Die alte deutsche Eiche sprosst im Deutschen Pfarrerblatt

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Pfarrerverband

Das Deutsche Pfarrerblatt ist ein über 100 Jahre altes berufsständisches Organ, das jeden Monat nahezu 20.000 evangelische Pfarrer und Pfarrerinnen (auch im Ausland) erreicht. Es ist kein politisches Blatt, weswegen es geboten ist, politische Meinungen unbedingt theologisch oder berufspezifisch einzubetten.  Seit über 100 Jahren wirkt es zur Meinungsbildung deutscher evangelischer Pfarrer (und neuerdings ja auch Pfarrerinnen). Das Blatt hat also eine Geschichte, die in die Nazizeit und die Zeit der Deutschen Christen zurückreicht. Und die ist übel.

Offen, wie es für neue Bewegungen war, hat es schon 1930 dem begeisterten Hitler-Jünger unter den Pfarrern, Friedrich Wieneke, eine Plattform gegeben. Der durfte einen Grundsatzartikel zur Förderung des „arisch-germanischen Menschen“ schreiben, der in der Gestalt der NSDAP-Mitglieder seine Gemeinschaftstreffen mit der Parole „Juda verrecke!“ eröffnete. Pfarrer Wieneke fand das zwar roh, aber unter der „rauen Schale“ findet er gleichwohl „das beste Leben, das je aus der alten deutschen Eiche herauswuchs.“ Hitlers rassistische Ideologie in „Mein Kampf“ – und hier erfüllte Wieneke die Pflicht, alles im Pfarrerblatt in Theologie einzuwickeln – gab er als Offenbarung von „Gottes Schöpfungswillen“ aus. Er stiess auf wenig Widerspruch und durfte sich vieler Zustimmung erfreuen. Wieneke stieg denn auch sehr zügig auf. 1933 wurde er Oberkonsistorialrat in Berlin und Reichsreferent der „Deutschen Christen“.

In der letzten – auch Online zur Verfügung stehenden – Ausgabe des Deutschen Pfarrerblatts hat Pfarrer Vollmer einen Grundsatzartikel veröffentlichen dürfen: „Vom Nationalgott Jahwe zum Herrn der Welt und aller Völker“. Der Titel klingt an Deutsche Theologie unseligen Angedenkens an und hält dieses Versprechen auch in abscheulichster Weise ein. Selten konnte man eine so hasserfüllte antiisraelische und antizionistische Propaganda in einem als seriös geltenden Blatt lesen – geschichtsklitternde Lügen inbegriffen. Juden dürfen nach seiner theologischen Meinung keinesfalls einen Staat haben und sind „Eindringling(e) und Räuber“, die der alteingesessenen Bevölkerung das Land gestohlen hätten, weswegen Gewalt gegen die Juden kein Terror, sondern Widerstand ist. Das war auch seinerzeit  die Meinung des Grossmufti von Jerusalem, der Hitlers Freund war und ihn mahnte, bitte nicht zu vergessen, dass es auch Juden in Palästina gibt, gegen die er noch „Widerstand“ zu leisten habe. Es lohnt sich nicht, den ganzen bösartigen Unfug, den der Pfarrer Vollmer im Deutschen Pfarrerblatt veröffentlichen durfte, hier weiter zu benennen und zurückzuweisen. Man beschmutzt sich nur. Wichtiger ist politisch, dass die Welle der Empörung, die der Artikel ausgelöst hat,  den Herausgebern des Deutschen Pfarrerblatts Anlass ist, das Folgende festzustellen:

„Das Deutsche Pfarrerblatt verstand sich in seiner langen Geschichte schon immer als ‚öffentlicher Sprechsaal’ von Pfarrern und Pfarrerinnen für Pfarrer und Pfarrerinnen. Es besteht darin der Freiraum, theologische Sachdiskussionen zu führen – in aller Freiheit, auch in der Freiheit, mit der eigenen Position auf Widerspruch zu stossen und von anderen korrigiert zu werden.“

Das ist in der Tat historisch richtig. Was Abscheuliches auch immer ein Pfarrer Vollmer über Juden oder Israel denkt und gar aufschreibt, er darf wie Pfarrer Wieneke unseligen Angedenkens 1930 im Deutschen Pfarrerblatt noch heute „in aller Freiheit“ sich zu Wort melden. Freilich nur, weil sein Beitrag Juden, Israel und den Zionismus herabsetzt und schmäht und Geschichtsfälschung betreibt. Denn dafür gibt es ja einen „öffentlichen Sprechsaal“. Die „alte deutsche Eiche“ sprosst im Deutschen Pfarrerblatt.

Ekkehard W. Stegemann

 

Wer das Pamphlet lesen möchte, findet hier den Link: http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/index.php?a=show&id=3030

 

Hier Kritik:

http://heplev.wordpress.com/2011/08/19/mehr-mull-vom-deutschen-pfarrerblatt/

http://heplev.wordpress.com/2011/08/17/evangelischer-theologe-du-sollst-falsch-zeugnis-reden-gegen-die-juden-und-israel-2/

http://heplev.wordpress.com/2011/08/18/evangelischer-theologe-du-sollst-falsch-zeugnis-reden-gegen-die-juden-und-israel-3/

http://www.deutscher-koordinierungsrat.de/01_04_mehr.php?pNUM=1&mID=64

4 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Pfarrer

    Ihnen, der Sie ja ein Theologe sind, wird nicht entgangen sein, dass Pfarrer Dr. Vollmer die Meinung vertritt, dass es einen Staat Israel nicht geben dürfte. Vielmehr sollten die Juden seiner Meinung nach staatenlos leben. Das wäre ihre Bestimmung bzw. Berufung durch Gott.
    Mal abgesehen davon, dass Dr. Vollmer wohl kaum dazu vom Ewigen eingesetzt wurde, darüber zu bestimmen, wie Juden sich selbst verstehen dürfen, ist es geradezu peinlich, wie ein promovierter Alttestamentler dazu auf Texte der Hebräischen Bibel als "Begründung" zurückgreift. Vollmer nennt zwei Texte (Richter 9 und 1. Samuel 8), die die Erklärung eines Staates Israel mit göttlicher Autorität ausscchliessen würden. Das ist jenseits jeglicher Interpretationsoffenheit. Denn in diesen Texten geht es um Kritik an einem Königtum, also an einer bestimmten Regierungsform, aber nicht an einer staatlichen Verfasstheit des jüdischen Volkes. Die ist vorausgesetzt. Solche Fälschungen durch Vollmer mögen unbewusst geschehen sein. Sie sind jedoch bezeichnend für das ganze Pamphlet dieses Autors.
    Mit freundlichen Grüssen

    Ekkehard Stegemann

  2. Sehr geehrter Herr Professor Stegemann,

    in „Über uns“ lese ich bei „audiatur online“: „Es braucht Fakten, nicht nur Meinungen“. In diesem Sinn suche ich in Ihrem Beitrag „Die alte deutsche Eiche sprosst im Pfarrerblatt“ nach Fakten, die in Dr. Vollmers Pfarrerblattartikel zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern übergangen worden sein könnten, z. B. eine Uno-Resolution, die Israel mit dem 6-Tage-Krieg beauftragt. Sie halten sich sehr ausführlich an dem Faktum auf, dass Pfarrer Wieneke vor etwa 80 Jahren im deutschen Pfarrerblatt schreiben durfte und wollen scheinbar daraus ableiten, dass Dr. Vollmer heute so unrecht hat wie damals Pfarrer Wieneke. Dazu müssten Sie aber m. E. belegen, auf welchen faktischen Äußerungen die von Ihnen unterstellte Übereinstimmung beruht. Sie behaupten, Dr. Vollmer biete „geschichtsklitternde Lügen“, stellen jedoch ausdrücklich fest: „Es lohnt sich nicht, den ganzen bösartigen Unfug, den der Pfarrer Vollmer im Deutschen Pfarrerblatt veröffentlichen durfte, hier weiter zu benennen und zurückzuweisen.“ Nach dem Selbstverständnis von „audiatur online“ wäre aber genau dies die Aufgabe. Ihre Weigerung, dieser Aufgabe nachzukommen, legt den Verdacht nahe, dass Sie gar keine Fakten oder überzeugenden Argumente gegen Dr. Vollmers Position anführen können.

    Dr. Vollmer schlägt die Zweistaatenlösung vor. Darauf gehen Sie nicht ein, sie scheinen keinen besseren Vorschlag zu haben. Wenn nicht in diesen Tagen, dann wird doch mittelfristig die Weltgemeinschaft dieser fairen Lösung zustimmen und die israelische Regierung wird erfahren, dass Israel damit besser lebt als bisher. Bei weniger Militärausgaben muss auch der israelische Mittelstand nicht mehr auf die Straße, Ich denke: Sie müssen sich nicht wirklich aufregen. Alles wird gut.

    Mit freundlichen Grüßen

    Friedrich Gehring, Pfr. i. R.

  3. jetzt verstehe ich wie es moeglich war dass dieses pfarrerblatt diesen ungeheuren artikel von vullmer veroeffentlichen konnte. in einem brief an die redakton dieses blattes stellte ich die frage ob sie wohl zur nazizeit im namen des oeffentlichen sprechsal auch solche artikel veroeffentlicht haetten. nun weiss ich es, sie taten es. leider scheint mir zu sein dass es immer noch ewig gestrige in deutschland gibt und das noch in der ev. kirche. wie schlimm! gut dass es auch andere gibt
    meir brom
    jerusalem

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