Pop-up-Museum für Carl Lutz: Ein unbeachteter Held, der Tausende Juden rettete

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Am Mittwoch, dem 12. Februar 2025, wurde in Walzenhausen zum 50. Todestag von Carl Lutz Pop-up-Museum eröffnet. Foto Gamaraal Stiftung
Am Mittwoch, dem 12. Februar 2025, wurde in Walzenhausen zum 50. Todestag von Carl Lutz Pop-up-Museum eröffnet. Foto Gamaraal Stiftung
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Am Mittwoch, dem 12. Februar 2025, wurde in Walzenhausen zum 50. Todestag von Carl Lutz ein temporäres Museum eröffnet, das sein aussergewöhnliches Wirken würdigt und die Erinnerung an seine beispiellose Rettungsaktion wachhält. Das Pop-up-Museum verdeutlicht nicht nur seine Rolle als Lebensretter, sondern auch die fatalen Folgen von Antisemitismus, der heute wieder in besorgniserregender Weise aufflammt.

Carl Lutz, geboren in Walzenhausen, zog als junger Mann in die USA und absolvierte ein Studium an der Washingtoner Universität, die als Ausbildungsstätte für zukünftige Führungspersönlichkeiten gilt. In der Schweizer Botschaft in Washington begann er seine diplomatische Laufbahn, bevor er in den diplomatischen Dienst in Europa wechselte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er als Vizekonsul nach Budapest entsandt und sah sich dort mit dem verzweifelten Schicksal der jüdischen Bevölkerung konfrontiert.

Lutz leitete die grösste zivile Rettungsaktion für Juden während des Holocausts. Insgesamt konnten 62.000 jüdische Menschen dank seiner Schutzbriefe dem sicheren Tod entkommen – das war nahezu die Hälfte der überlebenden jüdischen Bevölkerung Ungarns nach dem Krieg. Er setzte sich persönlich mit den Nationalsozialisten auseinander und verhandelte sogar mit Adolf Eichmann, um die Ausreise Tausender nach Palästina zu ermöglichen. Die Schutzbriefe waren juristisch fragwürdig, da die Schweizer Regierung sie nie offiziell absegnete, doch Lutz nutzte seinen diplomatischen Status und seine Verhandlungsgeschick, um Leben zu retten. Sein Vorgehen inspirierte auch den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der später mit ähnlichen Methoden Juden rettete.

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Pop-up-Museum für Carl Lutz: Ein unbeachteter Held, der Tausende Juden rettete. Foto Gamaraal Stiftung

Die letzten Monate des Krieges verbrachte Lutz mit seiner Frau Gertrud, seiner engen Vertrauten Maria Magdalena und deren Tochter Agnes in einem Schutzkeller der Schweizer Residenz in Budapest. Nach dem Einmarsch der Roten Armee wurden alle neutralen Diplomaten des Landes verwiesen, darunter auch Lutz. Doch zurück in der Schweiz erlebte er eine kalte Ernüchterung: Anstatt als Held empfangen zu werden, wurde er lediglich mit den Worten eines Zollbeamten begrüsst: „Haben Sie etwas zu verzollen?“

Nach seiner Rückkehr liess er sich von Gertrud scheiden und heiratete später Maria Magdalena. Während er im Ausland hochgeehrt wurde, galt er in der Schweiz lange als umstritten. Die Regierung rügte ihn wegen Kompetenzüberschreitung, seine Rettungsaktion wurde weitgehend ignoriert. In Ungarn hingegen wurde er als Heiliger verehrt. Lutz litt unter der Gleichgültigkeit seiner Heimat und starb 1975, einsam und verbittert. Erst zwei Jahrzehnte später wurde er offiziell rehabilitiert.

Die Gamaraal Stiftung, die sich für Holocaust-Überlebende und Erziehungsarbeit engagiert, hat die Ausstellung „Carl Lutz – Lebensretter aus Walzenhausen“ konzipiert. „Für uns ist das Wirken von Carl Lutz, der Zehntausende Menschen gerettet hat, ein Zeugnis höchster Zivilcourage und tiefster Menschlichkeit“, betont Anita Winter, Präsidentin der Stiftung.

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Agnes Hirschi-Grausz, Präsidentin der Carl-Lutz-Gesellschaft an der Eröffnung des Pop-up-Museum. Foto Gamaraal Stiftung

Die Ausstellung zeigt nicht nur das beeindruckende Lebenswerk von Carl Lutz, sondern macht auch deutlich, wie verheerend Antisemitismus sein kann – eine Gefahr, die auch heute nicht gebannt ist. „Das Erinnern an Carl Lutz soll zugleich eine Warnung sein, welche schwerwiegenden Folgen Rassismus und Antisemitismus haben können. Es ist die Verantwortung unserer Generation, den Ruf des ‚Nie wieder‘ weiterzutragen“, mahnt Winter.

Obwohl sein Name in der Schweiz lange Zeit unbekannt blieb, gibt es inzwischen späte Anerkennungen: 2018 wurde das grösste Sitzungszimmer im Bundeshaus nach ihm benannt. Doch sein Vermächtnis bleibt weit mehr als eine Gedenktafel – es ist eine zeitlose Mahnung für Mut, Menschlichkeit und die Notwendigkeit, sich gegen Unrecht zu stellen.

1 Kommentar

  1. Leute wie Carl Lutz sind die wahren Großen der Menschheit. Auf ihr Handeln sollte öfter aufmerksam gemacht werden.

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