Nahostkonferenz gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien

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Im Januar wurde in Beirut die erste Konferenz über die Verstümmelung weiblicher Genitalien (Female Genital Mutilation, FGM) im Nahen Osten eröffnet.

Die Verstümmelung weiblicher Genitalien kommt am häufigsten in afrikanischen Ländern vor, wo sie den Frauen von Christen, Animisten und Muslimen zugefügt werden kann. Die weibliche Genitalverstümmelung ist keine auf Religion basierende Praxis, auch wenn sie von manchen islamischen Geistlichen legitimiert wird – zu ihnen gehört der ägyptische radikale Priester Yusuf Al-Qaradawi. Doch selbst er erkennt an, dass die vermeintliche Rechtfertigung für die Verstümmelung weiblicher Genitalien unter Muslimen auf schwachen Hadithen (mündlichen Kommentaren) Mohammeds beruht und deshalb nicht als verbindlich betrachtet werden kann. Sie hat keine Grundlage im Koran und fehlt, glücklicherweise, in weiten Teilen der muslimischen Welt.

Mit dem politischen Aufstieg der Muslimbruderschaft in Ägypten, mit der Al-Qaradawi in Verbindung gebracht worden ist, besteht eine reale Gefahr, dass die Verstümmelung weiblicher Genitalien als Merkmal der angeblichen „Re-Islamisierung“ Ägyptens zunehmen wird. Das wäre insofern paradox, als die Verstümmelung weiblicher Genitalien von vielen als vorislamischer Brauch angesehen wird; wenn sie unterstützt würde, wäre das die Rückkehr zu einem kulturellen Handlungsmuster, dem der Islam historisch entgegen getreten ist.

Das Ziel der Konferenz von Beirut, die Aktivisten und Experten aus dem irakischen Kurdistan, Zentralirak, Jemen, Ägypten und Indonesien zusammenbrachte, war es, ein Netzwerk gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien und eine wirksame Strategie zur ihrer Beseitigung einzurichten.

Von den arabischen Ländern ist bekannt, dass die Verstümmelung weiblicher Genitalien auch in Saudi-Arabien, Syrien und im Oman vorkommt; aus dem Iran wurde diese Praxis gemeldet, obwohl schiitische Muslime keine entsprechende Tradition haben. Irakische Behörden leugnen ihre Existenz im arabischen Teil der Republik, aber sie ist besonders verbreitet im irakischen Kurdistan, wo sich religiöse Gelehrte auf eine ausgedehnte Debatte darüber eingelassen haben, ob die Verstümmelung weiblicher Genitalien zulässig sei; einige behaupten, sie sei notwendig. Vergangenes Jahr hat die Regierung des irakischen Kurdistan die Verstümmelung weiblicher Genitalien in einem allgemeinen Gesetz gegen häusliche Gewalt verboten.

Ein Bericht der englischsprachigen Arab News Saudi-Arabiens aus dem Jahr 2005 räumte ein, dass die Verstümmelung weiblicher Genitalien in der südlichen Region des Königreichs üblich sei und sogar in medizinischen Kliniken und Krankenhäusern durchgeführt würde. In Ländern, in denen sie verboten ist, wird sie weiterhin im Geheimen von Hebammen durchgeführt. Der Artikel führte aus, dass es sich bei den von der Hebamme verwendeten Instrumenten um „Glasscherben, den Deckel einer Konservendose, Rasierklingen, Messer, eine Schere oder irgendein anderes scharfes Objekt“ handeln könne. „Diese Geräte werden gewöhnlich nach der Benutzung nicht sterilisiert und häufig wird dasselbe Instrument nacheinander für mehrere Mädchen verwendet. Wenn der betroffene Genitalbereich beseitigt ist, wird das Mädchen vernäht; ihre Beine sind für bis zu 40 Tage verbunden.“

„Diese Prozedur kann ernsthafte Nebenwirkungen verursachen und in extremen Fällen auch zum Tod führen. Ernsthafte Infektionen, Abszesse und kleine gutartige Tumore, Blutungen, Schock und klitorale Zysten können folgen… Zu den langfristigen Auswirkungen dieser Prozedur gehören auch Nierensteine, Sterilität, sexuelle Funktionsstörungen, Depression, verschiedene Infektionen der Harnwege sowie gynäkologische und Entbindungsprobleme.“

Dr. Nasr Khabbaz, ein Kinderchirurg an der Kinder- und Entbindungsklinik in Dschidda, sagte anschliessend der Arab News, er habe Mütter befragt, die Opfer weiblicher Genitalverstümmelung seien, und „viele von ihnen lehnen es ab, sie an ihren Töchtern durchzuführen … aber es ist für sie nicht leicht, die Väter davon zu überzeugen, es nicht zu tun“.

Opfer einer extremen Verstümmelung, bei der das Sexualorgan fast völlig verschlossen wird, müssen sich nach der Hochzeit bisweilen einer zweiten und dritten vaginalen Schneideprozedur unterziehen, um Geschlechtsverkehr mit ihren Ehemännern zu ermöglichen und um gebären zu können. In allen Fällen ist das Risiko ernsthafter Schäden für die Gesundheit nicht zu leugnen.

Die Teilnehmer der Konferenz in Beirut haben vorgeschlagen, dass von Bürgerinnen und Bürgern wie staatlichen Behörden im Nahen Osten ebenso wie von internationalen Organisationen sechs Richtlinien durchgesetzt werden sollen:

1. Sie fordern die Regierungen im Nahen Osten auf, die Verstümmelung weiblicher Genitalien (FGM) als einen groben Verstoss gegen die Menschenrechte anzuerkennen.

2. Sie fordern, dass die regionalen Verwaltungen die Verantwortung für die Aufzeichnung empirischer und statistischer Information über weibliche Genitalverstümmelung  (FGM) übernimmt.

3. Sie bestärken lokale zivilgesellschaftliche Gruppen, in jedem Land Daten über die Verstümmelung weiblicher Genitalien (FGM) zu sammeln.

4. Sie unterhalten ein regionales Netzwerk gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien (FGM).

5. Sie üben Druck auf die UN aus, die Verstümmelung weiblicher Genitalien (FGM) im Nahen Osten anzusprechen.

6. Sie appellieren an die UN, die Europäische Union und die Regierung der USA, die Abschaffung der Verstümmelung weiblicher Genitalien (FGM) als eine Grundlage bei ihren diplomatischen Beziehungen mit dem Nahen Osten mit einzubeziehen.

Wie von der Weltgesundheitsorganisation erklärt, verletzt die Verstümmelung weiblicher Genitalien die Rechte weiblicher Minderjähriger sowie erwachsener Frauen. Sie verstärkt bestehende Geschlechterungleichheit als eine gewalttätige Ausdrucksform von Diskriminierung gegenüber Frauen.

Gemässigte und traditionelle muslimische Geistliche, Gelehrte und Führer sollten sich der Kampagne anschliessen, um die Welt von dieser schändlichen Praxis zu befreien. Sie sollten die in der Konferenz von Beirut formulierten Ergebnisse und Grundsätze bestätigen und ausbauen.

Gekürzte Übersetzung der Originalversion: Middle East Conference Against Female Genital Mutilation by Irfan Al-Alawi © Stonegate Institute, January 31, 2012