Wahlen in Marokko: Weiterer Triumph der islamistischen Bewegung

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Das PJD-Emblem

In Marokko hat die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) die am 26. November 2011 abgehaltenen Wahlen gewonnen; sie hat 107 der 395 Sitze im Parlament gewonnen. Die PJD ist der politische Flügel der Bewegung für Gerechtigkeit und Spiritualität, die in Marokko die Muslimbruderschaft repräsentiert. Ihren Chef Abdelilah Benkirane als dem Anführer der grössten Partei wird König Mohammed VI. in Folge einer Verfassungsänderung mit der Regierungsbildung betrauen. Der Sieg der PJD ist kurz nach dem Sieg der Ennahda-Bewegung bei den tunesischen Wahlen ein weiterer Triumph für die islamistische Bewegung im „Arabischen Frühling“.

Auch in Ägypten, wo die dreistufigen Wahlen am 28. November 2011 begannen, hat die Muslimbruderschaft eine Chance, beträchtlich an Stimmen zuzulegen. In Syrien wird die Muslimbruderschaft, die für den Sturz des alawitischen Regimes von Assad kämpft, von der Türkei unterstützt, die in ihr eine Alternative zur bestehenden Regierung sieht. In Libyen hat sich die neue Regierung vorgenommen, die Scharia zur Grundlage für die Gesetzgebung zu machen. Im Jemen spielten die islamistischen Bewegungen eine zentrale Rolle in der Revolte gegen die Herrschaft Ali Abdallah Saleh. Und bereits Im Jahr 2006 triumphierte die ebenfalls mit der Muslimbruderschaft in Verbindung stehende Hamas-Bewegung bei den Wahlen der Palästinensischen Autonomiebehörde und hat seitdem ihre Herrschaft im Gazastreifen verfestigt.

Diese nationalen Zweige der Muslimbruderschaft sind vollwertige Partner, wenn es um die Ideologie der weltweiten Bewegung geht. Jeder hat dabei jedoch die Handlungsfreiheit, eigene Strategien im Hinblick auf die spezifischen politischen Verhältnisse zu entwickeln. In Marokko entschied sich die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, die extreme islamistische Botschaft herunterzuspielen und sich hauptsächlich auf den Kampf gegen Korruption und auf die Verbesserung der ökonomischen Situation zu konzentrieren. Ihr Wahlprogramm erklärte in seinem kurzen politischen Abschnitt, dass die Partei vorhabe, den Dialog und die Zusammenarbeit mit allen Staaten der EU und mit Kanada zu stärken, während sie für Marokkos Beziehungen zu den USA eine angemessene Diplomatie verfolgen und nationale Interessen schützen wolle. Die Formulierung im Hinblick auf Israel war zurückhaltend und enthielt eine Bestätigung des „Rechts des palästinensischen Volkes zur Selbstbestimmung und die Errichtung seines unabhängigen Staates, dessen Hauptstadt Jerusalem ist“.

Doch die ideologische Plattform der Mutterpartei, der Bewegung für Gerechtigkeit und Spiritualität, enthüllt ihr wahres islamistisches Gesicht. Von den Zielen der Bewegung heisst es, dass sie danach strebe, die islamische Religion in den Herzen des Einzelnen, der Familie, der Gesellschaft, des Staates und der Umma [der weltweiten islamischen Gemeinschaft] zu verankern und dazu beizutragen, den Islam in der ganzen Welt zu verbreiten. Ihre unmissverständliche Unterstützung für den bewaffneten Kampf gegen Israel machte die Bewegung im Zusammenhang der Zweiten Intifada und den Terroranschlägen gegen US-Truppen im Irak deutlich. Sie sprach von der „zionistischen und amerikanischen Aggression“ als „der grössten und gefährlichsten Erscheinungsformen des Terrors, die die moderne Geschichte kennt“.

In den vergangenen Jahren hat der Kopf der PJD und designierte Ministerpräsident Benkirane scharfe antiisraelische Äusserungen verlauten lassen, die Israel das Existenzrecht absprechen und den bewaffneten Kampf gegen das Land befürworten. Benkirane hat zusammen mit zahlreichen anderen muslimischen religiösen Gelehrten zwei Manifeste unterzeichnet, die offen die Unterstützung des Dschihads verkünden als einzigen Weg, Palästina in seiner Gesamtheit zu befreien, und eine feindselige Haltung  den USA gegenüber fordern.

Die Berichte der Medien über den Sieg einer „moderaten“ Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung bei den marokkanischen Wahlen bringen die Ideologie dieser Partei nicht angemessen zum Ausdruck. Die angebliche „Mässigung“ ist eine Taktik, die darauf abzielt, politisch Fuss zu fassen, eine Option, um in der Regierungsverantwortung dann die Bereitschaft der Öffentlichkeit für eine islamische Jurisprudenz als Grundlage von Verfassung und Gesetzen des Landes zu erhöhen.

Kurzfassung der Originalversion: A Wolf in Sheep’s Clothing: The Victory of the Islamist Justice and Development Party in Morocco by Jonathan D. Halevi © Jerusalem Center for Public Affairs, November 28, 2011