Wohin mit Ägyptens säkularen Kräften?

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Dr. Amr Hamzawy By Lilian Wagdy via Wikimedia Commons

Am 23. Januar 2012 fand die Eröffnungssitzung in Ägyptens von Islamisten dominiertem Parlament statt. Am 25. Januar 2012 wurde der erste Jahrestag von Mubaraks Sturz begangen. Ägyptens säkulare Kräfte werden diese Tage darüber nachdenken, wie sie die Revolution, die sie mit ausgelöst haben, verlieren konnten, und was geschehen sollte, um dem Aufstieg des Islamismus in Ägypten Einhalt zu gebieten.

Säkular eingestellte Ägypter sollten nicht zu streng sein mit sich selbst – es ist noch nicht alles verloren. Es ist ein Erfolg für sie, dass die Muslimbruderschaft sich von der Ermordung des ägyptischen Ministerpräsidenten im Jahr 1948 und der Einrichtung von Dschihad-Ausbildungslagern in den 1940er-Jahren so weit entwickelt hat, nun den Weg der parlamentarischen Demokratie zu beschreiten. Dass in der Bruderschaft grössere Pluralität herrscht, ist in hohem Masse ein Zeugnis für den Einfluss des ägyptischen liberalen Säkularismus während der vergangenen sechs Jahrzehnte.

Trotzdem können sich Ägyptens säkulare Kräfte nicht „Säkularisten“ nennen – dieser Begriff klingt zu sehr nach Atheismus, und das Risiko wäre zu hoch, darüber den strategischen Kommunikationskampf bei den Massen zu verlieren. Da ist es wenig überraschend, dass die meisten Nichtislamisten sich selbst als „Liberale“ bezeichnen. Doch auch dieser Begriff ist zunehmend unnütz und alles andere als ein Bekenntnis. Jedenfalls gibt es die Tendenz, nichtislamistische ägyptische muslimische Liberale nur als Kritiker zu sehen, die sich mehr über ihren Widerstand gegen die Islamisten definieren als über die eigenen Standpunkte. Das mag für viele bequem und beruhigend sein, aber es ist keine Strategie, mit der das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und schliesslich Macht zu erlangen ist.

Ägyptens Liberale haben einen langen Weg zur Einigung vor sich, bis sie überzeugende Botschaften zur wirtschaftlichen Entwicklung und politischen Freiheit präsentieren können, mit denen sie die Muslimbruderschaft ausstechen könnten. In dieser entscheidenden Phase sollten Ägyptens Liberale politischen Parteien beitreten und die politische Ochsentour durchlaufen, mit der sich Herzen und Gemüter gewinnen lassen, anstatt sich ausschliesslich dem Widerstand gegen die Islamisten zu widmen und den USA gegenüber kritischer zu werden, weil diese ein demokratisch gewähltes Parlament unterstützen.  Wenn der Aktivismus nur auf Facebook und Twitter stattfindet, sind damit keine Wahlen zu gewinnen: Netzwerke, Identifizierungsangebote, Ressourcen und Führungsrollen sind entscheidend.

Solange Ägyptens verschiedene Nichtislamisten keine überzeugende Alternative bieten können, müssen wir uns für mehrere Regierungsperioden auf Formen der islamistischen Herrschaft vorbereiten. Dem Westen die Unterstützung der Islamisten vorzuwerfen enthebt die Liberalen von ihrem eigenen Angebot einer glaubwürdigen Alternative.

Vom CFR.org. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung. Für weitere Analysen und Blogeinträge über den Nahen Osten und Aussenpolitik, besuchen Sie CFR.org.

Originalversion: Where Next for Egypt’s Secularists? by Ed Husain © Council on Foreign Relations, January 24, 2012. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.