ihrer Tunnel eingestürzt, ein Dutzend Terroristen wurde dabei getötet. Die Hamas macht Regenfälle dafür verantwortlich, während manche darüber spekulieren, ob Israel sie auf eine geheimnisvolle Weise zum Einsturz bringt.

Beerdigung von Terroristen die im Januar 2016 durch einen Tunnel-Einsturz getötet wurden.

„Das weiss Gott“, sagte der israelische Generalmajor Yoav Mordechai bei einer Pressekonferenz auf eine diesbezügliche Frage eines palästinensischen Pressevertreters. Er fügte hinzu: „Ich würde den Bewohnern des Gazastreifens dazu raten, sich nicht um die Tunnel zu kümmern und sich von ihnen fernzuhalten, vor allem, nachdem sie in den letzten Tagen die Folgen gesehen haben.“

Solange der Gazastreifen von Dschihadisten beherrscht wird, ist ein neuerliches Blutvergiessen nur eine Frage der Zeit. Bislang zettelte die Hamas etwa alle zwei bis drei Jahre einen neuen Krieg an. Ende 2008 nutzte sie die Interimszeit zwischen der Präsidentenwahl in den USA im November und dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Mitte Januar zur Eskalation. Wenn sich die Geschichte wiederholt, gibt es also in zehn Monaten den nächsten grossen Konflikt zwischen Israel und Gaza.

Einen interessanten Einblick in die Denkungsart der Kriegsherren im Gazastreifen erlaubt eine Äusserung des arabisch-palästinensischen Journalisten Ibrahim Madhun, den die „FAZ“ vor einigen Tagen zitierte. Madhun, der, wie die „FAZ“ schreibt, „auch für das der Hamas nahestehende Forschungszentrum ,Al Mustaqbal’ arbeitet“, sagte:
„Kassam-Kommandeure berichten mir, dass sie alle ihre militärischen Möglichkeiten wiederherstellen konnten. Momentan ist die Hamas aber an keinem neuen Krieg interessiert. Die Leute sind noch nicht so weit, die Folgen von 2014 sind noch nicht beseitigt.“

Den letzten Satz muss man sich einmal langsam durch den Kopf gehen lassen. Die Logik der Hamas lautet also: Sobald die im Krieg zerstörten Häuser wieder aufgebaut sind, kann der nächste Waffengang beginnen. Nach den Gazakriegen 2008/09 und 2012 hatten die Europäer darauf gedrängt, die Kriegsschäden im Gazastreifen möglichst rasch zu beseitigen und hatten auch noch viel Geld dafür bereitgestellt (Israel hatte die Baumaterialien geliefert). Alles, wozu das geführt hat, war somit, den Zeitpunkt neuer Verwüstungen und neuen Leids näher zu bringen. Das war also falsch: Je länger es dauert, bis die Infrastruktur im Gazastreifen wiederaufgebaut ist, desto länger währt die Friedenszeit.

Leider aber kann auch eine längere Periode relativer Ruhe kein Grund zu ungetrübter Freude sein. Schliesslich geht der Wiederaufbau von Wohngebäuden im Gazastreifen nur deshalb so schleppend voran, weil die Hamas fast alle Baumaterialien für den Bau ihrer unterirdischen Angriffskapazitäten verwendet. Damit stellt sich aus israelischer Sicht die Frage ob es richtig ist, dem Treiben tatenlos zuzusehen. Oder ist Israel vielleicht – wie so oft in seiner Geschichte – wieder einmal dabei, durch geniale Ideen den Gegner zu besiegen? Diesmal nicht in der Luft oder auf dem Boden, sondern unter der Erde? „Einer jeglichen Waffe, die wider dich [Israel] zubereitet wird, soll es nicht gelingen“, heisst es in Jesaja 54,17. Und Psalm 57,7 sagt: „Sie stellen meinem Gang Netze und drücken meine Seele nieder; sie graben vor mir eine Grube, und fallen selbst hinein.“

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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