Der plötzliche Tod des Zürcher Nationalrats und Präsidenten der Audiatur-Stiftung, Alfred Heer, hat nicht nur eine Lücke in der Schweizer Politik hinterlassen, sondern auch die hässliche Fratze einer digitalen Öffentlichkeit gezeigt, die keine Grenzen mehr kennt. Was sich in den Kommentarspalten unter Lukas Hässig fragwürdigem Artikel «Warten auf Alfred Heer-Untersuchung» auf Inside Paradeplatz abspielt ist ein Beispiel für den Verfall von Anstand und Respekt.
Die Behauptungen in der Kommentarspalte reichen von zynischen Mutmassungen über Fredi Heers Privatleben bis hin zu grotesken Verschwörungstheorien über Geheimdienste, Impfungen und israelische Agenten. Zwischen Häme, Spekulation und unverhohlenem Antisemitismus verschwimmen die Grenzen zwischen Meinung, Verleumdung und Menschenverachtung.
Fredi Heer war vieles: unbequem, direkt, kantig, integer. Er war ein Politiker, der sich in keiner ideologischen Schublade einsperren liess. Er konnte den Sozialdemokraten Alain Berset im Europarat verteidigen – und gleichzeitig vehement die Interessen des Schweizer Volkes gegen Brüssel oder Bern vertreten. Vor allem aber war Fredi jemand, der sich unerschrocken für Israel einsetzte, auch wenn das in der Schweizer Politik meistens Gegenwind bedeutet.
Heer war Präsident der Audiatur-Stiftung. Diese Stiftung ist keine jüdische Organisation, sondern eine Schweizer Plattform, die sich in der öffentlichen Debatte um Israel und den Nahostkonflikt für den Grundsatz audiatur et altera pars starkmacht – man höre auch die andere Seite. Gemeint ist: die israelische, die jüdische Perspektive, die in den Medien und Institutionen oft einseitig und schlecht dargestellt wird.
Dass ausgerechnet dieser Hintergrund in der Kommentarspalte von Inside Paradeplatz antisemitisch aufgeladen wird – mit Andeutungen über «Israel-Lobbyisten», «Mossad Verbindungen» und ähnlichem – spricht Bände über die Leserschaft des «Finanzblogs» Inside Paradeplatz.
Dass solche Kommentare überhaupt erscheinen können, ist der eigentliche Skandal. Lukas Hässig, der Betreiber von Inside Paradeplatz, hat sich offenbar längst vom Wirtschaftsjournalisten zum sensationsgetriebenen Online-Provokateur gewandelt.
Die ursprünglich als kritische Plattform über den Schweizer Finanzplatz gegründete Seite ist inzwischen ein Marktplatz für Zynismus, Neid, Niedertracht und perfide an Antisemitismus grenzende Äusserungen.
Hässig wusste genau, was er tat: Mit seinem Artikel über den Tod Alfred Heers und den Andeutungen über «mysteriöse Umstände» öffnete er die Schleusen für Häme, Spekulation und Verschwörungstheorien.
Und als der Sturm losbrach, zog er den ursprünglichen Beitrag wieder zurück – aber zu spät. Die Drecklawine lief bereits.
Wer so arbeitet, hat jedes moralische Koordinatensystem verloren. Ein Journalist, der den Tod eines Politikers instrumentalisiert, um Klicks zu generieren, handelt auf Kosten von Anstand, Pietät und Menschlichkeit.
Besonders perfide ist, dass sich in diesem Fall alte antisemitische Reflexe mit Voyeurismus vermischt haben.
Da schreiben Menschen – anonym, feige, schamlos –, Heer sei ein «Israel-Lobbyist» gewesen, man solle seine «Bankkonten prüfen» oder der «Mossad» habe vielleicht etwas «organisiert».
Das Gift alter Verschwörungsmythen sickert so in die Kommentarspalten und gefährdet schlussendlich jüdisches Leben. Wer solche Kommentare ungefiltert veröffentlicht, trägt Mitschuld daran.
Man darf über die Todesumstände eines Politikers Fragen stellen. Das gehört zur Transparenz. Aber was Lukas Hässig auf Inside Paradeplatz bietet, ist keine Aufklärung, sondern öffentlicher Pranger – das Ausweiden eines Leichnams, um Reichweite zu generieren. Und was das Ganze mit einem «Finanzblog» zu tun hat, weiss wahrscheinlich nicht mal Hässig selbst.
Wer Fredi Heer kannte, weiss: Er war ein streitbarer, aber zutiefst anständiger Mensch. Ein Schweizer Patriot mit Haltung, einer, der Israel verstand, weil er wusste, was es heisst, als kleines Land in einem feindlichen Umfeld bestehen zu müssen.
Dass nach seinem Tod nun ausgerechnet jene, die sich «unabhängigen Journalismus» auf die Fahne schreiben, über ihn herfallen, ist ein Armutszeugnis. Lukas Hässig sollte sich schämen, seine Plattform für solch moralischen Schutt missbraucht zu haben.
Wie auch immer Fredi Heer aus dem Leben gerissen wurde – ich und viele andere vermissen ihn. Er war ein kluger, mutiger und verlässlicher Mensch, der mit Herz und Haltung für das eintrat, woran er glaubte. Ich hoffe, dass er nicht leiden musste. Möge seine Seele eingebunden sein in das Band des Lebens – תהא נשמתו צרורה בצרור החיים.
























