Israels Fast-Grossangriff gegen die Hisbollah nach dem 7. Oktober

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Premierminister Netanjahu und Verteidigungsminister Gallant in der Kirya in Tel Aviv. Bild: IMoD/Ariel Hermoni
Premierminister Netanjahu und Verteidigungsminister Gallant in der Kirya in Tel Aviv. Bild: IMoD/Ariel Hermoni
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Ein kürzlich in der Jerusalem Post erschienener Artikel mit dem Titel «How Israel almost wiped out Hezbollah, only days after October 7» von Yonah Jeremy Bob beschreibt detailliert, wie nah Israel nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 daran war, die Hisbollah mit einem Grossangriff zu zerschlagen. Laut dem Bericht scheiterte der Plan letztlich an politischen Widerständen und am Druck der USA.

Bereits in den ersten Minuten nach dem Hamas-Angriff hatte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi die Sorge, dass Israel nicht nur im Süden, sondern auch im Norden durch die Hisbollah angegriffen werden könnte. Diese Befürchtung bestätigte sich am 8. Oktober, als die Hisbollah begann, Mörsergranaten auf Israel abzufeuern. Dies verstärkte die Ansicht innerhalb des israelischen Militärs, dass ein Zweifrontenkrieg bevorstand.

Laut dem Bericht der Jerusalem Post verfügte die israelische Militärführung über Geheimdienstinformationen, die auf eine mögliche Hisbollah-Invasion hindeuteten. Der damalige Militärgeheimdienstchef Aharon Haliva informierte Halevi darüber, woraufhin dieser eine Reihe hochrangiger Militärs, darunter den Nordkommandeur Uri Gordon und Luftwaffenchef Tomer Bar, zu Krisengesprächen versammelte.

Überraschungsangriff auf die Hisbollah

Innerhalb der israelischen Sicherheitskreise wuchs die Überzeugung, dass ein Überraschungsangriff auf die Hisbollah der beste Weg sei, um eine Eskalation zu verhindern. Halevi argumentierte laut Bob, dass es militärisch sinnvoll sei, zuerst den stärkeren Feind auszuschalten, um eine spätere Überraschung zu vermeiden. Auch Verteidigungsminister Yoav Gallant war offenbar ein Befürworter eines solchen Schlags.

Allerdings war nicht jeder innerhalb der IDF (Israeli Defense Forces) überzeugt. Geheimdienstanalyst Amit Saar äusserte Bedenken und sprach sich gegen den Präventivschlag aus. Dennoch blieben Halevi und Gallant bei ihrem Plan. Der Angriff hätte in den frühen Morgenstunden des 11. Oktober durchgeführt werden sollen – die Luftwaffe wurde bereits in Alarmbereitschaft versetzt.

Netanjahu war dagegen

Ein zentrales Hindernis war Premierminister Benjamin Netanjahu, dessen Unterstützung für den Angriff nicht gesichert war. Nach Angaben der Jerusalem Post versuchten Militärs und Minister, ihn von der Notwendigkeit der Operation zu überzeugen. Doch Netanjahu, der die politische Dimension stärker gewichtet habe, befürchtete eine drastische Eskalation und eine Schwächung des israelischen Rückhalts in den USA.

Als Netanjahus Berater Ron Dermer schliesslich den damaligen US-Sicherheitsberater Jake Sullivan kontaktierte, signalisierte Washington deutlichen Widerstand. Präsident Joe Biden warnte Netanjahu persönlich vor einem Angriff auf die Hisbollah und machte klar, dass die USA dies für einen schwerwiegenden Fehler hielten. Netanjahu reagierte darauf mit der Aussage: «Ich höre Sie, aber wir werden unsere eigene Entscheidung treffen.» Doch letztlich wuchs der Druck, den US-Wünschen Folge zu leisten.

Mögliche Belastung für Beziehungen zu den USA

Als sich das israelische Sicherheitskabinett schliesslich traf, um die Entscheidung zu fällen, wurde der Präventivschlag durch neue Faktoren blockiert. Neben Netanjahu lehnten auch Benny Gantz und Gadi Eisenkot, beide ehemalige IDF-Stabschefs und zu diesem Zeitpunkt Teil des Kriegsführungsteams, den Angriff ab. Sie sahen die Risiken eines Flächenbrands im Nahen Osten als zu hoch an. Netanjahu argumentierte zudem, dass ein Angriff auf die Hisbollah ohne US-Unterstützung die amerikanisch-israelischen Beziehungen schwer belasten könnte.

Letztlich fiel die Entscheidung gegen den Angriff, obwohl die Militärführung, darunter Mossad-Chef David Barnea und Schin-Bet-Leiter Ronen Bar, diesen weiterhin befürwortete. Laut Bob versuchte Gallant noch im Nachhinein, Netanjahu umzustimmen, scheiterte jedoch daran.

Verpasste Gelegenheit oder weiser Entscheid?

Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass eine frühzeitige Ausschaltung der Hisbollah möglicherweise viele Probleme vermieden hätte. Laut Bob sind viele Militärs der Ansicht, dass Israel so eine langfristige Eskalation hätte verhindern können. Stattdessen wurden die nördlichen israelischen Gebiete für 15 Monate evakuiert, und die Bedrohung durch die Hisbollah blieb bestehen. Zudem habe die Hamas möglicherweise länger durchgehalten, weil sie gesehen habe, dass Israel keinen entscheidenden Schlag gegen die Hisbollah führte. Doch auch die politischen und militärischen Risiken eines harten Schlages gegen die Hisbollah in der Frühphase des Krieges ohne Unterstützung der USA sind zu berücksichtigen. Letztlich ist eine abschliessende Beurteilung, ob der Verzicht auf den Überraschungsangriff eine weise Entscheidung oder eine verpasste Gelegenheit war, unmöglich.

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