Zum Artikel von Bernd Dörries im Tages-Anzeiger vom 26. März 2025

0
Der palästinensische Filmemacher Hamdan Ballal (rechts). Foto IMAGO / Agencia EFE
Der palästinensische Filmemacher Hamdan Ballal (rechts). Foto IMAGO / Agencia EFE
Lesezeit: 3 Minuten

Was haben der Artikel Jüdische Siedler greifen Oscar-Sieger an – Tages-Anzeiger und der darin thematisierte, mit einem Oscar ausgezeichnete Film «No Other Land» gemeinsam?

Ein Kommentar von Hanspeter Büchi

Beide präsentieren ein den Tatsachen widersprechendes Bild der Lage im Westjordanland, in dem Palästinenser einseitig als Opfer dargestellt werden. Die Rolle der Täter und damit der Schuldigen fällt – wen erstaunt es – auf jüdische Siedler respektive bezogen auf den Film auf den israelischen Staat, «der willkürlich palästinensische Häuser abreisst».

Was ist an diesem Bild falsch? Wir erfahren nichts über palästinensische Gewalttaten gegen Juden im Westjordanland. Zwischen Oktober 2023 und November 2024 fanden über 5,500 solche Gewalttaten und Attacken statt. Daran beteiligten sich selbst Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde. Wenn der «Afrika-Korrespondent» Bernd Dörries im Tages-Anzeiger von der Vertreibung der Palästinenser spricht, geht es in der Regel um die Räumung von staatlichem Land, auf dem sich Palästinenser illegal niedergelassen haben – wie auch im hier thematisierten Film. In der allein von Israel zu verwaltenden Zone C des Westjordanlands gibt es zehntausende illegale bauliche Strukturen von Palästinensern, täglich kommen neue hinzu.

Davon haben die Kinobesucher keine Ahnung, woher denn auch. In ihren Augen zerstört Israel im Film ungerechtfertigt Häuser protestierender Palästinenser. Die Filmemacher haben es verstanden, alles dramatisch und emotional aufgeladen darzustellen. Doch was geschah dort wirklich?

Um 1980 richtete die IDF im fraglichen Gebiet von Masafer Yatta einen Übungsplatz für die Armee ein. Später begannen Palästinenser dort illegal Häuser zu bauen und gelangten dann mit einer Petition an das Oberste Gericht Israels, es solle diese Bauten als legal erklären, weil angeblich schon vor 1980 existierend. Die Behauptung, es handle sich um jahrhundertealte Dörfer, hielt das Gericht nicht für glaubwürdig. Vor allem zeigten Luftaufnahmen, dass es vor der Errichtung der Feuerzone keine eigentliche Besiedlung gab. Dazu konnten die palästinensischen Petitionäre im Verfahren keinerlei Besitzurkunden vorlegen. Fast alle Kläger haben zudem ihren ständigen Wohnsitz im nahegelegenen Yatta oder anderen Ortschaften. Die vielfach kolportierte Vorstellung von einer drohenden Massenvertreibung tausender Menschen entbehrt also jeder realen Grundlage.

Es dauerte 20 Jahre, bis 2022 das Oberste Gericht einstimmig zum Schluss kam, dass die Armee zuerst dort war. Damit erfolgt zu Recht der Abbruch jener illegal erstellten Häuser.

Doch all das lassen der Film und der Artikel von Dörries weg, was an die Aussage von Simone de Béauvoir erinnert, die schlimmste Lüge sei die Auslassung. Dazu fehlt es dem Publikum am notwendigen Hintergrundwissen, um Informationslücken zu erkennen und Informationen korrekt einordnen zu können.

Fazit: Der Film «No Other Land» und der Artikel im Tages-Anzeiger tragen zu Vorurteilen gegenüber jüdischen Siedlern und dem Staat Israel bei. Es ist verständlich, dass solche Darstellungen bei jüdischen Bewohnern im Westjordanland Zorn auslösen – denn sie erleben die Realität. Wer sich ein Urteil bilden will, sollte auch diese Perspektive kennen – und nicht einfach das übliche Rollenbild Palästinenser =Opfer, Israel = Täter übernehmen.