Israel sieht sich einem beispiellosen und kafkaeskem Verfahren am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gegenüber. Es ist der Gipfel jahrelanger Vorbereitungsarbeiten zur juristischen Kriegsführung gegen Israel.
Diese Ereignisse sind das Ergebnis einer vielschichtigen und sich lange anbahnenden Kampagne von Israel-Gegnern, die sich weitgehend unter dem Radar abgespielt hat.
Zunächst einmal ist Israel kein Mitglied des Gerichtshofs und erkennt dessen Zuständigkeit für seine Handlungen nicht an. In den späten 1990er Jahren war Israel zunächst ein starker Befürworter des IStGH, aber während der Ausarbeitung des Römischen Statuts des Gerichtshofs blockierte die Arabische Liga Bemühungen, Terrorismus als internationales Verbrechen aufzunehmen und half dabei, ein neues Verbrechen zu erfinden, das speziell auf israelische Aktivitäten jenseits der Waffenstillstandslinien von 1949 abzielte. Aus diesen Gründen weigerte sich Israel, das Römische Statut zu ratifizieren und dem Gerichtshof beizutreten.
Wie die Palästinensischen Autonomiebehörde Mitglied des IStGH wurde
In jeder anderen Situation wäre dies das Ende der Angelegenheit gewesen. Ab 2009 versuchte jedoch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Zusammenarbeit mit UN-Berichterstattern und europäisch finanzierten NGOs, die mit der Terrorgruppe Volksfront zur Befreiung Palästinas in Verbindung stehen, dem Gerichtshof beizutreten.
Anstatt den Antrag der PA sofort abzulehnen, weil die PA kein Staat ist – und die IStGH-Mitgliedschaft nur Staaten offensteht – startete der damalige IStGH-Ankläger Luis Moreno-Ocampo eine PR-Kampagne, um die Frage scheinbar zu „debattieren“. Drei Jahre später lehnte er den Antrag der PA ab, lieferte aber stattdessen einen Plan, der es den Palästinensern ermöglichte, die klaren Standards des Römischen Statuts zu umgehen.
Im November 2012 gelang es den Palästinensern, ihren Status bei der UN zum „Beobachterstaat ohne Mitgliedschaft“ aufzuwerten. Allein aufgrund dieser semantischen, nicht aber inhaltlichen Änderung erlaubten IStGH-Beamte den Palästinensern, das System zu manipulieren und dem Gerichtshof beizutreten.
Trotz dieser Machenschaften und Ausnutzung des Gerichtshofs reichte die nächste Anklägerin, Fatou Bensouda, im Dezember 2019 einen Antrag bei der Vorverfahrenskammer (PTC) ein, um die Genehmigung zur Eröffnung einer Untersuchung von Verbrechen zu erhalten, die angeblich auf dem Gebiet des „Staates Palästina“ begangen wurden – obwohl dieser Staat nicht existiert und kein definiertes Territorium hat. Darüber hinaus argumentierte sie, dass der Gerichtshof gegen Israelis vorgehen könne, unabhängig davon, ob Israel Mitglied des Gerichtshofs sei.
Verstoss gegen das Oslo-Abkommen
Diese Aktion, die im Februar 2021 von der PTC in einer umstrittenen 2:1-Entscheidung bestätigt wurde, hebelte im Wesentlichen die Oslo-Abkommen aus, die Vereinbarung zwischen Israel und der PLO aus den mittleren 1990er Jahren, die die Verwaltung des Westjordanlandes und des Gazastreifens regelt.
Eine zentrale Bestimmung der Abkommen ist, dass die PA keine Befugnis haben würde, strafrechtliche Zuständigkeit über Israelis an den Gerichtshof zu übertragen oder zu delegieren. Die Anklägerin und der Gerichtshof ignorierten diese Frage vollständig.
Rückwirkend gültig
In einem weiteren unglaublichen Schritt erlaubte der Gerichtshof den Palästinensern auch, rückwirkend die zeitliche Zuständigkeit bis zum 13. Juni 2014 festzulegen, genau einen Tag nach der Entführung und anschliessenden Ermordung von drei israelischen Teenagern, die den Krieg in jenem Sommer auslöste. Dies bedeutete, dass Hamas‘ brutale Ermordung und Entführung von Juden, ein Vorgeschmack auf das, was Israel am 7. Oktober in grösserem Ausmass erleben würde, vom Gerichtshof einen Freifahrtschein erhielt.
Ein abgekartetes Spiel
Nun zu Khans Schritt, Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant zu beantragen. Auch hier zeigte die Anklagebehörde ein höchst fragwürdiges Verhalten. Khan hätte bereits am 7. Oktober selbst Anklagen gegen Hamas-Führer erheben können, als deren offensichtliche Verbrechen weltweit ausgestrahlt wurden. Stattdessen wartete er, bis konstruierte Vorwürfe der ‘Aushungerung’ gegen israelische Beamte entwickelt werden konnten. Er ignorierte auch unerklärlich Tausende anderer Kriegsverbrechen, einschliesslich jedes Raketenangriffs auf Israel, die von Palästinensern seit 2014 begangen wurden.
Zum Zeitpunkt der Ankündigung des Antrags für die Haftbefehle im Mai 2024 war ein Treffen in Israel eingeplant. Die geplante Reise scheint jedoch eine böswillige List gewesen zu sein. Anstatt dass das Team das Flugzeug nach Israel bestieg, ging Khan zu CNN, um Christiane Amanpour in einem exklusiven Interview von den Haftbefehlsanträgen zu erzählen. Man muss kein Kommunikationsexperte sein, um zu wissen, dass ein solcher Schritt einen PR-Sturm auslösen würde, der sich fast ausschliesslich auf Israel konzentrierte, was bedeutete, dass die Aufmerksamkeit für die Hamas-Gräueltaten und die tatsächlichen Verbrechen vom 7. Oktober praktisch ignoriert würden.
Man fragt sich auch, ob überhaupt bedacht wurde, was diese Aktion für die Hoffnung auf einen Waffenstillstand zur Sicherung der Freilassung der Geiseln bedeuten könnte.
Komplementarität nicht berücksichtigt
In eklatanter Weise verletzte Khans Handeln einen weiteren Eckpfeiler des Römischen Statuts, nämlich den der Komplementarität. Der IStGH soll nur als Gericht letzter Instanz in Situationen fungieren, in denen ein Justizsystem nicht in der Lage oder nicht willens ist, internationale Verbrechen zu untersuchen. Wie er selbst bei einem Besuch in Israel Anfang Dezember einräumte, verfügt Israel über robuste Untersuchungsmechanismen und eine Justiz – eine, die nie davor zurückgeschreckt ist, in militärische Angelegenheiten einzugreifen oder gegen hochrangige Beamte, einschliesslich Premierminister, vorzugehen.
Anstatt dem israelischen System eine angemessene Zeit zum Vorgehen zu geben, missachtete der Ankläger jedoch das Komplementaritätserfordernis und beschloss, voranzustürmen. Im Gegensatz dazu wurden, obwohl Khan seit Jahren die Zuständigkeit hat, gegen Präsident Maduro in Venezuela, die Taliban in Afghanistan und die Militärjunta in Myanmar – autoritäre Regierungen, die für schreckliche Gräueltaten verantwortlich sind – vorzugehen, keine Fälle eingereicht.
Irreversibler Schaden für den IstGH
Mehrere Verfahrensunregelmässigkeiten und politische Manöver der Anklagebehörde sind gut dokumentiert, und es gibt noch mehrere andere beunruhigende Aspekte der «Situation in Palästina», die hier nicht erwähnt werden. Seit Jahren steht der IstGH unter heftiger Kritik wegen seiner mangelnden Erfolge in seinen mehr als 20 Jahren des Bestehens. Khan wurde geholt, um als nüchterner und verantwortungsvoller Akteur das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Die Handlungen seiner Behörde in den letzten Monaten stellen diese Einschätzung nun in Frage.
In einem Interview mit der Times of London einige Tage nach seinen unerklärlichen Handlungen erklärte Khan: «Wenn wir uns nicht an das Gesetz halten, haben wir nichts, woran wir uns festhalten können.» Der Ankläger wäre gut beraten, über die Geschichte seiner Behörde nachzudenken und seinen eigenen Rat zu befolgen.
Anne Herzberg ist die Rechtsberaterin von NGO Monitor, einer Forschungsorganisation mit Sitz in Jerusalem.
Zuerst erschienen auf Allgemeiner.com.
Da kann ich Hr. Klein nur zustimmen, denn der IStGH kann nie objektiv sein schon aus dem einen Grund nicht weil die europäische Politik seit Jahrzehnten eine pro arabische Schiene fährt, auf der Israel nur auf dem Abstellgleis zu finden ist. Noch schlimmer, Israel wird fast ausnahmslos für alles was im Nahen Osten passiert verantwortlich gemacht um die islamisch-arabischen Beziehungen – bei denen es um grosse wirtschaftliche Interessen geht – nicht zu gefährden. Israel als einzige demokratische Nation dieser Region hat besseres verdient gerade auch deshalb, weil es den islamistischen Terror nicht nur im Nahen Osten sondern auch mit Berücksichtigung auf Europa bekämpft. Die EU ist schon seit langem nicht mehr fähig oder willig die wachsende Einflussnahme islamistischer (Terror) Organisation zu bekämpfen. Viel mehr gibt man Israel für vieles die Schuld um Teile der muslimischen Bevölkerung nicht zu sehr zu desavuieren – siehe Frankreich, England und Deutschland.
Gerichte implementieren gewöhnlich nur Normen, die durch die in ihrem Zuständigkeitsbereich angesiedelte Bevölkerung als allgemein verbindlich anerkannt worden sind, sei es, durch von repräsentativen Parlamenten implementierte positive Gesetze, sei es durch allgemein anerkannte ungeschriebene Normen, welche aber Ausdruck auf der Verfassungsebene des jeweiligen Staates finden und in allen Verfahren als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden (z.B. Gleichheit vor dem Gesetz). Dies gilt natürlich nur für demokratisch organisierte Gesellschaften, nicht für Theokratien oder Autokratien.
Bereits hier ist jedoch eine scharfe Grenzziehung oftmals schwierig, denn die Genesis des Rechtsempfindens einer Bevölkerung beruht auf seinen nationalen Erfahrungen und Überzeugungen, und unterscheidet sich daher logischerweise von Nation zu Nation. Das hängt nicht nur mit den spezifischen Erfahrungen, sondern auch mit der Reichweite des Gedächtnisses eines Volkes zusammen. Je weitreichender dieses ist, umso mehr kann es auf ein vollständiges Spektrum menschlicher Verhaltensweisen in unterschiedlichen Situationen zurückgreifen, und umso objektiver ausgerichtet kann es sein. Die Annäherung an die absolute Gerechtigkeit ist umso besser möglich, je mehr Ungerechtigkeit ein Volk erfahren, aber auch verursacht hat.
Der IStGH sollte, als Summe des Rechtsempfindens vieler Nationen daher eigentlich eine besonders objektive Instanz sein, gäbe es da nicht ein Problem: Das Gedächtnis der meisten Nationen ist oft sehr kurz, oder zumindest selektiv. Zudem ändert sich die Auswahl der Nationsbestimmenden Themen und deren Sichtweisen oft mit dem Wechsel der Machthaber an dessen Spitze. Daher ist es unvernünftig, eine besondere Objektivität dort zu vermuten, wo sich nur die Meisten Meinungen treffen, wenn diese zugleich subjektiv und von der Tagespolitik diktiert sind. Solange die Kriterien des IStGH an diesem Manko leiden, ist es nicht besser als ein nationales Gericht, unter der Voraussetzung, dass dieses überhaupt existiert und diese Bezeichnung verdient.
Aus Qualitätssicht ist ein Gericht einer Nation, welche auf dem unverfälschten Gedächtnis von 3500 Jahren Erfahrungen aufgebaut wurde, als relativ objektiver zu sehen und daher dem erstgenannten vorzuziehen. Da, wo es ein solches Gericht gibt, und wo dieses arbeitsfähig ist, wie in Israel, gibt es keinen Platz für eine ergänzende bzw. komplementäre Suche nach Gerechtigkeit.
Israel, welches die Kriterien eines gerechten Justizsystems mehr als der Durchschnitt der Mitglieder des IStGH erfüllt, ist konsequenterweise dem Römischen Statut nie beigetreten. Es mit dessen Mitteln zu verfolgen negiert seine Souverenität. Diese Negation kann man angesichts der Ungleichbehandlung mit anderen, weniger „gerechten“ Staaten, welche nicht Objekt des IStGH sind, nur als antisemitisch bezeichnen. Aus einer solchen Institution sollte Deutschland, dessen Staatsräson angeblich das Selbstbestimmungsrecht Israels ist, unverzüglich austreten.