Heiligabend in Bethlehem

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Foto: (C) Ulrich Sahm

An Heiligabend wird es in Bethlehem kalt und stürmisch werden. Nach kühlen Tagen mit stechender Wintersonne ohne Regen ist für Samstag den 24. Dezember auf dem Hermonberg sogar Schnee angesagt; und in den Trockentälern der judäischen Wüste, gleich hinter Bethlehem, Sturzfluten.
In den vergangenen Tagen haben sich dennoch Bethlehem und die benachbarten christlichen Nachbarorte mit viel Liebe zum Weihnachtsfest gerüstet. Über den Strassen hängen mehr Leuchtketten mit dem geschweiften „Stern von Bethlehem“ und den Konturen von Weihnachtsmännern als in früheren Jahren. Auch die von Japan nach dem israelischen Einmarsch von 2002 gestifteten Strassenlampen im Stil geschwungener Dächer buddhistischer Pagoden sind behängt mit bunten Lichterketten.

Vor dem Laden „Jumana“ lockt normalerweise ein fünf Meter hoher wohlbeleibter Santa Claus aus Plastik die Kunden an. Drinnen gibt es jeglichen erdenklichen Weihnachtskitsch „Made in China“. In diesem Jahr tummeln sich auf dem Bürgersteig der „Papst Paul VI“ Strasse vor Jumana vier weitere lebensgrosse Weihnachtsmänner aus Plastik.

Wie im Heiligen Land üblich, steht neben einer christlichen Kirche oder Heiligen Stätte eine Moschee, oft mit einem alles überragenden Minarett. Entsprechend steht gegenüber der Geburtskirche am Krippenplatz die Omarmoschee, benannt nach Omar (Umar) ibn al-Khattab (581–644). Nach seiner Eroberung Jerusalems reiste er im Jahr 637 nach Bethlehem. Dort verkündete er ein Gesetz, das der Geburtskirche und ihren Geistlichen „Respekt und Sicherheit“ garantiert. Nur vier Jahre nach dem Tode des Propheten Muhammad soll Omar an jener Stelle gebetet haben, wo 1860 die heutige Moschee errichtet worden ist. Das Grundstück für den Bau der Moschee habe die Griechisch-Orthodoxe Kirche gestiftet. Manche halten die Moschee für ein Zeichen des „friedlichen Zusammenlebens der Religionen“ in Bethlehem. Doch sowie der Muezzin ohrenbetäubend laut zum Gebet aufruft, musste selbst der Papst seine Messe auf dem Krippenplatz unterbrechen.

Foto: © Ulrich Sahm

Ohne Politik läuft nichts in Bethlehem. Einige Jahre lang war der 2004 verstorbene Jassir Arafat aus dem Stadtbild fast völlig verschwunden. Plakate mit seinem Abbild waren zerrissen. Doch der ehemalige Präsident der Palästinenser erlebt inzwischen eine Wiederauferstehung. Die Fassade der Omarmoschee ist behängt mit einem etwa 10 Meter hohen Monumentalbild des toten Führers. „Lasst uns bei Arafat wieder treffen“ rufen sich Touristen zu, ehe sie durch den Basar der Altstadt schlendern, um Andenken einzukaufen.

Die Mauer "rund um Bethlehem" endet mitten in der Landschaft Foto: © Ulrich Sahm

Auf dem Krippenplatz, vor Geburtskirche, Omar-Moschee und dem „Friedenszentrum“, präsentieren in diesem Jahr palästinensische Künstler ihre Installationen. Rana Bishara kündigte für Donnerstag einen “Mauerbaum” an, womit sie das Konzept des Weihnachtsbaumes mit dem “belagerten Volk” und der Wirksamkeit eines (Israel-) Boykotts verknüpfen will.  “Über 63 Jahre lang (seit der Gründung Israels 1948) zelebrieren die Nationen der Welt Hoffnung und Wohlstand, während die Freiheit des palästinensischen Volk durch das Apartheid-Regime Israels zerquetscht bleibt.”

Der französische Künstler Stéphane Driviere installierte einen „minimalistischen Weihnachtsbaum“ aus Stacheldraht, auf einem Bett aus verbranntem Gras und einem israelischen Zementblock. Auf dem Baumwipfel hält eine „Friedenstaube“ ein Plakat mit einem Boykottaufruf gegen Israel im Schnabel. So kann in Freiheit unter der palästinensischen Regierung im autonomen „von der Apartheidmauer völlig umgebenen“ Bethlehem gegen die „harsche israelische Okkupation“ demonstriert werden. Wen kümmert es, dass die Mauer lediglich 1,3 Kilometer lang an der Grenze zu Jerusalem steht, während Bethlehem nach Osten, Süden und Westen völlig offen ist und die Strassensperren schon vor Jahren weggeräumt worden sind.

Der Höhepunkt des „Heiligen Abends“ in Bethlehem findet schon in den Mittagsstunden statt, wenn der lateinische Patriarch mit einer bunten Prozession feierlich einzieht, von trommelnden und Fahnen tragenden Pfadfindern begleitet, während Franziskaner Spalier stehen.

Religiöser Höhepunkt ist traditionell der in alle Welt live per Fernsehen übertragene Weihnachtsgottesdienst. Doch der findet nicht in der Geburtskirche statt, sondern in der benachbarten modernen St. Katharinenkirche. Nur wer sich rechtzeitig ein Ticket besorgt hat, erhält Einlass.

Die Lateiner habe nur beschränkte Rechte in der Grotte, wo Jesu Krippe gestanden habe, markiert durch einen silbernen Stern mit der lateinischen Inschrift: „Hic de virgine Maria Jesus Christus natus est“. Jener Stern hat übrigens Geschichte gemacht. Sein Diebstahl 1847 löste den Krimkrieg zwischen Russland auf der einen und dem Osmanischen Reich, Frankreich sowie Großbritannien  auf der anderen Seite aus.

Das wahre Weihnachten steht in Bethlehem noch bevor. Nur die westlichen Kirchen feiern am 24. Dezember. Die Orthodoxen begehen die Geburt Jesu gemäss ihrem Kalender am 6. Januar und die Armenier erst am 18. Januar.

© Ulrich W. Sahm

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