Tel Aviv stand in dieser Woche erneut im Zentrum der internationalen Cybersicherheitsbranche. Zum 15. Mal findet dort die Cyber Week statt – verschoben aus dem Sommer, weil der zwölftägige Krieg mit Iran im Juni die ursprüngliche Planung unmöglich machte. Die Konferenz machte deutlich, dass Israels Cyberindustrie selbst in einem von Konflikten geprägten Jahr weiter gewachsen ist und neue Bestmarken erreichte.
Zu der Veranstaltung in Tel Aviv, bei der Einblicke in Israels Cybersicherheitsstrategie der Post-Kriegs-Ära gewonnen werden können, sind über 11.000 Teilnehmer aus 99 Ländern angereist. Ein weiteres Thema ist die Entwicklung der lokalen Start-up-Szene nach dem Konflikt. Die zentrale Botschaft: Trotz geopolitischer Instabilität wächst der israelische Cybersektor dynamisch – und ist für internationale Investoren attraktiver denn je. Israelische Unternehmen sammelten im Jahr 2025 insgesamt 4,4 Milliarden US-Dollar ein, mehr als jemals zuvor.
KI, Desinformation und „No-Bullet Wars“
Inhaltlich prägen vier Themen die diesjährige Konferenz: künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Einflussoperationen und Verschlüsselungstechnologien. Schon in seiner Eröffnungsrede warnte Prof. Ariel Porat, Präsident der Universität Tel Aviv, vor zwei Entwicklungen, die er als zentrale Risiken für die globale Sicherheit bezeichnete: die Verbindung von offensiven Cyberoperationen mit künstlicher Intelligenz sowie den rapiden Anstieg von Desinformation und Fake News. Durch generative KI-Systeme wie ChatGPT werde die Unterscheidung zwischen wahr und falsch zunehmend gefährdet.
Yossi Karadi, Generaldirektor des Israel National Cyber Directorate (INCD), ergänzte eindringliche Zahlen: 3,5 Prozent aller globalen Cyberangriffe richten sich gegen Israel – ein „erstaunlicher Wert für ein so kleines Land“, wie er betonte. Er warnte vor einer neuen Form zukünftiger Konflikte, den „No-Bullet Wars“: Kriege, die ausschliesslich in digitalen Räumen stattfinden und ohne kinetische Gewalt auskommen. Wer sich diese Szenarien nicht vorstellen könne, so Karadi, werde auf sie nicht vorbereitet sein. Der Staat müsse daher schneller und entschlossener in Cloud-Migration, Datenresilienz und KI-gestützte Verteidigung investieren.
„Start-up-Nation” zeigt strukturelle Stärke
Ein neuer Bericht von YL Ventures unterstreicht die internationale Verankerung der israelischen Cyberindustrie. So investierten globale Venture-Capital-Fonds im Jahr 2025 in jeder Wachstumsphase mehr Kapital in israelische Cyberunternehmen als lokale Fonds. Namen wie Sequoia, Greylock, Mayfield oder General Catalyst dominierten 44 Early-Stage-Finanzierungsrunden – im Vergleich zu 35 Runden unter israelischer Federführung. Insgesamt verzeichnete der Sektor 71 Seed-Runden, fast doppelt so viele wie im Jahr 2023.
Die Zahlen belegen, wie robust die Innovationslandschaft trotz – oder gerade wegen – der jüngsten sicherheitspolitischen Krisen bleibt.

Naftali Bennett: „Eine neue Ordnung der Bedrohungen“
In seiner Keynote beschrieb der ehemalige Premierminister Naftali Bennett Israel als einen Staat, der wiederholt vor Herausforderungen gestellt wurde, die ihn zu technologischer Erneuerung zwangen. Während die vergangenen Jahrzehnte durch Raketen- und Mörserangriffe geprägt waren, entsteht nun laut Bennett eine „neue Ordnung der Bedrohungen“ durch die Verbindung von Cyber- und KI-Technologien.
China rückt ins Zentrum der Bedrohungsanalyse
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt der Konferenz war die wachsende Bedrohung durch China. Nick Andersen, Executive Assistant Director der US-Behörde CISA, bezeichnete die Volksrepublik als die „signifikanteste und umfassendste Bedrohung“ für die Cybersicherheit der Vereinigten Staaten. Die strategische Partnerschaft zwischen den USA und Israel sei daher „wichtiger denn je“.
Andersen warnte vor einem langfristigen chinesischen Cyberprogramm, dessen Ziel es sei, sich unbemerkt in amerikanische Energie-, Cloud- und Telekommunikationsinfrastrukturen einzunisten, um in Krisenzeiten „gesellschaftliches Chaos“ auszulösen. Israel sehe ähnliche Muster: hartnäckige Aufklärungsoperationen, schwer erkennbare Eindringversuche und Angriffe auf industrielle wie zivile Netzwerke. Beide Länder stünden in einer strukturell vergleichbaren Abwehrlage.
Breite Allianz von Forschung, Staat und Industrie
Die Cyber Week 2025 findet parallel zur AI Week statt. Ausgerichtet wurde sie vom Blavatnik Interdisciplinary Cyber Research Center der Universität Tel Aviv, dem Yuval-Ne’eman-Workshop und der INCD. Unterstützt wurde sie unter anderem von der Anwaltskanzlei Shibolet, Google, Microsoft sowie von den führenden israelischen Unternehmen CyberArk und Check Point. Die Veranstaltung zeigt, wie eng Forschungseinrichtungen, staatliche Stellen und private Technologieunternehmen in Israel zusammenarbeiten, um Innovation und Sicherheit zu verbinden.
























