Wenn wir gewinnen wollen – nicht nur die Schlachten, sondern auch den Krieg –, müssen wir zunächst einmal verstehen, auf welchem Schlachtfeld wir uns eigentlich befinden.
von Dr. Irwin J. Mansdorf
Eine der grundlegendsten Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie ist, dass Menschen darauf programmiert sind, auf unmittelbare Belohnungen zu reagieren, selbst wenn diese langfristige Konsequenzen haben. Ob es darum geht, noch ein Stück Kuchen zu essen, eine schädliche Zigarette zu rauchen oder bei Rot über die Ampel zu fahren – wir neigen dazu, zu handeln, wenn der Nutzen sofort und die Kosten erst später anfallen. Wenn die Belohnung gut genug erscheint und die Gefahr weit genug entfernt ist, gehen wir das Risiko ein.
Das ist nicht nur menschlich. Es ist auch eine Waffe, mit der die Hamas in den letzten 18 Monaten in ihrem psychologischen Krieg gegen Israel und den Westen meisterhaft umgegangen ist.
Mit Hilfe iranischer und katarischer Gönner hat die Hamas die Geiseldiplomatie in eine psychologische Falle verwandelt. Der emotionale Appell, Geiseln nach Hause zu bringen – ein zutiefst menschliches Bedürfnis – ist zum Köder geworden. Der Preis dafür? Eine stärkere, mutigere und gefährlichere Hamas, die ideologisch nach wie vor fest entschlossen ist, Israel zu vernichten.
Und die Falle funktioniert.
In Israel macht sich die Ermüdung durch den andauernden Krieg allmählich bemerkbar.
Die Reservisten erscheinen zwar weiterhin zum Dienst, doch die Moral sinkt, da die Last ungleichmässig auf die Gesellschaft verteilt ist. Die öffentliche Debatte wird von der Notlage der Geiseln dominiert. Die Familien erscheinen täglich im Fernsehen. Emotionale Appelle ergreifen die Nation. Verständlicherweise wächst der öffentliche Druck, „etwas zu tun“ – und die Hamas weiss das. Deshalb taucht alle paar Wochen ein neues Video mit Geiseln auf, genau zum richtigen Zeitpunkt, um Hoffnung, Schmerz und Spaltung zu schüren.
Der Preis eines Abkommens mit der Hamas
Jedes potenzielle Abkommen mit der Hamas hat seinen Preis. Und die Terrororganisation sorgt dafür, dass dieser Preis hoch ist. Innerhalb Israels vertieft sich die moralische Kluft. Für einige, insbesondere für die Familien der Geiseln, gibt es nichts Wichtigeres, als ihre Angehörigen nach Hause zu holen. Für andere bedeuten die Erinnerung an den 7. Oktober und der Wunsch, dass so etwas nie wieder geschieht, dass die Hamas besiegt werden muss, selbst wenn der Preis dafür hoch ist.
Das ist der Kern unseres moralischen Dilemmas: Zwei Wertvorstellungen – beide legitim – die sich zunehmend unvereinbar anfühlen.
Die Hamas nutzt diese Spaltung mit Präzision aus. An einem Tag bietet sie eine vorübergehende Hudna („Waffenstillstand“) an. Am nächsten Tag veröffentlicht sie ein Video mit Geiseln. Dabei spielt sie die ganze Zeit die Opferrolle: Kinder unter Trümmern, Krankenhäuser ohne Strom, zerstörte Unterkünfte. Die Bilder sind tragisch – aber sie dienen auch einem Zweck. Sie suggerieren, dass nicht die Hamas, sondern Israel die Verantwortung trägt.
Unglaublicherweise tappen viele Israelis, die die Hamas und alles, wofür sie steht, verachten, in diese psychologische Falle. Anstatt von der Hamas die bedingungslose Freilassung der Geiseln zu fordern, wie es das Völkerrecht verlangt, richtet sich die öffentliche Wut oft nach innen, gegen die israelische Regierung. Dies ist ein eindrucksvoller Erfolg der psychologisch asymmetrischen Strategie der Hamas.
Das Gleiche gilt für den Westen. Dort dominiert die Erzählung von der Unterdrückung und dem „Völkermord“ Israels in Gaza. Das ist das Ergebnis jahrelanger emotionaler Manipulation und moralischer Verwirrung.
Auf den Titelseiten sind hungernde Kinder und leidende Patienten zu sehen, während die Rolle der Hamas bei der Auslösung des Konflikts oder der fortgesetzten Gefangenschaft unschuldiger Israelis kaum noch erwähnt wird. Die moralische Last wird auf Israel abgewälzt, während sich die Terroristen ihrer Verantwortung entziehen.
Was bedeutet das alles? Zunächst einmal müssen wir die Realität, in der wir leben, nüchterner betrachten. Die moralische Verpflichtung, lebende Geiseln zu befreien, ist real – aber ebenso real ist die Pflicht der Regierung, ihre Bürger vor künftigen Gräueltaten zu schützen.
Das sind keine einfachen Entscheidungen. Aber sie schliessen sich auch nicht gegenseitig aus. Wir müssen aufhören, Entscheidungen, mit denen wir nicht einverstanden sind, zu verteufeln, und anfangen, das ganze Ausmass des Dilemmas zu verstehen.
Zweitens müssen wir erkennen, dass die Hamas uns beobachtet, uns studiert und mit uns spielt.
Militärisch mögen wir stärker sein. Aber auf dem psychologischen Schlachtfeld hat die Hamas derzeit die emotionale Oberhand. So manipuliert sie weiterhin die öffentliche Meinung, sowohl in Israel als auch in den westlichen Ländern.
Unsere Proteste, Diskussionen und Spaltungen sind zu Werkzeugen in den Händen unserer Feinde geworden. Die Israelis müssen nicht nur überlegen, was sie fordern, sondern auch, wie sie diese Forderungen zum Ausdruck bringen.
Im Westen müssen diejenigen, die Freiheit, Gerechtigkeit und moralische Klarheit schätzen, verstehen, dass dieselben Taktiken, die die Hamas gegen Israel anwendet, auch gegen sie selbst eingesetzt werden können – und werden.
Die Gefahr besteht nicht nur hinsichtlich der Entschlossenheit Israels. Sie betrifft auch das moralische Gefüge demokratischer Gesellschaften, die sich von einfachen Opferdarstellungen täuschen lassen.
Psychologische Kriegsführung ist immer noch Kriegsführung. Und wenn wir gewinnen wollen – nicht nur die Schlachten, sondern auch den Krieg –, müssen wir zunächst einmal verstehen, auf welchem Schlachtfeld wir uns eigentlich befinden.
Irwin J. (Yitzchak) Mansdorf, PhD., ist klinischer Psychologe und Fellow am Jerusalem Center for Security and Foreign Affairs mit Spezialisierung auf politische Psychologie. Übersetzung Audiatur-Online.
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Entscheidend sind die seit Jahren antiisraelischen Medien, sie sind die PR Agenturen der Hamas. Ihre Desinformation stösst wegen der Ignoranz der Menschen in Sachen Israel kaum auf Hindernisse.