Wie man die Türken zum Freund macht. Oder auch zum Feind.

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Recep Tayyip Erdogan

Die Kardinalregel türkischer Aussenpolitik ist ganz geradeheraus: Die Türkei liebt Länder, die sie bei ihrer Auseinandersetzung gegen die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) unterstützen, und verachtet solche, die sie für ihre Helfer hält. Es ist wirklich sehr einfach: Die „PKK-Brille“ bestimmt den Blick der Türkei auf die Welt.

Nachdem Ankara den früheren PKK-Anführer Abdulla Ocalan 1999 gefangen genommen hatte, stellte die Partei für einige Jahre keine grosse Bedrohung mehr dar, und die Türkei legte die PKK-Linse beiseite. Nach den erneuten Angriffen der PKK jedoch (seit Juni hat sie 73 Personen getötet) bestimmt sie wieder die türkische Weltanschauung.

Länder, die die Freundschaft der Türkei suchen, werden dabei am meisten Erfolg haben, wenn sie ihr gegen die PKK helfen; und der Eindruck, der dabei erweckt wird, zählt genauso viel wie tatsächliche Aktionen gegen die PKK.

Die USA beispielsweise haben es hier mit einem Dilemma zu tun: Sie haben der Türkei mit grösstmöglicher Unterstützung gegen die PKK geholfen. 1997 haben sie die PKK als Terrororganisation eingestuft und, noch viel wichtiger, sie haben bei der Festnahme Ocalans 1999 mitgewirkt. Ausserdem bieten die USA der Türkei nachrichtendienstliche Unterstützung gegen diese Gruppe. Wenn man aber einen Türken nach der PKK-Politik der USA fragt, wird dieser der Meinung sein, die USA unterstütze die PKK. Diese verzerrte Sicht ist vor allem auf den Beginn des Irak-Krieges zurückzuführen. Damals waren die USA zu beschäftigt mit der Bekämpfung von irakischen Aufständischen, um gleichzeitig gegen die PKK im Nord-Irak vorgehen zu können. Es kam zu PKK-Terrorangriffen auf die Türkei aus dem Irak, und voreilig schlussfolgerte die Türkei, dass die USA diese Organisation unterstütze, indem sie die Anschläge nicht verhindere. Nachdem sie die irakischen Aufstände 2007 bezwungen hatten, wandten sich die USA mit mehr nachrichtendienstlichen Hinweisen den PKK-Angriffen zu, die aus dem Irak verübt worden waren, aber da war es bereits zu spät. Die „PKK-Brille“ war blind für eine veränderte Sicht.

Die USA müssen darum mit ihrer öffentlichen, diplomatischen Informationsarbeit in der  Türkei dafür sorgen, dass die Hilfe und Unterstützung für die Türkei im Kampf gegen die PKK publik wird, auch die bisher noch nicht in der Öffentlichkeit bekannten Aspekte dieser Hilfe.  Gleichzeitig müssen aber auch die türkischen Eliten den USA Anerkennung zollen für ihre Unterstützung gegen die PKK. Das ist der Schlüssel; wenn die PKK-Brille erst einmal das negative Bild eines Landes geformt hat, scheint es die Türken wenig zu kümmern, was aus diesem Land dagegen vorgebracht wird.

Andere Länder können aus dieser Lektion lernen und pro-aktiv dafür sorgen, dass die türkische PKK-Brille ihr Bild nicht negativ einfärbt.

Zum Beispiel Deutschland. Die kürzlich aufgekommenen Behauptungen, deutsche NGOs und sogar die Bundesregierung würden die PKK finanziell unterstützen, können das Bild Deutschlands in der Türkei vergiften, wenn dieses Thema nicht umgehend bearbeitet wird. Sind Beschuldigungen einer PKK-Unterstützung gegen bestimmte Länder erst einmal im Umlauf, dann werden sie – wie die amerikanische Erfahrung zeigt – für aufrecht erhalten gehalten, bis ihre Unschuld bewiesen ist. Das ist das aktuelle deutsche Dilemma mit der Türkei.

Mit einem ähnlichen Problem hat Israel zu kämpfen: Nachdem sich die türkisch-israelischen Beziehungen verschlechtert hatten, wurden in der Türkei Beschuldigungen laut, Israel unterstütze die PKK. Israel muss nun einerseits zeigen, dass solche Behauptungen jeder Grundlage entbehren, und gleichzeitig bei türkischen Entscheidungsträgern um eine deutliche gegenteilige Meinungsäusserung werben – zwei schwierige Aufgaben.

Interessanterweise fürchtet sich auch Syrien vor dem zornigen türkischen Blick durch die PKK-Brille. Tatsächlich könnten sich sogar verheerende Folgen für Syrien ergeben. Nachdem Syrien der PKK jahrelang Unterschlupf gewährte, hörte diese Unterstützung auf, als die Türkei Syrien in den späten 1990er Jahren mit Krieg drohte. Beide Länder sind zu guten Freunden geworden. Heute jedoch verschlechtern sich die türkisch-syrischen Beziehungen erneut. Ankara wendet sich erbittert gegen Präsident Bashir al-Assads brutales Vorgehen gegen die Demonstranten. Sollte Assad sich zum jetzigen Zeitpunkt entschliessen, das Blatt hinsichtlich der PKK wieder zu wenden, würde er damit eine harte türkische Antwort herausfordern -– vielleicht sogar eine militärische Aktion –, die mit der der Brutalität des al-Asad Regimes auch seiner PKK-Politik ein Ende bereiten würde.

Die Türkei ist nicht so kompliziert: Hilf der Türkei gegen die PKK, und ihr seid beste Freunde. Lass zu, dass der Eindruck entstehen kann, du würdest die PKK unterstützen, und die Türkei sieht dich durch die Brille des Zorns.

Soner Cagaptay ist Direktor des Turkish Research Program am The Washington Institute.

Originalversion: How to Make Turks Your Friends, or Enemies by Soner Cagaptay © The Washington Institute for Near East Policy, October 6, 2011 (Hurriyet Daily News, October 6, 2011)