
Vorfälle in Bern und Basel zeigen mit bedrückender Klarheit, dass sich in der Schweiz ein Klima etabliert hat, in dem Menschen, die Israel unterstützen oder denen eine solche Haltung zugeschrieben wird, zunehmend zur Zielscheibe werden. Gewalt, Drohungen und Einschüchterungen treten dabei nicht mehr am Rand auf, sondern mitten im öffentlichen Raum.
In Bern wurde die Frontscheibe des kleinen «Caffè Sempre Berna», dessen Betreiberin die ehemalige Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle ist, eingeschlagen. Auf dem zersplitterten Glas klebte ein Sticker mit dem Slogan «Boycott Apartheid – made in Israel» – ein eindeutiges Signal.
Das Lokal ist kein politisches Zentrum, sondern ein durch Freiwillige ehrenamtlich betriebenes Sozialprojekt, das Menschen bei Formularen, Bewerbungen oder Alltagsproblemen unterstützt. Dass ausgerechnet ein solches Projekt Ziel eines Angriffs wurde, verdeutlicht, wie wenig es heute noch braucht, um markiert, denunziert und angegriffen zu werden.
Der Hintergrund dieser Angriffe ist klar. Kurz nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundesdienst hatte della Valle ein Mandat bei einer israelischen Investmentfirma angenommen, einem Unternehmen, das neben vielem anderen, auch Startups aus dem Sicherheits- und Rüstungsbereich finanziert. Ein legales und für eine ehemalige Polizeichefin naheliegendes Engagement, das jedoch zum Auslöser eines politischen Gewitters wurde. SP-Bundesrat Beat Jans entschied sich nämlich zu einer ungewöhnlich scharfen öffentlichen Rüge und stellte in einem Interview sogar in den Raum, della Valle könnte «sensible Daten» weitergeben. Eine schwerwiegende, unfassbare und freche Unterstellung, die weder belegt noch durch konkrete Hinweise gestützt war. Nachdem die öffentliche Debatte gegen sie toxisch geworden war, verschwand della Valle tatsächlich von der Website des Unternehmens – ein Schritt, den sie machte, um ihr Sozial- und Herzensprojekt nicht weiter zu gefährden.
Doch der Rückzug des Mandats reichte nicht aus, um die Wucht der Kampagne zu bremsen. In einem nächsten Schritt erschien ein Video von Electronic Intifada, in dem Nicoletta della Valle mit vollem Namen und Bild an den Pranger gestellt wurde. Dabei diente ihr früheres, offenbar gegen den Willen der fedpol-Juristen durchgesetztes Einreiseverbot gegen Ali Abunimah, den Betreiber der Seite, als Vorwand für eine internationale Kampagne, die ihren Höhepunkt in der gezielten Diffamierung ihrer Person und des kleinen sozialen Treffpunkts im Berner Mattenhof erreichte.

Während sich die Bedrohungslage verschärfte, fiel die Reaktion der Behörden bemerkenswert zurückhaltend aus. Weder von der Stadt Bern noch vom Bund kam eine klare Stellungnahme oder auch nur der erkennbare Wille, die Betreiberin oder das Projekt zu schützen. Stattdessen wurde della Valle empfohlen, einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren – eine Empfehlung, die für ein vollständig ehrenamtliches Projekt finanziell nicht umsetzbar ist. Dass eine Bürgerin, die der Schweiz über Jahrzehnte gedient hat, bei akuter Bedrohung derart allein gelassen wird, ist mehr als fragwürdig.
Wie weit diese Eskalation inzwischen reicht, zeigt ein von SRF-Investigativjournalist Daniel Glaus recherchierter Fall in Basel. Dort zog eine unbewilligte Pro-Palästina-Demonstration am Café «Flore» vorbei, während der Betreiber seine Geburtstagsfeier abhielt. Auf Video sind Drohungen zu hören, darunter ein deutlich ausgesprochenes «Ich bringe dich um». Ein anderer Demonstrant rief «Wir brauchen keine Zionisten in Basel» und beschimpfte den Betreiber. Die Menge skandierte «Schäm dich!». Die Recherche zeigt zudem, dass der Café-Betreiber zuvor mehrfach Ziel von Verunstaltungen geworden war, weil in seinem Lokal israelische Symbole sichtbar sind oder israelische Musik gespielt wird.
Dieser SRF-Beitrag ist eines der ersten Beispiele dafür, dass das öffentlich-rechtliche Medium das Thema linksextreme Gewalt im Zusammenhang mit israelbezogenem Hass ohne Relativierungen darstellt. Es ist zu hoffen, dass die Recherche von Daniel Glaus einen Wendepunkt darstellt. Sie zeigt erstmals klar und faktenbasiert, dass es eine Form von Aggression und Hass gibt, die sich offen gegen Menschen richtet, die als «Zionist» oder «Israel-Freund» bezeichnet werden.
Diese Dynamik beschränkt sich nicht auf einzelne Städte. Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich das Klima in der Schweiz und weltweit deutlich verschärft. Die Wucht der Reaktionen auf den Verteidigungskrieg Israels gegen die Hamas und andere Terrororganisationen hat sich bis in die lokalen Parlamente übertragen. Ein Beispiel hierfür ist die Debatte zu einem Gaza-Postulat am 27. November 2025 im Luzerner Stadtparlament. Die GLP-Vertreterin Anna-Lena Beck behauptete, ein grosser Teil der israelischen Bevölkerung sei der Meinung, man solle «Gaza ethnisch säubern» und israelische Soldaten würden «strategisch» Kinder in Gaza erschiessen. Es sind genau solche Worte aus Politik und Medien, die das Klima vergiften und dem Antisemitismus den Boden bereiten.
Die Schwelle, um bedroht, bedrängt oder öffentlich diffamiert zu werden, ist dramatisch gesunken. Es genügt, Sympathien für Israel auszudrücken oder ein sichtbares jüdisches Symbol zu tragen.
Das Auffälligste an den dokumentierten Vorfällen ist die Selbstverständlichkeit, mit der solche «Feindbilder» attackiert werden. «Wir brauchen keine Zionisten hier» – dieser Satz trifft Menschen, die oft nichts weiter getan haben, als ihre Sympathie für Israel sichtbar werden zu lassen. Dass auf Schweizer Strassen Drohungen wie «Ich bringe dich um» ertönen und sich gegen Menschen richten, die sich als Israel-Freunde sehen, aber weder Politiker noch Aktivisten sind, sondern beispielsweise Café-Betreiber, ist eine unfassbare Grenzüberschreitung.
Diese Entwicklung entfaltet sich nicht im luftleeren Raum. Seit dem 7. Oktober 2023 haben linke und linksextreme Gaza-Demonstrationen in vielen kleineren und grösseren Schweizer Städten eine neue Stufe der Eskalation erreicht. Die Bilder wiederholen sich: Es gibt Sprayereien mit Parolen gegen Israel und den Zionismus, Beschimpfungen und Einschüchterungen entlang der Demonstrationszüge, das Markieren von Schaufenstern oder Autos von Firmen, die mit Israel Geschäfte machen, sowie das gezielte Taggen von Orten, an denen jüdische oder israelfreundliche Symbole oder Produkte sichtbar sind. Viele dieser Aktionen finden im Umfeld unbewilligter Demonstrationen statt und werden oft von vermummten Personen, Sachbeschädigungen sowie dem Versuch, mit Lautstärke und Drohgebärden ein Klima der Angst zu erzeugen, begleitet. Was früher Randphänomene waren, tritt heute offen und breit zutage.
Damit stellt sich für die Schweiz eine grundlegende Frage: Wie will ein Rechtsstaat mit einem Klima umgehen, in dem Gewalt und Einschüchterung gegen bestimmte Personen zur Normalität werden – unabhängig davon, ob die Täter sich selbst als «antifaschistisch», «solidarisch» oder «progressiv» bezeichnen? Staatliche Stellen sind gefordert, Übergriffe, Sachbeschädigungen und Drohungen endlich konsequent zu verfolgen und Personen und Objekte zu schützen. Ebenso ist die Gesellschaft gefordert, den Unterschied zu erkennen zwischen Kritik an der Politik Israels und Angriffen auf Menschen.
Die Fälle Bern und Basel machen deutlich, dass diese Grenze zunehmend überschritten wird. Wer heute Sympathien für Israel ausdrückt, muss kein Aktivist sein, um ins Visier zu geraten. Es genügt bereits, ein sichtbares Symbol zu tragen, einen Davidstern am Fenster zu haben oder sich am falschen Ort in Hörweite einer radikalisierten Menschenmenge zu befinden und etwas Positives über Israel zu sagen. Dass dies in der Schweiz möglich ist, sollte Anlass zu grösster Sorge sein.























