Israelischer Wahlkampf mit Merkel?

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Foto U.Sahm
Foto U.Sahm
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In Israel ist (wieder einmal) Wahlkampf und von israelischen Linienbussen schaut einen dieser Tage ausgerechnet Angela Merkel an. Will da jemand die deutsche Kanzlerin als Premierministerin?

 

Nein, natürlich nicht. Hier wirbt die Manufacturers Association of Israel (MAI), eine von Israels grössten Lobbygruppen. Der MAI gehören über 2.000 Organisationen und Industriebetriebe an, die für mehr als 95% der Industrieproduktion in Israel verantwortlich sind. Sie ist die Vertretung aller Wirtschaftszweige in Israel: der privaten, der öffentlichen, der Kibbuz- und der Regierungsindustrie. Auf den Busplakaten steht oben in schwarzen Lettern: „Angela Merkel, Deutschlands Regierungschefin.“ Darunter heisst es als Sprechblase der Kanzlerin: „Die deutsche Industrie ist verantwortlich für den meisten Reichtum Deutschlands“. Darunter steht noch die Wahlempfehlung: „Eine echte Führungspersönlichkeit wählt die Industrie“. Darunter das Logo der MAI.

Modi und Macron

Im Internet weist die Vereinigung darauf hin, dass zahlreiche Betriebe Konkurs gemacht hätten und viele Produkte im Ausland produziert würden. Merkel ist nicht die Einzige, die so herumgefahren wird. Gleichzeitig werben Israels Industrien mit einem Bild von Trump auf Lastwagen in Washington. Auch Macron und Modi wurden schon gesichtet. Dass sich Trump und Merkel untereinander nicht grün sind, Modi und Macron ihre eigenen Probleme haben, ist dem MAI dabei gleichgültig, wie die Tatsache, dass die deutsche Industrie nicht immer glücklich ist mit den Entscheidungen ihrer Regierung. In Israel rätselt man jedenfalls, was das Ganze soll und deutsche Touristen wundern sich, im israelischen Wahlkampf der Bundeskanzlerin zu begegnen.

Unten am Bus klebt noch der übliche Zettel: „Wie ist meine Fahrweise?“ Die Telefonnummer, die man dazu anrufen sollte, ist abgerissen.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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