
Mit der Ernennung von Generalstabschef Eyal Zamir beginnt für die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) eine neue Ära. In einer Zeit, in der Israel vor enormen sicherheitspolitischen Herausforderungen steht, setzt Zamir klare Prioritäten: die Stärkung der militärischen Schlagkraft, die Bewältigung der Bedrohung durch den Iran und die Rehabilitierung der IDF nach den traumatischen Ereignissen des 7. Oktober.
Bereits an seinem zweiten Tag als Generalstabschef setzte Zamir ein Zeichen und besuchte die Truppen im Gazastreifen. Mit unmissverständlichen Worten unterstrich er die zentrale Aufgabe der Armee: „Wir müssen immer wachsam, immer konzentriert, immer bereit und immer misstrauisch sein.“ Diese Haltung zeigt, dass er nicht nur die Notwendigkeit der Verteidigung Israels erkannt hat, sondern auch den Kampfgeist und die Einsatzbereitschaft der Soldaten stärken will.
Strukturelle und strategische Reformen
Neben operativen Plänen für mögliche erneute Konfrontationen mit der Hamas setzt Zamir auf strukturelle Neuerungen. Eine seiner ersten Massnahmen ist die Wiedereinführung gepanzerter Aufklärungseinheiten zur besseren Unterstützung der Bodentruppen. Besonders bemerkenswert ist, dass er eine dieser Einheiten möglicherweise speziell für ultraorthodoxe Soldaten aufstellen will. Dies zeugt nicht nur von strategischem Weitblick, sondern auch von einem Gespür für die gesellschaftlichen Entwicklungen in Israel.
Darüber hinaus hat Zamir die Auflösung der „Strategie- und Iran-Division“ beschlossen. Deren Aufgaben werden auf andere Einheiten verteilt, was die Effizienz und Handlungsfähigkeit der Armee erhöhen soll. Auch im sozialen Bereich setzt Zamir deutliche Akzente: Die finanzielle Unterstützung für Soldaten und ihre Familien soll erhöht werden. Dies ist nicht nur ein Zeichen der Anerkennung für den hohen Einsatz, den Israels Soldaten tagtäglich leisten, sondern auch eine langfristige Investition in die Moral und Motivation der Truppe.
Rehabilitierung und Selbstkritik
Zamir tritt sein Amt in einer Zeit an, in der die IDF mit einer tiefen Vertrauenskrise zu kämpfen hat. Die schrecklichen Anschläge vom 7. Oktober haben nicht nur die israelische Gesellschaft erschüttert, sondern auch grundlegende Sicherheitsstrukturen in Frage gestellt. Dass Zamir das Versagen der Armee an diesem Tag offen einräumt, ist bemerkenswert. Noch wichtiger ist aber, dass er gleichzeitig betont, wie die IDF aus dieser Krise hervorgegangen wird: „Wir haben uns aus der Tiefe erhoben und zurückgeschlagen“.
Seine Entscheidung, die Bilder der israelischen Geiseln in seinem Büro aufzuhängen, bis sie alle nach Hause zurückgekehrt sind, ist nicht nur eine Geste, sondern auch ein klares politisches Statement: Die Rückführung der Geiseln bleibt eine zentrale Priorität.
Internationale Kooperation und strategische Weitsicht
Auch in der internationalen Zusammenarbeit setzt Zamir auf Kontinuität und die Stärkung bestehender Allianzen. Kurz nach seiner Ernennung nahm US-CENTCOM-Kommandeur General Michael Kurilla an seiner Amtseinführung teil, und bereits in der ersten Woche führte die israelische Luftwaffe eine gemeinsame Übung mit der US Air Force durch. Ein klares Signal an die Feinde Israels: Die strategische Partnerschaft mit den USA bleibt eine tragende Säule der Sicherheitsarchitektur des Land.

Ein besonders drängendes Problem bleibt die Bedrohung durch den Iran. Zamir machte deutlich, dass die Beseitigung der nuklearen Bedrohung durch den Iran oberste Priorität habe. Damit folgt er der Linie des Verteidigungsministers und der Regierung, die die Fähigkeit Israels zur Selbstverteidigung über alles stellt. In einer Region, in der Zurückhaltung oft als Schwäche ausgelegt wird, ist diese Haltung nicht nur notwendig, sondern auch konsequent.
Ein General für die Zeitenwende
Eyal Zamir steht für eine Rückbesinnung auf militärische Grundprinzipien: Stärke durch Entschlossenheit, Einsatzfähigkeit durch gezielte Reformen und Sicherheit durch klare Abschreckung. Dabei setzt er auf eine kluge Balance zwischen technologischer Modernisierung und einer Stärkung der konventionellen Streitkräfte. Die Wiedereinführung gepanzerter Einheiten, seine Vorliebe für mehr Bodenpräsenz und seine Vision einer umfassenden militärischen Strategie sind genau das, was die IDF in dieser herausfordernden Phase braucht.
Mit Zamir an der Spitze hat die IDF die Chance, nicht nur aus ihren Fehlern zu lernen, sondern auch eine gestärkte und entschlossene Armee für die Zukunft zu formen. Die kommenden Monate werden zeigen, wie effektiv er seine Vision umsetzen kann. Eines ist jedoch sicher: Israel hat mit ihm einen Generalstabschef, der die Notwendigkeiten der Gegenwart erkennt und gleichzeitig mit strategischem Weitblick in die Zukunft blickt.
Zamir, 59, ist in Eilat geboren und aufgewachsen. Er ist der erste Generalstabschef, der seine Karriere im Panzerkorps begann. Nach seinem Eintritt in die Armee im Jahr 1984 wurde er Panzerkommandant und stieg schrittweise auf. Schliesslich wurde er von 2012 bis 2015 zu Netanjahus Militärsekretär ernannt. Von 2018 bis 2021 war er stellvertretender Generalstabschef, bevor er als Gastwissenschaftler an das Washingtoner Institut für Nahostpolitik berufen wurde. Im Jahr 2023 wurde er zum Generaldirektor des Verteidigungsministeriums ernannt. Er verfügt über Abschlüsse der Universitäten Tel Aviv und Haifa und ist Absolvent des General Management Program der Wharton University.