Aufstieg und Fall des iranischen Revolutionsmodells

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Khomeini Foto: Wikipedia.org

Nach der Islamischen Revolution konzentrierte sich das iranische Regime auf zwei Ziele: das islamische Regime zu stabilisieren und zu verfestigen und die revolutionäre Ideologie durchzusetzen, die treibende Kraft der Geistlichen war. Ausserdem hatte es den Ehrgeiz, die Revolution im Iran als Vorbild für andere muslimische Gesellschaften zu präsentieren. Revolution und Konzept der „Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten“ (Velayat-e Faqih) als erfolgreiches Modell darzustellen, war jedoch im Laufe der Jahre von wachsenden Herausforderungen begleitet. Seit dem Ausbruch der Revolution und besonders nach dem Tod des Revolutionsführers Ayatollah Ruhollah Khomeini im Jahr 1989 forderten Intellektuelle und Geistliche, dass hochrangige Persönlichkeiten des religiösen Establishments an Staatsgeschäften weniger beteiligt sein sollten; das wurde für die Stellung des Regimes und des Obersten Rechtsgelehrten als deutliche Bedrohung angesehen.

Darum strengte das iranische Regime in den vergangenen Jahren eine umfangreiche Kampagne an, um die Kontrolle über das religiöse Leben im Land zu verstärken. Auswirkungen dieser Kampagne sind die Einschränkung der Freiheit von Geistlichen, die das Konzept der Velayat-e Faqih anfechten, der sich verschärfende Kampf um den Volksislam und den schiitischen Messianismus sowie die Unterdrückung von Sufi-Orden.

Die Kritik gegen das Regime und seine Weltanschauung nimmt zu; im vergangenen Jahr hat sich die ideologische Krise sogar im konservativen Lager selbst gezeigt, nämlich zwischen dem religiösen Establishment unter der Führung des Ayatollah Ali Khamenei und Anhängern der politischen Fraktion, die Präsident Mahmud Ahmadinedschad nahesteht. Dies ist nicht nur Ausdruck eines internen Machtkampfes innerhalb der politischen Elite Irans, sondern auch eines heftigen ideologischen Kampfes um die Identität der islamischen Republik.

Die zunehmende Macht dieser politischen und ideologischen Fraktion auch im konservativen Lager zeigt die weitere Aushöhlung der Stellung der herrschenden Geistlichen im Iran und der Legitimation der Velayat-e Faqih. Eine weitere Herausforderung für die Stabilität des Regimes und seine Fähigkeit, verstärkten politischen Protest einzudämmen, ist die sozial und wirtschaftlich schwieriger werdende Lage.

Die Absicht Irans, den politischen Umbruch in der arabischen Welt zu nutzen, um den eigenen Einfluss zu verfestigen und seine revolutionäre Philosophie zu verbreiten, wurde während der Eröffnungsveranstaltung der internationalen Konferenz „Islamisches Erwachen“ im September 2011 in Teheran demonstriert, auf der Chamenei die Staaten der Region aufforderte, an der islamischen Einheit zu arbeiten und sich vor den Verschwörungen der westlichen Welt in Acht zu nehmen, die bestrebt sei, die Kontrolle über die Region beizubehalten. Hochrangige iranische Beamte haben die Entwicklungen in der arabischen Welt wiederholt als Hinweis auf die Bildung eines neuen, von der islamischen Revolution inspirierten Nahen Ostens dargestellt, der die westliche Vorherrschaft in der Region beendet. Mubaraks Sturz in Ägypten wurde dabei als ein göttlicher Sieg dargestellt und als Beweis dafür, dass Revolutionen im Nahen Osten von der Islamischen Revolution im Iran inspiriert sind.

Doch die Bildung einer neuen politischen Ordnung in der arabischen Welt, in der die islamischen Bewegungen eine immer grössere Rolle spielen, lässt Zweifel daran aufkommen, ob der Iran weiterhin als attraktives Vorbild taugt. Die arabischen  Gesellschaften haben nun nicht mehr die Wahl zwischen einem säkularen, prowestlichen Regierungsmodell einerseits und einer revolutionären, antiwestlichen islamischen Regierung im Stil des Iran auf der anderen Seite. Zur Wahl steht vielmehr ein sunnitisch-religiöses Modell, das anscheinend bereit ist, demokratische Elemente einzubeziehen, und ein autoritäres, von Geistlichen beherrschtes schiitisch-theokratisches Modell, das jegliche Äusserung politischen Widerstandes brutal unterdrückt.

Die Tatsache, dass in der Türkei bereits ein alternatives islamisches Regierungsmodell entstanden ist, für das im Gegensatz zum iranischen Modell bereits bedeutende wirtschaftliche Erfolge sprechen, machen die Herausforderung für den Iran umso grösser. In der iranischen Presse wird darüber diskutiert, dass der Einfluss des Iran auf die Ereignisse in der arabischen Welt nach wie vor beschränkt bleibt, während die Türkei beträchtliche Anstrengungen unternimmt, um ihre Stellung als die wichtigste und einflussreichste Macht in der arabischen Welt zu untermauern.

Auch wenn diese iranische Einschätzung des türkischen Einflusses auf die Entwicklungen in der arabischen Welt übertrieben sein mag – trotz der nach aussen gezeigten Begeisterung über die Türkei gibt es in der arabischen Welt viele Zweifel und Bedenken an der Tauglichkeit der türkischen Erfahrung für die arabischen Länder –, ist doch offensichtlich, dass das iranische Modell beim Vergleich mit dem türkischen als noch unattraktiver abschneidet und dass die Stellung des Iran in der arabischen Welt schwächer wird. Eine kürzlich in sechs arabischen Ländern durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass die Sympathien dem Iran gegenüber in den vergangenen sieben Jahren deutlich zurückgegangen sind und dass der Grossteil der arabischen Öffentlichkeit findet, der Iran spiele eine negative Rolle im Hinblick auf den Irak und die Region um den Persischen Golf.

Kurzfristig mag die iranische Führung in der Lage sein, mit allen Bedrohungen für die Stabilität des Regimes fertig zu werden, und von neuen Möglichkeiten zu profitieren, seinen Einfluss in der arabischen Welt voranzutreiben. Allerdings wird die zunehmende Kraft alternativer ideologischer Ansichten im Land, verbunden mit der Entstehung konkurrierender islamischer Regierungsmodelle in der arabischen Welt, es für den Iran schwieriger machen, seine mittel- und langfristigen Ziele zu realisieren.

 

Zusammenfassung der Originalversion: Between a domestic challenge and the Arab Spring: the rise and fall of the Iranian revolutionary model by Raz Zimmt, PhD © The Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center, December 20, 2011