Antisemitischer Angriff auf Rabbiner in Orléans – 16-Jähriger festgenommen

0
Französische Polizei. Symbolbild. IMAGO / Future Image
Französische Polizei. Symbolbild. IMAGO / Future Image
Lesezeit: 3 Minuten

In Frankreich ist ein 16-jähriger Jugendlicher wegen eines Angriffs auf den Rabbiner von Orléans festgenommen worden. Der Angriff ereignete sich am Samstagnachmittag in der Innenstadt von Orléans, als Rabbiner Arié Engelberg gemeinsam mit seinem neunjährigen Sohn auf dem Heimweg von der Synagoge war.

Wie der Rabbiner dem französischen Nachrichtensender BFM TV schilderte, fragte ihn der Täter zunächst, ob er Jude sei. Nachdem Engelberg dies bejahte, habe der Angreifer begonnen, ihn mit antisemitischen Beleidigungen zu überschütten, darunter Sätze wie «alle Juden sind H….Söhne». Er habe zudem versucht, die Szene mit dem Handy zu filmen.

«Ich habe mich entschieden, zu handeln und habe sein Telefon weggestossen», sagte Engelberg im Interview mit BFM. Daraufhin habe der Täter ihn geschlagen und gebissen, bis mehrere Passanten eingriffen und dem Rabbiner zur Hilfe kamen.

Der mutmassliche Angreifer wurde noch am Samstagabend festgenommen. Laut französischen Medien war er ohne Ausweisdokumente unterwegs und gab drei verschiedene Identitäten an – darunter eine marokkanische und zwei palästinensische. Die Ermittlungen zur genauen Herkunft und Identität dauern an. Innenminister Gérald Darmanin bestätigte, dass der Jugendliche inzwischen in eine psychiatrische Einrichtung überstellt wurde.

Die französischen Behörden werten den Vorfall klar als antisemitisches Hassverbrechen. Yonathan Arfi, Präsident des Dachverbands der jüdischen Gemeinden Frankreichs (CRIF), betonte, dass Antisemitismus in Frankreich keineswegs ein Randphänomen sei.

Frankreich, Heimat der grössten jüdischen Gemeinschaft Europas, erlebt seit dem 7. Oktober 2023 – dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten – eine besorgniserregende Eskalation antisemitischer Vorfälle. Im Jahr 2024 wurden laut einem Bericht des CRIF über 1’570 antisemitische Taten registriert – ein dramatischer Anstieg gegenüber 2022, als 436 Vorfälle dokumentiert wurden. Mehr als 65 Prozent der Delikte richteten sich direkt gegen Einzelpersonen, über zehn Prozent davon waren körperlich gewaltsam.

Der jüngste Vorfall in Orléans reiht sich ein in eine beunruhigende Entwicklung: Die Verbindung zwischen islamistischer Radikalisierung und antisemitischer Gewalt in Frankreich wird immer deutlicher. Behörden und Sicherheitsexperten warnen seit Jahren vor einer Generation junger Muslime, die durch Hassprediger, soziale Netzwerke und extremistische Ideologien geprägt werden – häufig ohne formellen Bezug zu bekannten Terrornetzwerken, aber mit hohem Gewaltpotenzial gegenüber Juden.

Viele dieser Jugendlichen beziehen ihr Weltbild aus Propaganda radikaler Gruppen wie der Hamas oder salafistischer Akteure, die den israelisch-palästinensischen Konflikt systematisch instrumentalisieren, um Hass auf Juden in Europa zu schüren. Jüdische Gemeinden in Frankreich erleben zunehmend, dass israelbezogene Hetze nahtlos in handfesten Antisemitismus umschlägt – unabhängig davon, ob ein direkter Bezug zum Nahostkonflikt besteht.

Nicht selten sind die Täter ohne gültige Papiere im Land, bewegen sich in prekären Milieus oder unter mehreren Identitäten. Der französische Inlandsgeheimdienst DGSI registrierte 2024 eine Zunahme gewaltbereiter muslimischer Jugendlicher, die antisemitische Einstellungen als Teil ihrer Identität verinnerlicht haben. Bereits 2020 veröffentlichte der damalige französische Innenminister eine Liste von über 150 Moscheen und Vereinen, die unter Beobachtung standen – wegen salafistischer Ideologien, aber auch wegen direkter oder indirekter Hetze gegen Juden.

In diesem Klima wachsender Parallelgesellschaften fühlen sich viele Täter offenbar moralisch legitimiert, gegen Juden Gewalt auszuüben. Der Rabbiner von Orléans sprach in seinem Interview von einem «unausweichlichen Angriff» – es sei nur eine Frage der Zeit gewesen.

Am Wochenende versammelten sich rund 300 Menschen auf dem Bastille-Platz in Paris zu einer Mahnwache. Für Dienstagabend ist ein Schweigemarsch in Orléans geplant.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..