SIG: «Zweifelhaftes Geschichtsbewusstsein rund um die Bührle-Sammlung»

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Camille Pissarro, Die Strasse nach Versailles, Louveciennes, bei Schnee, 1870, 173, Sammlung E.G. Bührle. Foto Camille Pissarro - www.buehrle.ch, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=82915985
Camille Pissarro, Die Strasse nach Versailles, Louveciennes, bei Schnee, 1870, 173, Sammlung E.G. Bührle. Foto Camille Pissarro - www.buehrle.ch, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=82915985
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Das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Sammlung E.G. Bührle haben an einer Medienkonferenz laut einer Mitteilung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), eine starre Verteidigung ihrer bisherigen Haltung gezeigt. Es sei der Eindruck eines zweifelhaften Geschichtsbewusstseins entstanden. Diese wenig sensible erneute Positionierung von Kunsthaus und Stiftung sind für den SIG irritierend und in Teilen erschreckend.

Besonders schwer nachvollziehbar sei das Beharren auf einem Geschichtsbild, das die Ergebnisse der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg, die sogenannte «Bergier Kommission», in keiner Weise berücksichtigt. Dazu gehören Aussagen, die die Rolle der Schweiz als bedeutende Drehscheibe von Raubkunst und Fluchtgut relativieren, so der SIG. Es sei allgemeinhin bekannt und mittlerweile historisch aufgearbeitet, dass der Schweizer Staat Juden und anderen Minderheiten auch in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs zu wenig Sicherheit und Schutz bot und sie oft auch nicht vor dem Tod in von Nazideutschland besetzten Ländern bewahren konnte. Hinzu kommen Tausende von Menschen, die auf der Flucht an den Schweizer Grenzen abgewiesen und oftmals in den sicheren Tod geschickt wurden, heisst es in der Mitteilung weiter. Umso mehr komme gerade deshalb dem Fluchtgut in der Schweiz eine so wichtige Bedeutung zu und müsse jeder Einzelfall, genauso wie es bei Raubkunst gemacht wird, auf seine Provenienz hin untersucht werden.

Ebenso wenig seien sich die Vertreter von Kunsthaus Zürich und Bührle-Stiftung ihrer Verantwortung bewusst, die sie indirekt eingegangen sind, als die Schweiz 1998 die Erklärung von Washington und 2009 die Erklärung von Theresienstadt mitunterzeichnet haben. Diese besagen eben, dass die Provenienz jedes Einzelfalles abgeklärt werden muss, damit faire und gerechte Lösungen hinsichtlich einer Rückgabe oder einer Entschädigung von Kunstwerken gefunden werden können. Laut dem SIG ist es unerlässlich, dass das Kunsthaus Zürich dem Beispiel des Berner Kunstmuseums folgt und «Fluchtgut» als «NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut» anerkennt.

Expertengremium zur Evaluation der Bührle-Sammlung gefordert

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund begrüsst es, dass die Zürcher Kunstgesellschaft als Trägerschaft des Kunsthauses und die Bührle-Stiftung nun endlich einer breit geäusserten Forderung nachkommen, die ein unabhängiges Expertengremium verlangt. Dieses soll die Herkunft der Bilder aus der Sammlung überprüfen. Dies kann aber laut dem SIG nur gelingen, wenn die Vertreter des Kunsthauses Zürich und der Bührle-Stiftung bereit sind, von ihrem jetzigen starren Standpunkt und ihrer sehr eigenen Wahrnehmung der Geschichte abzurücken.

Der SIG setzt sich für die Umsetzung einer parlamentarischen Motion ein, die eine unabhängige nationale Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter fordert. Die Debatte um die Bührle-Sammlung zeige, dass die Einsetzung einer solchen Kommission zwingend nötig ist, schreibt der SIG. In Zukunft müsse jeder Einzelfall geprüft und bei gerechtfertigten Forderungen entsprechend restituiert werden.