Jerusalem: Pünktlich zu Chanukka legen Archäologen hasmonäische Stadtmauer frei

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Ein Teil der Hasmonäermauer, der im Tower of David Museum in Jerusalem ausgegraben wurde. Foto Gabriel Volcovich
Ein Teil der Hasmonäermauer, der im Tower of David Museum in Jerusalem ausgegraben wurde. Foto Gabriel Volcovich
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Jerusalem erhält kurz vor Chanukka ein archäologisches Geschenk von aussergewöhnlicher Bedeutung. Bei umfassenden Renovierungsarbeiten im Tower of David Museum ist ein monumentaler Abschnitt der hasmonäischen Stadtmauer freigelegt worden – ein Fund, der die Geschichte der jüdischen Selbstbehauptung in der hellenistischen Epoche unmittelbar sichtbar macht.

Die Entdeckung erfolgte im sogenannten Kishle-Komplex des Museums, wo Israels Antikenbehörde (IAA) seit Monaten für die neue Ausstellung „Schulich Wing of Archaeology, Art and Innovation“ gräbt. Unter meterdicken Schichten aus Stein und Erde kam ein massiver Mauerkörper zum Vorschein, dessen Ausmasse selbst erfahrene Archäologen überraschten.

Ein Bauwerk aus der Zeit der Makkabäer

Der freigelegte Abschnitt gehört zur sogenannten „Ersten Mauer“, die aus der späten zweiten Hälfte des 2. Jahrhundert v. Chr. stammt. Genau jener Epoche also, in der die Makkabäer gegen die seleukidische Herrschaft kämpften und damit die Grundlage für das Chanukka-Fest legten.

Die Mauer ist über 40 Meter lang, rund 5 Meter breit und war einst mehr als 10 Meter hoch, wie die Grabungsleiter Dr. Amit Re’im und Dr. Marion Zindel betonen. Ihre Bauweise aus schweren, sorgfältig bossierten Steinblöcken ist typisch für die hasmonäische Architektur.

Der jüdische Historiker Flavius Josephus beschrieb die erste Mauer als nahezu uneinnehmbar. Sie war mit rund 60 Türmen ausgestattet und durch steile Täler geschützt. Seine Schilderungen decken sich bemerkenswert genau mit den nun freigelegten Befunden.

Warum wurde die Mauer absichtlich zerstört?

Der Fund birgt ein Rätsel: Die Mauer wurde nicht durch Feinde oder durch den Lauf der Zeit zerstört – sondern systematisch und geplant abgetragen. Darauf weisen die Archäologen ausdrücklich hin.

Zwei historische Szenarien kommen infrage:

  • Zerstörung durch die Hasmonäer selbst

Im Jahr 134–132 v. d. Z. belagerte Antiochos VII. Sidetes Jerusalem. Josephus berichtet, dass ein Waffenstillstand mit dem jüdischen Herrscher Johannes Hyrkanos I. vorsah, die Stadtbefestigungen abzutragen, damit die Belagerung aufgehoben werde. Archäologische Funde wie Katapultsteine, Pfeilspitzen und Schleudergeschosse aus früheren Ausgrabungen stützen dieses Szenario. Einige dieser Kampfrelikte sind heute im Tower of David Museum ausgestellt.

  • Zerstörung unter König Herodes

Eine weitere These lautet, dass Herodes die Mauer später entfernen liess, um sich symbolisch von der hasmonäischen Dynastie abzugrenzen und seine eigene Herrschaft architektonisch zu markieren.

Beide Erklärungen bleiben möglich – und geben dem Fund eine zusätzliche historische Tiefe.

Der israelische Minister für Kulturerbe, Rabbi Amichai Eliyahu, spricht von einem „bewegenden Beweis für Jerusalems Stärke und Bedeutung während der Hasmonäerzeit“. Der Fund zeige die historische Kontinuität, die Juden über Generationen hinweg mit der Stadt verbindet.

Auch die Direktorin des Tower of David Museums, Eilat Lieber, betont die Bedeutung des Fundes. Besucher sollen künftig über einem transparenten Boden direkt über den massiven Steinen stehen und die Geschichte der Stadt „hautnah“ erleben.

Ein Fund, der Chanukka im wahrsten Sinne erhellt

Während Jerusalem sich auf das Lichterfest vorbereitet, bekommt die Geschichte der Makkabäer eine neue, greifbare Dimension. Die Mauer, die einst die Unabhängigkeit der jüdischen Bewohner schützte, wird nun Millionen Menschen zugänglich gemacht.

Passend dazu veranstaltet das Tower of David Museum ein spezielles Familienprogramm unter dem Titel „Hanukkah of Heroes“, dass die neu entdeckte Geschichte in den Kontext der Feiertage stellt.

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