
Die «Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für das besetzte palästinensische Gebiet, einschliesslich Ostjerusalem, und Israel» hat diese Woche einen Bericht veröffentlicht, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass Israel sich verschiedener Akte des «Völkermords» in Gaza schuldig gemacht habe.
von Andrew Tucker
Bei ihrer Schlussfolgerung stützte sich die Kommission in hohem Masse auf direkte und indirekte Angaben der Hamas, der Terrororganisation, die diesen Krieg begonnen hat. Die vom Gesundheitsministerium in Gaza vorgelegten Zahlen zu den Todesopfern sind beispielsweise nicht ohne Weiteres als zuverlässig anzusehen und müssen einer unabhängigen Analyse unterzogen werden.
Laut Prof. Geert Jan (Alexander) Knoops (Universitäten Amsterdam und Shandong) ist der Bericht «sachlich sehr schwach. Er basiert grösstenteils auf öffentlich zugänglichen und aus zweiter Hand stammenden Informationen, die nicht überprüft werden können. Er enthält eine Zusammenfassung der Aussagen bestimmter Zeugen, nennt jedoch nicht die Namen der Personen, die diese Informationen geliefert haben. Es ist unmöglich, diese Informationen zu überprüfen. Das ist keine ausreichende Grundlage für ein Gericht, um zu einer Schlussfolgerung zu gelangen.»
Knoops kritisiert auch, dass sich die Kommission auf UN-Berichte stützt. Die Informationen in diesen Berichten können nicht für bare Münze genommen werden, sondern müssen überprüft werden. So ergeben beispielsweise unabhängige Untersuchungen zur Anzahl der Lastwagen, die nach Gaza einfahren, andere Zahlen als die von der Kommission angegebenen. «Als Jurist frage ich mich daher, ob ich der Darstellung der Kommission Glauben schenken kann.»
Falscher rechtlicher Rahmen
Die Kommission betrachtet das gesamte Verhalten Israels durch die Brille des Völkermords. Dies führt dazu, dass die Kommission Schlussfolgerungen zieht, die durch die Fakten selbst nicht gestützt werden.
Das Hauptproblem dabei ist, dass dabei die Tatsache ignoriert wird, dass Israel einen Verteidigungskrieg gegen einen Feind (die Hamas und ihre Verbündeten) führt, der seit zwei Jahrzehnten versucht, Israel zu vernichten. Wie der pensionierte Präsident des Obersten Gerichtshofs Israels, Richter Aharon Barak, in seiner separaten Stellungnahme im Januar 2024 feststellte, ist der geeignete rechtliche Rahmen für die Analyse dieser Situation das humanitäre Völkerrecht (IHL) und nicht die Völkermordkonvention. Das humanitäre Völkerrecht sieht vor, dass Schäden an unschuldigen Zivilisten und ziviler Infrastruktur im Vergleich zu dem erwarteten militärischen Vorteil eines Angriffs nicht unverhältnismässig sein dürfen. Der tragische Verlust unschuldiger Menschenleben gilt nicht als rechtswidrig, solange er im Einklang mit den Regeln und Grundsätzen des humanitären Völkerrechts (Notwendigkeit, Unterscheidung und Verhältnismässigkeit) steht.
Barak merkte an, dass die Verfasser der Völkermordkonvention in ihren Diskussionen klarstellten, dass «die Zufügung von Verlusten, selbst schweren Verlusten, an der Zivilbevölkerung im Verlauf von Kriegshandlungen in der Regel keinen Völkermord darstellt. In modernen Kriegen zerstören die Kriegführenden normalerweise Fabriken, Kommunikationsmittel, öffentliche Gebäude usw., und die Zivilbevölkerung erleidet dabei unvermeidlich mehr oder weniger schwere Verluste. Es wäre natürlich wünschenswert, solche Verluste zu begrenzen. Zu diesem Zweck könnten verschiedene Massnahmen ergriffen werden, aber diese Frage gehört in den Bereich der Regulierung der Kriegsbedingungen und nicht in den des Völkermords.»
Der Bericht identifiziert höchstens potenzielle Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht (das Recht der bewaffneten Konflikte), aber keinen Völkermord. Die israelischen Behörden haben Massnahmen gegen einzelne Soldaten ergriffen, die gegen diese Normen verstossen haben, und tun dies auch weiterhin, was das Engagement Israels für die Einhaltung des Völkerrechts unterstreicht. Kaum eine andere Armee der Welt setzt das Recht gegenüber ihren eigenen Soldaten in gleichem Masse durch wie Israel.
Kein Beweis für einen Vorsatz
Die Völkermordkonvention verlangt den Nachweis eines Vorsatzes, «ein Volk als solches ganz oder teilweise zu vernichten». Laut Prof. Steven E. Zipperstein (UCLA) stellen die von der Kommission angeführten Indizien keinen Beweis dafür dar, dass Israel Palästinenser in Gaza «als solche» tötet, also einfach nur, weil sie Palästinenser sind. Darüber hinaus hat der Internationale Gerichtshof (IGH) zuvor entschieden, dass der Begriff «vernichten», «physische oder biologische Vernichtung» bedeutet. Zipperstein merkt an, dass der IGH auch erklärt hat, dass die Worte «zum Teil» einen «wesentlichen» Teil bedeuten, wie beispielsweise die 97 % der polnischen Juden, die im Holocaust ermordet wurden. Die weniger als 2 % der Gazaner, die während des aktuellen Konflikts ums Leben gekommen sind – von denen mindestens die Hälfte Hamas-Terroristen sind und andere an Altersschwäche und anderen natürlichen Ursachen gestorben sind – können nicht als «wesentlicher Teil» des palästinensischen Volkes angesehen werden.
Laut Zipperstein stützen die Fakten nicht im Entferntesten die Behauptung einer genozidalen Absicht. „Wenn Israel wirklich die Absicht hätte, Völkermord zu begehen, warum fordert es dann regelmässig die Zivilbevölkerung auf, Kampfgebiete vor Angriffen zu evakuieren? Warum hat es im August 2024 die Kämpfe unterbrochen und die Verteilung von Polio-Impfstoffen für 500.000 Menschen in Gaza ermöglicht? Warum hat es Tausende Tonnen humanitärer Hilfe nach Gaza gelassen? Diese unbestrittenen Tatsachen widerlegen vollständig die Existenz einer genozidalen Absicht.
Die Schlussfolgerungen der Kommission sind nicht überraschend, da frühere Berichte der Kommission Israel schwere Verstösse gegen das Völkerstrafrecht vorwerfen. Leider ist der Bericht ein weiteres Beispiel für die völlige Unparteilichkeit und Objektivität der UNO gegenüber Israel und für die Instrumentalisierung des Völkerrechts gegen den jüdischen Staat. Warum gibt es keinen ähnlichen UN-Bericht über die Gräueltaten Russlands in der Ukraine oder die Massenmorde und die absichtliche Aushungerungskampagne, die derzeit im Sudan stattfinden?
Andrew Tucker ist der Direktor von thinc. The Hague Initiative for International Cooperation. Auf Englisch zuerst erschienen bei thinc. Übersetzung und Redaktion Audiatur-Online.