Vor 25 Jahren starb der Wiener Psychiater Viktor Frankl

Er überlebte den Holocaust und sah Sinnhaftigkeit selbst im grössten Leid. Mit "... trotzdem Ja zum Leben sagen" schrieb der Wiener Psychiater und Begründer der Existenzanalyse Viktor Frankl einen Weltbestseller.

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Viktor Frankl, (1905-1997), österreichischer Neurologe und Psychiater. Foto IMAGO / United Archives
Viktor Frankl, (1905-1997), österreichischer Neurologe und Psychiater. Foto IMAGO / United Archives
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“Wenn Leben überhaupt einen Sinn hat, dann muss auch Leiden einen Sinn haben”: Diese Erkenntnis bestätigt sich für Viktor Frankl mitten in der Hölle von Auschwitz. “Trotzdem Ja zum Leben sagen” wurde eine seiner Lebensdevisen. Für den Wiener Psychiater und Begründer der Logotherapie stand fest, dass menschliches Leben unter allen Umständen einen Sinn hat. Aus seinem Mund klingt das mehr als glaubwürdig: Der jüdische Mediziner überlebte vier Konzentrationslager. Vor 25 Jahren, am 2. September 1997, starb Frankl mit 92 Jahren.

von Angelika Prauß

Schon in seiner Schulzeit pflegte Frankl persönliche Kontakte zu den Psychologen Sigmund Freud und Alfred Adler. 1923 machte er in Wien sein Abitur, studierte anschliessend Medizin und promovierte 1930. Dem Leiden am Leben, Depressionen und Suizid galten sein Hauptinteresse. Frankl bemerkte die Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit vieler Menschen. Frankl sah die Sinnsuche als Hauptmotivation des Menschen: “Der Mensch ist nicht auf Glück, sondern auf Sinn angelegt.” 1926 verwendete er erstmals den Begriff Logotherapie. Die Methode unterstützt Klienten dabei, in ihrem Leben einen Sinn zu finden.

Als Oberarzt leitete er von 1933 bis 1937 den sogenannten Selbstmörderpavillon im psychiatrischen Krankenhaus in Wien, wo er 3.000 suizidgefährdete Frauen betreute. Danach durfte er keine “arischen” Patienten mehr behandeln und übernahm die Leitung eines Spitals für jüdische Patienten. Um ihr Leben zu retten, umging er mit gefälschten Gutachten die Euthanasie-Anordnung. 

1942 heiratete er und wurde kurz darauf mit seiner Frau und seinen Eltern ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Ausser ihm überlebte niemand seiner Familie die Lagerzeit. Drei Jahre verbrachte Frankl in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern, wo sich seine Lehre unter grausamen Umständen bewähren konnte.

In seinem eindrucksvollen Buch “… trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager” verarbeitet der Häftling mit der Nummer 119104 seine Erlebnisse. Für ihn kommt es auf die innere Haltung an, mit der man existenziellen Krisen begegnet und diese als “innere Bewährungsprobe” annimmt. So sei es möglich, “aus seinem blossen Leidenszustand eine innere Leistung zu gestalten” und selbst schwerste Krisen seelisch heil zu überstehen. Gerade aussergewöhnlich schwierige Lebensumstände böten die Gelegenheit, “über sich selbst hinauszuwachsen”.

Nicht jeder in Auschwitz konnte oder wollte dem folgen. Frankl, der dort als ärztlicher Seelsorger arbeiten durfte, traf im KZ auf viele Menschen mit Selbsttötungsabsichten. Er versuchte, seinen Mithäftlingen eine Perspektive zu zeigen, “dass das Leben von ihnen etwas erwarte, dass etwas im Leben, in der Zukunft, auf sie warte”. Für ihn selbst war es der Wille, seine von der Gestapo vernichtete Habilitationsschrift über die Logotherapie wieder zu rekonstruieren. Einer ihrer Ansätze ist angelehnt an Nietzsches Satz: “Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie”.

Nach dem Krieg leitete Frankl von 1946 bis 1970 in Wien die Neurologische Poliklinik und begründete die österreichische Ärztegesellschaft für Psychotherapie. 1955 wurde er Professor für Neurologie und Psychiatrie in seiner Heimatstadt, erhielt aber auch Gastprofessuren in Harvard, Cambridge und Stanford. Daneben schrieb Frankl rund 30 Bücher, die auch Dank ihrer guten Verständlichkeit in 22 Sprachen übersetzt wurden. Von seinem populärsten Werk “Man’s search for meaning” (Trotzdem ja zum Leben sagen) wurden allein in den USA vier Millionen Exemplare verkauft. Frankl, der als einer der grössten Fachleute auf seinem Gebiet gilt, erhielt 29 Ehrendoktorate.

Das Viktor Frankl Seminarzentrum in Wien führt seit 2004 mit umfangreichen Vorträgen, Workshops und Fortbildungen das Erbe seines Namensgebers fort. Dort befindet sich auch das nach eigenen Angaben weltweit erste Viktor Frankl Museum. Besucher sind dort eingeladen, mit dem Begründer der Logotherapie in einen Dialog zu treten, um so ihre eigene Sinn-Welt wahrzunehmen und ihre persönlichen Chancen und Potenziale zu entdecken.

KNA/aps/pko