Die Türkei und die Hamas

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Istanbul
Istanbul, Blick über den Bosporus Foto: © istock/Poula Hansen

Ist die Türkei dabei, die Hamas vom Iran käuflich zu erwerben? In einem Medienbericht ist davon die Rede, dass „ein hochrangiges HamasMitglied der Zeitung Al-Sharq am Donnerstag mitteilte“, die Türkei habe sich „mit dem Projekt einverstanden erklärt, die Hamas zu unterstützen und den Gazastreifen wiederaufzubauen. Dieser Person zufolge wird die Hamas in den nächsten Wochen ein offizielles Büro in der Türkei eröffnen“. Ich habe weitere Berichte gelesen, die andeuten, dass die Türkei als grösste HamasFinanzquelle an die Stelle des Iran getreten sei und ihr für die nächsten Jahre 300 Millionen US-Dollar zugesagt habe.

Das wäre eine in vielerlei Hinsicht bedeutsame Entwicklung. Im Zusammenhang mit den Beziehungen der Türkei zum Iran und Syrien spiegelt sie den erwarteten Untergang des Assad-Regimes in Damaskus und die damit einhergehenden Probleme für die Hamas wider, die dort lange ihren Hauptsitz hatte. Wenn Assad nicht mehr da ist und die Stellung des Iran in Syrien geschwächt, braucht die Hamas eine neue Sponsor- und Schutzmacht, und die Türkei kann diese Rolle übernehmen. Für die Türkei läge darin ein offensichtlicher Vorteil gegenüber ihrem Rivalen Iran um den Einfluss in der arabischen Welt und im Wettkampf mit Israel.

Was aber verlangt die Türkei von der Hamas, die sowohl von den USA als auch von der EU als Terrorgruppe qualifiziert wird? Nichts, was offensichtlich wäre. Vorerst feuert die Hamas keine Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab, aber ob der türkische Ministerpräsident Erdogan von der Hamas als Gegenleistung für die Unterstützung beispielsweise gefordert hat, dem Terror abzuschwören oder das antisemitisches Gift aus ihrer Charta zu entfernen, ist nicht bekannt. Angesichts von Erdogans Einstellung gegenüber Israel scheint es eher unwahrscheinlich. Sollte die Hamas eine neue Terrorwelle gegen Israel lostreten, könnten die Türken ihr neues Bündnis als peinlich empfinden, das nicht nur die Beziehungen zu Israel, sondern auch die zu den USA und der EU komplizierter macht.

Es ist ein schlauer Schritt von der Hamas gewesen, solange der türkische Stern aufgeht und Erdogan das Sagen hat. Es ist weitaus besser, einen sunnitischen Sponsor mit zunehmendem Einfluss zu haben als einen schiitischen Zahlmeister, der international ein Paria ist und zunehmend mit Sanktionen zu kämpfen hat. Man kann sich wundern über den Einfluss der neuen türkischen Rolle auf die interne Dynamik der Hamas, wo die Hierarchie in Gaza anscheinend die einstmals dominanten Aussenseiter, geführt von Khaled Mashal aus Damaskus, zur Seite drängt. Unterstützt die Türkei diese Entwicklung, finanziert sie sie? Wird sie die Hamas zu Wahlen drängen, die nun für den 4. Mai angesetzt sind? Wird sie die Hamas dazu bringen wollen, sich der PLO anzuschliessen (nun, dafür braucht es nicht allzu viel) und Verhandlungen mit Israel zuzustimmen?

Meiner Ansicht nach rückt die Friedensperspektive durch eine türkische Unterstützung der Hamas in weitere Ferne. Israel wird nicht mit einer PLO verhandeln, deren Führungsmitglieder auch  HamasTerroristen sind. Zudem hat es nicht den Anschein, dass die Türkei als Preis für ihre Unterstützung tiefgehende Veränderungen innerhalb der Hamas verlangt. Es sieht danach aus, dass dieser Schritt mehr mit Erdogans Bestreben nach Macht und Einfluss zu tun hat und mit der Suche der Hamas nach einem Ersatz für den Iran und Syrien – nicht aber mit einer Friedensregelung zwischen Israel und den Palästinensern.

 

Vom CFR.org. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung. Für weitere Analysen und Blogeinträge über den Nahen Osten und Aussenpolitik, besuchen Sie CFR.org.

Originalversion: Turkey and Hamas by Elliott Abrams © Council on Foreign Relations. January 27, 2012. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.