Mehrheit und Minderheiten der arabischen Welt (Teil 2)

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Karte der arabischen Welt Foto: WeedWagon/wikimedia.org

In den arabischen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas leben 355 Millionen Menschen. Etwa 75 bis 80 Prozent von ihnen sind sunnitisch-muslimische Araber. Zu den Minderheiten gehören allerdings auch sunnitische Muslime, die keine Araber sind – wie die Kurden –, und arabische Minderheiten, die keine Muslime sind – wie die Christen in Syrien und im Irak. Die Liste der Minderheiten ist besonders lang, Dutzende von ethnischen, nationalen, religiösen und Stammesgruppen gehören dazu. Die wichtigsten unter ihnen sind folgende:

Die Kurden sind eines der alten Völker des Nahen Ostens. Kurdisch ist eine indoeuropäische Sprache, keine semitische und also auch keine arabische. Obwohl sie islamisiert wurden, haben die Kurden ihre Einzigartigkeit und ihre Sprache bewahrt. In der Vergangenheit gehörten sie zur sunnitischen Mehrheit und beteiligten sich aktiv an den Kriegen der Araber und des Islam. Saladin, der Jerusalem von den Kreuzfahrern zurückeroberte, war Kurde. Gleichzeitig sahen sich die Kurden immer als eigenständige, nichtarabische Gemeinschaft. Etwa acht bis neun Millionen Kurden leben im Irak und in Syrien, zusammen mit den Kurden in der Türkei und im Iran sind es 20 bis 25 Millionen Menschen.

Die Berber sind die ursprünglichen Völker Nordafrikas. In alten Zeiten hatten die Berber Kontakte mit Juden und Christen, und einige konvertierten. Mit der arabischen Eroberung des 7. und 8. Jahrhunderts wurden sie islamisiert und kämpften sogar zusammen mit den Arabern bei der Eroberung Spaniens. Radikal islamische Dynastien entstammen den Berbern,  wie die Almohaden, die Nichtmuslime massakrierten. Auf der anderen Seite gab es auch gelegentliche Revolten, die ihnen ihre Einzigartigkeit erhielten. In ihrer überlebenden Sprache, Tamazight, nennen sie sich Imazighen (Singular: Amazigh); diese Sprache gehört zur afroasiatischen Gruppe. Die Berber sind keine Araber. Sie machen 40 bis 45 Prozent der Bevölkerung Marokkos aus, 20 bis 25 Prozent in Algerien und fünf bis zehn Prozent sowohl in Libyen als auch in Tunesien: insgesamt sind es 20 bis 25 Millionen Menschen.

Beträchtliche christliche Bevölkerungsgruppen gibt es in Ägypten, dem Irak, Syrien, Libanon, Jordanien, Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten, insgesamt 18 bis 20 Millionen Menschen. Die Kopten in Ägypten sind ein separater Zweig orthodoxer Christen, die zehn bis zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Ihre Sprache entwickelte sich aus der altägyptischen und ähnelt der, die zur Zeit der Römer gesprochen und geschrieben wurde. Sie wird heute hauptsächlich bei religiösen Zeremonien verwendet. Trotz Diskriminierung und Verfolgung, die auch unter Mubarak fortbestanden, hat diese Gemeinschaft ihre Religion über 1.400 Jahren arabisch-islamischer Herrschaft bewahrt.

Andere in den Ländern der Region lebende Christen sind Armenier (etwa eine Million Menschen), Assyrer, Chaldäer, Griechen und andere, die zu zahlreichen Gruppen und Untergruppen gehören. Viele von ihnen betrachten sich selbst nicht als Araber und werden von den Muslimen verfolgt, sodass es erhebliche Emigrationsbewegungen in westliche Länder gibt.

Die Schiiten sind muslimische Araber, doch auch sie sind eine aus theologischen und politischen Gründen verfolgte Minderheit. Etwa 15 Prozent der Gesamtbevölkerung der arabischen Staaten gehören zu ihnen, gegenwärtig etwa 35 Millionen Menschen. Im Irak und in Bahrain stellen sie die Mehrheit; in Libanon sind sie nun die grösste Gemeinschaft. In Jemen bilden sie etwa 30 Prozent der Bevölkerung. Grosse schiitische Minderheiten gibt es ausserdem in Kuwait und Saudi-Arabien. Die meisten Schiiten im Nahen Osten gehören den Zwölfer-Schiiten an; sie glauben, dass der zwölfte Imam seit Imam Ali am Jüngsten Tag wiedererscheinen wird. Eine andere schiitische Strömung, die Siebener-Schiiten, glauben an den siebten Imam.

Die Drusen leben in Syrien, im Libanon und Israel, insgesamt sind es 1,5 Millionen Menschen. Sie betrachten sich selbst als Araber. Obwohl ihre Herkunft im Islam gründet, werden sie nicht als Muslime angesehen.

Die Alawiten machen etwa zwölf Prozent der syrischen Bevölkerung aus, das sind ungefähr 2,5 Millionen Menschen. Sie leben im Nordwesten des Landes; einige auch in der Türkei. Während sie sich selbst als schiitische Gruppe der zentralen Zwölfer-Strömung betrachten, werden sie als Ketzer angesehen, weil zu ihrem Glauben Elemente gehören, die im Widerspruch zum islamischen Monotheismus stehen, und von den Schiiten werden sie gemieden.

Am Vorabend der Gründung Israels im Jahr 1948 gab es ungefähr eine Million Juden in den arabischen Staaten. Als sich der Konflikt in Palästina in den 1940er-Jahren verstärkte, kam es in einer Reihe von arabischen Staaten zu Pogromen, und Juden haben sie verlassen. Nach der Staatsgründung Israels wurden Juden zur Auswanderung gezwungen, und innerhalb weniger Jahre hatten die arabischen Staaten jüdisches Leben eliminiert, das seit tausenden von Jahren in der Region seinen Ort gehabt hatte. Kleine jüdische Bevölkerungsanteile gibt es noch in Marokko und Tunesien.

Weitere Minderheiten, die erwähnt werden sollten, sind die Bahai, Turkmenen, Tscherkessen, Charidschiten, Nubier, die Jesiden im Irak und christliche und pagane schwarzafrikanische Stämme in Mauretanien und Marokko.

Zvi Mazel, Mitglied des Jerusalem Center for Public Affairs, ist früherer israelischer Botschafter in Ägypten sowie in Schweden und Rumänien.

Der hier veröffentlichte Beitrag (Teil 2)  ist ein Auszug der Originalversion: Majority and Minorities in the Arab World: The Lack of a Unifying Narrative By Zvi Mazel © Jerusalem Center for Public Affairs, Jerusalem View Points No. 586, January 2012.

Hier Teil 1 (Analyse)