Zwischen Humanität und Verharmlosung: Schweizer Entwicklungshilfe im Nahen Osten

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Symbolbild. Bundesrat Ignazio Cassis. Foto IMAGO / photosteinmaurer.com
Symbolbild. Bundesrat Ignazio Cassis. Foto IMAGO / photosteinmaurer.com
Lesezeit: 5 Minuten

Die offizielle Politik der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) angehört, ist zuweilen schockierend. Sie zeigt aber auch, wie ein Bundesrat sich von seiner Verwaltung einspannen lässt.

von André Gutenberg

In der Samstagsrundschau von Radio SRF 1 vom 18. Januar war Patricia Denzi, Chefin der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, zu Gast.

Wie leichtfertig und verantwortungslos mit jährlich 2.81 Milliarden Schweizer Steuerfranken umgegangen wird, erklärte die oberste Chefin der DEZA gleich selbst. In weniger als drei Minuten wurde die katastrophale und einseitige Haltung der DEZA deutlich. Das Interview ist auch ein weiterer Augenöffner dafür, zu welch kritiklosem und voreingenommenem Propagandamedium das staatlich finanzierte SRF verkommen ist.

Die Gastgeberin, SRF-Moderatorin Eliane Leiser, kam gleich zu Beginn auf den aktuellen Krieg im Nahen Osten zu sprechen.

Die erste Frage von Frau Leiser bei 1:57:

«Wie wichtig ist der (Geisel-)Deal, gerade aus humanitärer Sicht?»

Die Antwort von DEZA-Direktorin Patricia Denzi:

«Der ist extrem wichtig. Die Schweiz hat schon lange auf eine Waffenruhe plädiert. Das begrüssen wir natürlich sehr. Wir begrüssen auch, dass Geiseln befreit werden. Wir begrüssen, dass Gefangene befreit werden. Wir begrüssen, dass die Leute im Gazastreifen wieder ruhiger schlafen können. Das ist natürlich noch nicht alles. Und dass humanitäre Hilfe jetzt besser und schneller ankommen sollte, begrüssen wir auch.»

Es ist kaum zu fassen: Die offizielle Schweiz, repräsentiert durch die oberste Chefin der DEZA, erklärt öffentlich ihre Zustimmung zu einem System, das auf Terror, Mord, Vergewaltigung und Entführung basiert – einem System, das sich durch diese Verbrechen als erfolgreich erweist. Man könnte entlastend anführen, dass sie mit dieser Haltung keineswegs alleinsteht, sondern sich in breiter Gesellschaft befindet. Tatsächlich wurde die willkürliche Ermordung von Babys, Holocaust-Überlebenden, Eltern, Muslimen, Christen, Beduinen und ausländischen Arbeitskräften weltweit grosszügig honoriert. Seit dem 8. Oktober 2023 sieht sich Israel auf internationaler Bühne, insbesondere durch die UN, noch härterer Kritik ausgesetzt als zuvor – ein Paradoxon, das kaum zu erklären ist. Dass der Internationale Strafgerichtshof (ICC) und der Internationale Gerichtshof (ICJ) durch juristische Manöver die Jihadisten unterstützen (bekannt als Lawfare), ist ebenso offensichtlich wie die diplomatische Anerkennung des Hamas-Regimes durch Länder wie Spanien, Norwegen, Irland und Malta. Offenbar sieht auch die kleine, vermeintlich neutrale Schweiz hier Gründe, nicht abseits zu stehen.

Immerhin ist die Schweiz auch nett und human. Wir begrüssen es, dass die Geiseln nach über 471 Tagen grausamsten Missbrauchs, Vergewaltigungen und weiterer unaussprechlicher Terrorakte nun doch freikommen sollen – tot oder lebendig.

Aber der wirkliche Skandal ist dieser: Wir begrüssen, dass Gefangene befreit werden. Die Schweiz erklärt tatsächlich, sie begrüsse die Freilassung von Gefangenen! Moment mal – im Ernst? Wir, die offizielle Schweiz, befürworten also öffentlich die Freilassung von rechtskräftig verurteilten Verbrechern, von denen viele Mörder sind? Bedeutet dies, dass die Schweiz der Meinung ist, Israel habe Mörder, Vergewaltiger und Terroristen zu Unrecht verurteilt und inhaftiert?

Dabei sprechen wir von Israel. Dem einzigen demokratischen Staat im Nahen Osten, ausgestattet mit allen staatlichen Institutionen, die auch wir in der Schweiz mit Recht und Stolz vorweisen. Es ist vermutlich der einzige Staat in der Region, der die Prinzipien von Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit tatsächlich umsetzt. Hier haben alle Staatsbürger – unabhängig von Ethnie oder Religion – ein aktives und passives Wahlrecht. Kurz gesagt: Israel ist der einzige Rechtsstaat weit und breit. Und in genau diesem Staat sollen rechtskräftig verurteilte Gefangene „befreit“ werden – nicht etwa entlassen, sondern befreit. Das erinnert an die Befreiung aller unschuldig Inhaftierten aus Assads Terrorgefängnis Saidnaja in Damaskus. Also wir Schweizer begrüssen das.

Soweit zum Thema Steuermilliarden, Rechtsempfinden und Demokratieverständnis der DEZA-Chefin und somit der offiziellen Schweiz.

Das staatlich finanzierte SRF, repräsentiert durch die erfahrene Moderatorin Eliane Leiser, die ihren Lohn somit ebenfalls aus Steuermitteln bezieht, bleibt bemerkenswert ruhig. Anstatt kritisch zu hinterfragen, ob Frau Denzi und die DEZA tatsächlich der Ansicht sind, dass Massenmörder wie Yahya Sinwar aus israelischer Gefangenschaft befreit werden sollten, folgt Leiser unkritisch dem vorgegebenen Skript und dem altbekannten Narrativ des SRF. Statt den Fokus auf die problematische Haltung der DEZA zu legen, richtet Leiser ihre kritischen Fragen lieber gegen das Parlament, das sich zu Recht mit der Überprüfung von 20 Steuermillionen Hilfsgelder an die erwiesenermassen Hamas-unterwanderte UNRWA prüft.

DEZA – Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Nach einer Reise durch Jordanien im Mai 2018 äusserte sich Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) noch sehr deutlich zur Situation im Nahen Osten. Als erster Bundesrat überhaupt sprach Cassis Tacheles:

«Solange die Araber nicht bereit sind, Israel das Existenzrecht einzuräumen, fühlt sich Israel in seiner Existenz bedroht und wird sich verteidigen…. Die Flüchtlinge träumen davon, nach Palästina zurückzukehren. Mittlerweile gibt es weltweit nicht mehr 700’000 palästinensische Flüchtlinge (wie 1948, Anm. d. Red.), sondern 5 Millionen. Es ist nicht realistisch, dass dieser Traum für alle Wirklichkeit wird. Die UNRWA aber hält diese Hoffnung aufrecht. Für mich lautet die Frage: Ist die UNRWA Teil der Lösung oder Teil des Problems?»

Er löste damit unmittelbar, sowohl intern wie extern, einen, auf Neudeutsch «Shitstorm» aus. Mit der externen Kritik war zu rechnen. Die Wahrheit, ausgesprochen durch den Aussenminister, ist harte Kost, und schon gar nicht passt diese in das von den Medien verbreitete Narrativ zum Konflikt.

Dass jedoch die interne Kritik der Verwaltungsbeamten des EDA sich derart laut, klar und vielzählig gegen ihren Chef stellt, überraschte. Wohl auch den Bundesrat selbst. Noch mehr aber überrascht die Macht der Beamten im Apparat. Fast sieben Jahre später hat es Bundesrat Cassis nicht geschafft, seine Politik durchzusetzen. Es scheint, als lasse er sich stärker denn je durch seine Administration und die Staatsmedien vor sich hertreiben.

Aber wir begrüssen, dass wir jetzt alle wieder ruhiger schlafen können!

André Gutenberg ist ein internationaler Unternehmer welcher sich in sozialen Fragen engagiert.

2 Kommentare

  1. In Bezug auf die unfassbare Boshaftigkeit der offiziellen Schweiz und seinem Rotfunk gegenüber den Juden und der eigenen Bevölkerung sei mir ein ebensolcher, von der Kunstfreiheit gedeckter, Graffiti-Spruch erlaubt:

    Vor langer Zeit kreuzten sich entlaufene Frühmenschen mit den seelenlosen Gnomen der Berge.

    Daraus entwickelten sich selbstgereCHte CH imären.

  2. Man bekommt langsam das Gefühl, Schuld auf sich zu laden, wenn man länger in diesem Land der Terrorversteher wohnen bleibt… Die Schweiz geht mit jedem ins Bett, der Geld bringt zum Waschen-Trocknen-Aufbewahren. Auch der Top-Rang im Schattenfinanzindex spricht Bände („Schattenfinanz öffnet Drogenkartellen den Zugang zum Banksystem, macht Steuerhinterziehung zum Kinderspiel und Menschenhandel profitabel“). Die Schweiz ist seit Jahrzehnten logistische und finanzielle Drehscheibe der Mafia.

    Statistisch gesehen ist die Schweiz unter den etwa drei moralisch elendigsten Ländern der Welt: Sie fördert am beinahe meisten Leid auf diesem Globus. Kann man aber mit Folklore und bedruckten Einkaufstüten jederzeit herzigjodeln.

    Da die Schweiz aber auch gegen die eigene Bevölkerung sehr hart agiert (zBsp wird Anzeige wegen Körperverletzung nicht anhandgenommen, und die Staatsanwaltschaft macht sich übers Opfer lustig und schickt ihm die Rechnung), leben viele von uns hier in der Schweiz in einem goldenen Käfig, den sie nicht verlassen können. Ausser mit den Füssen voraus. Wann begrüsst die offizielle Schweiz, Frieden zu machen gegenüber der eigenen Bevölkerung? Und ein Verfassungsgericht gibt’s hierzulande ja auch nicht.

    Schweiz: Von ganzem Herzen böse.

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