Bayreuth – Eine Stadt sieht Pink!

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Foto codepinkhq / flickr.com, CC BY 2.0.
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Bayreuth verleiht seinen Toleranzpreis an eine israelfeindliche Organisation.

Von Dr. Günter Beck-Mathieu

John McCain hat Aktivisten von Code Pink als „lowlife scum“ bezeichnet, was soviel heisst wie: zwielichtiger Abschaum. McCain hat unrecht. Das sind sie eindeutig nicht. Aber man muss Code Pink auch nicht mit einem Preis für Toleranz auszeichnen, wie die Stadt Bayreuth es jetzt tun will.

Um die Preisverleihung ist ein heftiger Streit entbrannt. Eine veritable Provinzposse? Mitnichten. Die Ereignisse sind geradezu paradigmatisch für Deutschland anno 2016. Sie zeigen: auch unter den Bedingungen des achten Jahrzehnts nach dem Nationalsozialismus tun sich Deutsche schwer im Umgang mit dem jüdischen Staat. Judenhass wandelt seine Gestalt. Judenhass bleibt ein Wasserzeichen unserer Kultur. Es schimmert überall durch.

Wer ist Code Pink? Wenn man eine Gruppe malen wollte, die allen neoklassischen linken Obsessionen und Tabus entspräche, dann käme Code Pink heraus. Bei einem Blick auf die Homepage der US-Bürgerrechtsorganisation fliegen einem die üblichen linken Begrifflichkeiten entgegen: anticapitalism, ageism, anticolonialism, classism, gender … Man trifft sich mit dem Komitee zur Verteidigung der Revolution in Kuba, man fährt nach Teheran und setzt sich mit Holocaustleugnern zusammen, man schippert mit Schiffen nach Gaza um der Hamas nahe zu sein, man demonstriert vor dem AIPAC-Gebäude zusammen mit Leuten die „Hitleryahu“ rufen, man unterstützt die BDS-Bewegung. Kurz: Code Pink pflegt seine antiwestlichen und antiisraelischen Ressentiments.

Code Red für Code Pink? Nicht für die Stadt Bayreuth. Auf Vorschlag der Universität Bayreuth wird der Organisation der „Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis für Toleranz und Humanität in kultureller Vielfalt“ verliehen. Wilhelmine von Bayreuth war die Lieblingsschwester Friedrichs des Grossen, ohne deren Bauwut und Kunstsinn man Bayreuth auf der Landkarte sehenswerter Orte zwar suchen könnte, aber nicht finden würde. Der Dirigent Daniel Barenboim hat den Preis mit dem sperrigen Namen auch schon erhalten – bis jetzt allerdings noch nicht abgeholt. Sein Preisgeld von 10.000 Euro schlummert in den Tiefen des Bayreuther Stadtsäckels zusammen mit den über 100 Millionen Euro Schulden der Stadt. Aber für Code Pink ist noch Geld da. Und Code Pink wird das Preisgeld abholen. Sie haben bereits angekündigt, zum Festakt im Kontingent anzurücken.

Nach einem Bericht in der Jerusalem Post und Kritik vom Simon-Wiesenthal-Institut wegen der antiisraelischen Haltung von Code Pink fühlten sich die Stadtoberen mit beiden Händen im Mustopf ertappt. Ein Stadtrat nach dem anderen distanzierte sich von der Preisverleihung – nicht zuletzt wegen des Protests der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, des israelischen Botschafters, des bayerischen Ministerpräsidenten … Manche Stadträte beschäftigten sich da zum ersten Mal mit der Bürgerrechtsbewegung. Die Oberbürgermeisterin: „Bereits begründete Zweifel an der Eignung eines möglichen Preisträgers reichen meiner Meinung nach aus, um den Preis nicht zu verleihen.“ Wo sie recht hat, hat sie recht! Der Geist der Läuterung ging quer durch die Fraktionen, erfasste jedoch nicht genügend Stadtparlamentarier: Bei einer erneuten Entscheidung im Stadtrat stimmten 23 der 41 Abgeordneten für Code Pink.

Was bewegt eine Stadt in Deutschland Israelfeinde auszuzeichnen?

Man könnte einwerfen, die Befürworter beherrschten einfach ihr politisches Handwerk nicht. – Mag sein. Es ist ein schwerer handwerklicher Fehler, wenn eine Stadt mit der Geschichte Bayreuths einer israelfeindlichen Organisation ausgerechnet einen Toleranzpreis zuerkennt. Es gibt auf dieser Welt genügend andere Organisationen, die preiswürdige Arbeit leisten.

Die Erklärung greift aber zu kurz. Es geht um das jüdische Israel und damit kommen nach J.P. Sartre Leidenschaft und Irrationalität ins Spiel. Der Ex-OB Bayreuths und Initiator des Preises meinte, er habe alles gelesen „und ich habe für mich keine ausreichenden Gründe für eine Aberkennung des Preises gefunden.“ Welch ein Triumph des festen Willens, das Offenkundige nicht sehen zu wollen! Muss man in einem Akt der Aufklärung noch einmal alles sagen?

Muss man noch einmal darauf hinweisen, dass allein das jüdische Israel boykottiert werden soll, nicht aber China wegen Tibet, die Türkei wegen Nordzypern oder Marokko wegen der Westsahara? Auch in Bayreuth hiess es schon einmal „Kauft nicht beim Juden!“ Auch in Bayreuth konnte man schon einmal eine „informierte Kaufentscheidung“ treffen.

Muss man noch einmal darauf verweisen, dass der Iran ein klerikalfaschistischer Staat ist, in dem Menschenrechte nichts gelten und der Terroristen weltweit unterstützt? Der Iran hat eben das Kopfgeld für Salman Rushdie auf 600.000 Dollar erhöht. Weshalb protestiert Code Pink nicht im Iran gegen das Regime der  Mullahs sondern mit dem Iran gegen Israel, der einzige funktionierenden Demokratie im Nahen Osten? Da hilft es wenig, wenn die Deutschlandchefin von Code Pink meint: „Darf man nicht zu einem Meinungsaustauch in den Iran gehen? Darf man nicht dabei sein, wenn israelische Politik hinterfragt wird?“ Iran will Israel von der Landkarte bomben. Soviel zum Modus des Hinterfragens. Mit den Feinden Israels darf man reden, mit Israel nicht; man muss es boykottieren.

Die Universität Bayreuth hat Code Pink für den Toleranzpreis vorgeschlagen. Code Pink unterstützt auch den akademischen Boykott Israels. Muss man die Universität Bayreuth noch einmal darauf hinweisen?

Muss man noch einmal darauf verweisen, dass Israel der einzige Staat im Nahen Osten ist, in dem es keine Apartheid gibt? Wurde nicht neulich der ehemalige Ministerpräsident Ehud Olmert  von einem arabischen Richter verurteilt? Wo sprechen jüdische Richter über Staatslenker in arabischen Staaten Recht?

Soll Code Pink wirklich ein Preis für Vielfalt zuerkannt werden, obwohl Code Pink die Juden aus dem Westjordanland vertreiben will und damit Vielfalt reduzieren?

Ob die Argumente helfen? Nach J.P. Sartre handelt und denkt der Antisemitismus irrational. Er ist Argumenten nicht zugänglich. Die Geschehnisse um Code Pink tragen Züge eines mittelbaren Antisemitismus‘. Ich nenne mittelbaren Antisemitismus einen Antisemitismus, der sich nicht selbst die Hände schmutzig macht; mittelbarer Antisemitismus lässt andere die Drecksarbeit erledigen. Aber von Zeit zu Zeit zeigt er den anderen augenzwinkernd Sympathie, klopft ihnen anerkennend auf die Schultern. Und darin ist der Fall Code Pink in Bayreuth idealtypisch für Deutschland 2016.  Code Pink hat 2014 den Aachener Friedenspreis erhalten. Ohne Protest. Die Laudatorin hiess Gabriele Krone-Schmalz.

Wie weiter in Bayreuth? Im antiken Griechenland kam nach der Tragödie das Satyrspiel. Es sollte das traurig gewordene Publikum wieder zum Lachen bringen. Ein Satyrspiel war auch in Bayreuth angedacht worden: Da an der Verleihung nicht mehr zu rütteln war, sollte der Preis wenigstens nicht im Rahmen eines Festaktes überreicht, sondern lediglich mit der Post zugestellt werden. (Sollte der Postbote dann auch gleich die Laudatio halten? Oder den Preis doch mit einer Drohne abwerfen? Undenkbar, wo sich Code Pink auch gegen Drohnen engagiert!)

Wer soll den Preis überreichen? Von der Oberbürgermeisterin bis hinunter zu den meisten Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat haben alle gegen die Preisverleihung gestimmt. Sie werden beim Festakt fehlen. Ach ja, die Laudatorin ist auch abgesprungen.

Und so zeichnen biedere Bayreuther Bürger kreischende Figuren aus, von denen sie sich im privaten Leben wegen deren schrillen Stils angewidert abwenden würden.

Der Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis ist so tot wie seine Namensgeberin. Wer will den Preis in Zukunft noch annehmen?

Dr. Günter Beck-Mathieu ist Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Bayreuth-Oberfranken.

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