Rebellen gegen die Pasdaran

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Foto: GLORIA Center

Während sich die Welt auf die vielversprechende Hoffnung konzentrierte, die durch den Arabischen Frühling geweckt worden war, lancierten Einheiten der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) einen gross angelegten Angriff entlang der iranisch-irakischen Grenze: Die iranisch-kurdische Organisation PJAK (Party For A Free Life In Kurdistan), die sich politisch und militärisch gegen das Regime wendet, sollte von der Bildfläche verschwinden. Der dem Angriff folgende Kampf war heftig und brachte beiden Seiten schwere Verluste. Zwei Monate lang stand die Region Qandil im Irak unter dem Beschuss der IRGC; hunderte Familien mussten ihre Häuser verlassen.

Diese Auseinandersetzung wurde von den internationalen Medien fast gänzlich ignoriert, während sie zur gleichen Zeit dem Phantom der Demokratie quer durch den arabischen Nahen Osten hinterher jagten.

Die Schlacht hatte keinen Sieger; am 12. September wurde ein Waffenstillstand geschlossen. Inmitten von Behauptungen und Gegenbehauptungen ist eine Reihe von Fakten eindeutig: die Revolutionsgarden haben eine international anerkannte Grenze militärisch überschritten; die irakische Regierung hat keinen Protest erhoben; Zivilisten wurden ins Visier genommen und getötet. Die Welt schwieg.

Zwar behaupten die Iraner, die PJKA zerstört zu haben, doch die Organisation hat den Angriff überlebt. Berichten zufolge baut sie jetzt neue Verteidigungspositionen nahe der Grenze auf.

Für ein Gespräch mit dem Anführer der PJAK, Abdul Rahman Haji-Ahmadi, bin ich zwei Monate nach dem Waffenstillstand nach Köln gefahren. Die PJAK ist seit 2004 aktiv. Die zwölf Millionen Kurden im Iran haben allerdings von Beginn des islamistischen Regimes an Widerstand geleistet und wurden verfolgt; der kurdische Kampf um Anerkennung ging der islamischen Revolution von 1979 voraus.

Haji-Ahamdi sprach kurdisch, und mithilfe eines Dolmetschers schilderte er die Lebenswirklichkeit der iranischen Kurden, über die es nur wenige Berichte gibt. Er beschreibt eine verarmte, isolierte Region, in der das Treiben der Revolutionsgarde weit über politische Unterdrückung hinausgeht. Die IRGC kontrolliert die wichtigen Wirtschaftskanäle in der Region; wer sein eigenes Leben und das seiner Familien verbessern will, ist zur Kollaboration gezwungen. Regelmässig exekutiert die IRGC verarmte iranische Kurden, die ihren Lebensunterhalt mit Schmuggel über die iranisch-irakische Grenze zu bestreiten versuchen. Doch nicht nur Schmuggler werden getötet. Anfang des letzten Jahres wurde eine Reihe inhaftierter kurdischer Aktivisten hingerichtet.

Haji-Ahmadi betont, dass seine Bewegung sich selbst als Teil der grösseren iranischen Opposition versteht. Er verweist auf die allgemein düstere Lage der nationalen Minderheiten im Iran, nennt Belutschen, Türken, Aseris und Araber und erwidert auf die Behauptung, das Regime erhalte die Unterstützung aus breiten Teilen der iranischen Bevölkerung: „Es gibt 75 Millionen Menschen im Iran – und 70 Millionen unterstützen die Opposition“. Das Problem sei die Organisation: „Die iranische Opposition wird ausserhalb des Iran organisiert“.

Haji-Ahmadi hält die Strategie der internationalen Gemeinschaft dem Iran gegenüber für einen Irrtum. Er kritisiert scharf, ausschliesslich das Thema der möglichen Nuklearwaffen des Iran zu betonen, da dies auf Kosten von viel weitreichenderen Verbrechen des Regimes geschehe. Der Fokus internationaler Aufmerksamkeit auf den Iran solle sich auf „Menschenrechte, Minderheitenrechte und Nationalrechte“ konzentrieren, empfiehlt Haji-Ahmadi.

Im Verlauf des Gesprächs kamen weitläufigere Themen der Region zur Sprache. Besonders scharf kritisiert Haji-Ahmadi die derzeitige Rolle der Türkei, die bevorzugter Partner der USA in der Region ist. „Amerika stellt die Türkei als Modell für regionale Demokratie dar – die Türkei, die chemische Waffen und Napalmbomben gegen Kurden einsetzt und Tausende Menschen interniert!“

Was Israel angeht, so unterstützt er „das Recht des jüdischen Volkes auf eine eigene Nation und ein eigenes Land.“ Dabei wies er die Behauptung der iranischen Staatsmedien zurück, dass die PJAK israelische Hilfe erhielte. „Im Iran wird jeder, der gegen die Theokratie ist, sofort als amerikanischer oder israelischer Spion beschuldigt.“

Haji-Ahmadi hob hervor, dass Kurden und Israelis sich in einer vergleichbaren Situation befänden: beide, Kurden und israelische Juden, seien „von allen Seiten von Staaten umgeben, die sich gegen sie stellen.“ Man mag einwenden, dass diese Ähnlichkeit angesichts der erheblichen Unterschiede, was die Stärke dieser beiden Völker angeht, nicht sehr ins Gewicht fällt. Die Kurden kontrollieren derzeit eine semi-souveräne Enklave im Nordirak. Die Kurdische Regionalregierung hat vielleicht nicht allzu viel mit den sozialistischen PJAK und PKK gemein, doch auf nationaler Ebene sind die Aktivitäten dieser Organisationen gegen das iranische und türkische Regime nur wegen der stillschweigenden Toleranz möglich, die ihnen die kurdischen Behörden entgegen bringen. Eine grundlegende nationale Hoffnung ist ihnen gemeinsam.

Die Einsätze sind sehr hoch. Mit dem Abzug der USA aus dem Irak sind es die Kurden, die nun im Mittelpunkt eines komplexen Strategiespiels stehen – und von Feinden umgegeben sind: dem Iran im Osten, der Türkei im Norden, einem pro-iranischen Regime im Süden und dem angeschlagenen, iranisch-verbündeten Regime in Damaskus im Westen.

Trotzdem ist Haji-Ahmadi nicht pessimistisch. Er ist davon überzeugt, dass das islamistische Regime im Iran auf lange Sicht dem Untergang geweiht ist. Mit dem Wandel im Nahen Osten schwanken die iranischen Kurden zwischen Hoffnung und Angst. Die Hoffnung ist, dass die jüngsten Verschiebungen der tektonischen Platten im Nahen Osten schliesslich in der Schaffung eines souveränen Raumes für das Volk Kurdistans münden. Bis dahin wird die PJKA wieder aufgebaut – im Gebirge von Qandil im irakisch-iranischen Grenzgebiet und in Büros in Nebenstrassen europäischer Städte. Wiederaufbauen und Warten.

Gekürzte Übersetzung der Originalversion: Rebels Against The Pasdaran by Jonathan Spyer © GLORIA Center, January 2, 2012.