Ägypten: Freilwillig in die Krise

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Am Sonntag beginnt in Kairo ein Prozess gegen 43 Mitarbeiter internationaler Organisationen, die im Land am Nil demokratische Aufbauarbeit leisteten. Sie sollen Teil einer Kabale sein, um Ägypten zu destabilisieren. Populisten feuern mit dem Prozess anti-westliche Ressentiments an.

 

Vor einem Jahr wäre noch undenkbar, dass Sam Lahood, der Sohn des US-Transportministers Ray  Lahood, wochenlang in der US-Botschaft in Kairo Zuflucht vor der Willkür der Justiz suchen muss. Doch ein Gerichtsverfahren, das am Sonntag beginnen soll, zeigt, dass Ägypten, einst ein verlässlicher Verbündeter des Westens, sich seit der Revolution und dem Sturz des Diktators Husni Mubarak stark verändert hat. Der Prozessbeginn läutet eine schwere aussenpolitische Krise ein.

Im Dezember 2011 durchsuchte die ägyptische Polizei die Büros von 17 Nichtregierungsorganisationen, darunter ausländische Stiftungen, die seit Jahrzehnten Demokratie in Ägypten fördern. Jetzt werden 43 Mitarbeiter bezichtigt, „ungenehmigte Zweigstellen internationaler Organisationen eingerichtet und ausländische Gelder akzeptiert zu haben, die Ägyptens Souveränität verletzten.“ Unter den Angeklagten befinden sich 19 Amerikaner und der deutsche Leiter des Kairoer Büros der Konrad Adenauer Stiftung Andreas Jacobs sowie dessen Mitarbeiterin Christina Baade.

Machthabende Militärs bezichtigen die Opposition immer wieder, eine „ausländische Agenda“ zu verfolgen, ein Gegenargument zu deren Kritik am mangelnden Demokratiebestreben der Armee. Auch Politiker wollen aus anti-westlichen Ressentiments Kapital schlagen. Die Anklage basiert zum Teil auf den Verschwörungstheorien Faisa Abu Nagas, Ministerin für internationale Kooperation: Beweise zeigten „einen klaren Wunsch zu verhindern, dass Ägypten zu einem modernen und demokratischen Staat mit einer starken Demokratie wird, weil das die grösste Gefahr für amerikanische und israelische Interessen ist“, sagte Naga aus.

Von stichfesten Beweisen kann kaum die Rede sein. Aktivisten wird vorgeworfen, die Büros über 30 Jahre lang illegal betrieben zu haben; den Organisationen, sie hätten Ägypten in vier Teilstaaten zerschlagen wollen. Der Vorwurf basiert auf einer Landkarte von Wikipedia, die auf einem Computer gefunden wurde und die die vier Regierungsbezirke Ägyptens zeigt. Die USA und Israel hätten 36.5 Millionen Euro ins Land geschmuggelt, um Ägypten zu destabilisieren, so die Klage. Die Aktivisten hätten mit der CIA kooperiert um „religiöse Spannungen zwischen Kopten und Muslimen anzuheizen“, und so den Interessen der „jüdischer Lobbyisten“ zu dienen.

Westliche Staaten übten auf höchster Ebene Druck aus, aber selbst Drohungen von US-Präsident Barack Obama, Bundesaussenminister Guido Westerwelle und zahlreichen anderen Politikern konnten den Prozess nicht aufhalten. Der US-Kongress will inzwischen die Militärhilfe in Höhe von rund US$ 1,5 Mrd. streichen. Die Ägypter beeindruckt das nicht. Prompt gründeten islamische Stiftungen einen „Spendenfond für Würde und Stolz“, der die Gelder aus den USA ersetzen und Ägyptens Souveränität bewahren soll. Bisher gingen aber lediglich US$ 10 Millionen ein. Die Muslimbrüder erwiderten Amerikas Drohung und sagten, man würde den Friedensvertrag mit Israel annullieren, falls Washington die Gelder streiche. Geht der Prozess trotz aller Warnungen wie geplant voran, kann dies als klares Indiz dafür dienen, wie wenig Einfluss den USA noch in Ägypten verblieben ist, trotz langjähriger Beziehungen und eines immensen finanziellen Aufwands.

Über Gil Yaron

Dr. Gil Yaron ist Buchautor, Dozent und Nahostkorrespondent der Tageszeitung und des Fernsehsenders WELT, sowie der RUFA, der Radioabteilung der dpa. Er schreibt ebenso für die Straits Times in Singapur, und arbeitet als freier Analyst in zahlreichen Fernsehsendern.

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